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Aus dem Internet in den Druck

Internetliteratur ist tot - es lebe die Literatur im Internet. Ganz anschaulich zeigt diese Entwicklung der Poetenladen, eine Literaturplattform für Autoren der jungen Generation. Dabei erhält jeder Autor ein Profil mit seinen Texten. Beginnende wie fortgeschrittene schriftstellerische Karrieren sind so auf einen Blick einsehbar. Und neuerdings hat der Poetenladen auch einen Verlag.

Von Hannes Bajohr | 22.02.2008
    "leicht war es leider nicht und bleibt nicht leicht und einige leichenpflaster hab ich mir gewebt der mob mobilisierte mich doch meine meidermächte lichteten das meisterliche dickicht meistens nicht"

    "Wir sind eine Seite für Gegenwartsliteratur, wir wollen Leute, die mit der Sprache arbeiten, die mit der Sprache leben und die Freude oder auch Wut auf die Sprache haben, die die Sprache als Medium begreifen."

    Internetliteratur gibt es nicht mehr. Jedenfalls keine, die das Versprechen des Hypertextes ernst nimmt und unendliche und unlesbare Werke schafft; durch die man sich klicken muss und die beim Lesen erst entstehen; deren Avantgardismus darin aufgeht, so niemals gedruckt werden zu können. Internetliteratur scheint ausgestorben zu sein. Es gibt aber Literatur im Internet. Und das nicht zu knapp: Jeder Autor, der etwas auf sich hält, hat einen Netzauftritt, jedes Literaturmagazin eine Website; es gibt obskure private Initiativen und biedere, aber von höchster Stelle geförderte Unternehmungen; es gibt Seiten, die Hobbyautoren Raum zur Entfaltung bieten, und welche, die arrivierte Schriftsteller versammeln.

    "Der Vorteil des Internets für die normale, die konventionelle Literatur ist eben der der Verbreitung, vielleicht wie ein virtueller Buchladen, man kann stöbern in Texten, und das soll verführen, dann auch in die Originale zu gehen."

    Andreas Heidtmann ist Betreiber einer Literatur-Website: des Poetenladens. Von seinem Leipziger Büro aus leitet Heidtmann die Homepage eines der zur Zeit interessantesten Literaturangebote im Internet. Was man findet, wenn man poetenladen.de in seinen Browser eingibt, sieht auf den ersten Blick nach einem Magazin aus - es gibt Kritiken und Essays, es geht um Bücher und den Literaturbetrieb. Aber das trifft es nur halb. Denn das eigentliche Herz der Website ist eine Liste: Die der Autoren. Jeder Autor, der im Poetenladen vertreten ist, hat eine eigene Seite, auf der eine Biografie und einige Texte zu finden sind. Nicht viele, aber genug, dass man einen Eindruck gewinnen kann, was der oder die so schreibt.

    "Diese Menge an Ungefiltertem, die es normalerweise im Internet gibt, in den vielen offenen Foren, wo eben keine Redaktion stattfindet, gibt es beim Poetenladen nicht, wir machen eine sehr strenge, rigorose Auswahl; es ist so das wir inzwischen 5000 Beiträge vorliegen haben und davon wird nur ein ganz kleiner Bruchteil genommen."

    Was den Poetenladen von anderen Seiten abhebt, ist die Mischung: Da gibt es sowohl erfahrene Schriftsteller - Hans-Ulrich Treichel ist vertreten – als auch jüngere – Ron Winkler zum Beispiel – bis hin zu denen, die noch keine Veröffentlichungen haben, aber vielleicht bald schon in aller Munde sind. Vor allem die Jungen bilden den Schwerpunkt. Entdecken ist das Prinzip des Poetenladens: Er lädt ein zum Blättern in noch ungeschriebenen Büchern.

    "Immer wenn wir Autoren hatten, die wir entdeckt haben, dann stellten wir fest, dass kurze Zeit später sie sehr bekannt wurden. Wir hatten Uljana Wolf zum Beispiel, mit der Lyrik, ehe sie den Peter-Huchel-Preis bekam und das hatten wir jetzt mit Tina Gintrowski, die den Open-Mike-Preis gewonnen hat. Also wir haben sehr viel junge Autoren, die dann im Laufe einer relativ kurzen Zeit irgendwelche Preise gewinnen, so ist der Weg oft."

    "…ich schweb auch jetzt noch offen oft mit dem gesicht ganz dicht an leiblichem vorbei leis hoffend dass ein ähnlicher bericht den meineid einmal bricht und mich befreit. -- Tina Gintrowski, Freilich"

    "Dadurch dass es im Internet ist, stoßen relativ viele Leute darauf. Mir ist es schon ziemlich oft passiert, dass ich über die Mailfunktion Nachrichten bekommen habe oder ein paar Mal Anfragen."

    Tina Gintrowski ist Autorin im Poetenladen und gehört damit zum hoffnungsvollen Nachwuchs, den Andreas Heidtmann fördern will. Sie gewann den Open Mike im letzten Jahr und nahm an den im Netz nachhörbaren Lesungen des Poetenladens teil. Der Poetenladen ist für sie vor allem Visitenkarte und ein Mittel, im Internet präsent zu sein.

    "Also ich sehe auch Vor- und Nachteile: Der Vorteil ist sicher, dass es eine große Erreichbarkeit gibt, dass die Leute, wenn sie den Namen bei Google eingeben, darauf stoßen und auch sofort die Texte lesen können. Nichtsdestotrotz finde ich eine Veröffentlichung im Print schon toller. Es ist einfach schöner, seine Texte gedruckt zu sehen, als nur im Internet."

    Auch die Literatur im Internet möchte wieder zu Büchern werden. Die logische Konsequenz war für Andreas Heidtmann zunächst, eine "echte" Zeitschrift herauszugeben. Der "poet" erschien gerade in der vierten Ausgabe und versammelt hauseigene und fremde Autoren. Er ist keine Verlängerung der Internetseite, sondern eigenständiges Magazin und konkurriert damit mit anderen Zeitschriften wie EDIT oder Am Erker. Und seit Ende letzten Jahres gibt es nun auch einen Verlag. Er heißt ebenfalls Poetenladen. Geplant sind Anthologien mit Autoren der Seite und Einzelveröffentlichungen. Die ersten Bücher erscheinen bereits.

    "Es war tatsächlich so, als uns der Erfolg in sofern eingeholt hat, als wir dann sagten, Mensch, wir haben ja ein ungeheures Potential an Autoren. Andere Verlage müssen ihre Autoren erstmal suchen und wir hatten durch dieses Netzwerk Kontakt mit Bekannten, mit Jungen, wir kannten sehr viele Autoren und kennen natürlich auch sehr viel Manuskripte, wir sind sozusagen mitten im Geschehen drin."

    Die Bewegung, die der Poetenladen vollführt, ist ungewöhnlich. Andere Verlage oder Literaturzeitschriften haben zwar einen Internetauftritt, er ist aber nur ein Hinweis auf die eigentliche Tätigkeit, die in der realen Welt stattfindet. Der Poetenladen ist – bisher mit stetigem Erfolg – den umgekehrten Weg gegangen: Aus dem Internet in den Druck. Und obwohl diese Seite im großen Literaturbetrieb noch ein recht kleines Pflänzchen ist: Gerade für die ganz junge Literatur ist sie schon jetzt eine Institution. Die intelligente Verknüpfung von Netz und Verlag verspricht, dass sie noch weiter wächst. Auch wenn der Poetenladen keine Internetliteratur bereit hält – die Literatur, die er ins Internet stellt, ist durchaus einen Blick wert. Vor allem deshalb, weil sie gute Chancen hat, wieder zu Papier zu werden und in echten Läden zu stehen.


    Infos:
    poetenladen.de