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Aus dem Netz an die Börse

An den Börsengang von Facebook sind hohe Erwartungen geknüpft. Die Plattform, die mehr als 900 Millionen Menschen miteinander verbindet, will damit Geschichte schreiben. Doch das ist riskant: Denn Facebook muss in den kommenden Jahren stark wachsen, um die geschätzten 100 Milliarden Börsenwert zu rechtfertigen.

Von Samir Ibrahim | 17.05.2012
    Kairo, Tahrir-Platz, Februar 2011. Der arabische Frühling ist in vollem Gange. Die Menschen gehen auf die Straßen. Sie halten Fahnen hoch, Spruchbänder mit ihren Forderungen. Mitten in der Menge steht ein Mann und zeigt ein Schild in die Kameras. In großen Lettern steht darauf ein Wort: Facebook. Das Bild geht um die Welt.

    Das soziale Netzwerk hat damit einen Sprung gemacht, den sich bei seiner Gründung im Jahr 2004 niemand erträumt hatte. Was als Idee einiger Studenten begann, die mit Hilfe des Internets in Kontakt bleiben wollten, war Teil der Weltpolitik geworden. Einen Anspruch, den die Gründer um Mark Zuckerberg seinerzeit gar nicht hatten. Das Netzwerk Facebook sollte eigentlich nur einen ganz friedlichen und simplen Zweck erfüllen, so stellt es der 28-Jährige in seinem Werbevideo für den Börsengang dar.

    "Für mich war das Internet etwas Wunderbares. Alle Informationen waren plötzlich verfügbar. Jederzeit. Aber: Es fehlten die Menschen! Freunde sollten sich über das Internet austauschen können. Sie sollten Fotos tauschen können oder ihnen sagen können, was sie gerade tun. Sie sollten sich verabreden können. Deshalb haben wir Facebook geschaffen."

    Vor mittlerweile acht Jahren. Mark Zuckerberg studierte damals an der Elite-Universität Harvard in den USA. Aus seiner Idee, das Internet auch privat zu nutzen, um sich mit Freunden auszutauschen und zu verabreden, entwickelte sich zunächst eine Kommunikationsplattform für die Studenten von Harvard. Ein Selbstläufer. Denn Facebook war einfach zu bedienen und problemlos von jedem Rechner aus zu erreichen.

    Ossi Urchs berät Unternehmen bei allen Fragen rund um das Internet. Er hat das Projekt Facebook von Anfang an verfolgt und kennt das Erfolgsrezept.

    "Facebook ist im Grunde genommen die Plattform, auf der Menschen wie du und ich so miteinander sprechen können, wie sie das aus dem wirklichen Leben gewohnt sind. Also ohne Förmlichkeiten einzuhalten, ohne diplomatische Rücksichten nehmen zu müssen. Junge Internetnutzer sagen häufig: E-Mails benutze ich einmal die Woche, wenn ich meinen Eltern was mitteilen will, und untereinander spielt sich alles auf Facebook in Echtzeit ab. Das ist also auch nicht das Messaging, wie wir das kennen, sondern das ist eine Zwischenform zwischen Messages und Chat. Also man geht davon aus, dass alle Kontakte, die ich so habe, permanent online sind, und dass ich sie zu jeder Zeit erreichen kann und dann auch innerhalb kürzester Zeit Reaktionen bekomme. Das führt dann zu solchen Phänomenen wie zum Beispiel Flashmobs. Wo sich in kürzester Zeit Hunderte oder Tausende Menschen an irgendeinem Ort der Stadt treffen, um dort eine Party zu machen oder die nächste Demonstration Richtung Revolution auszurufen."

    Die Ereignisse auf dem Tahrir-Platz in Kairo sind nur ein Beispiel für die Arabellion, eine im Dezember 2010 beginnende Serie von Protesten, Aufständen und Revolutionen in der arabischen Welt. Doch plötzlich war Facebook nicht mehr nur das Medium, über das sich Teenager für das Wochenende oder nach Schulschluss verabreden. Die Bilder und Filme, die da ausgetauscht oder veröffentlicht wurden, zeigten keine privaten Szenen im Freundeskreis, sondern blutige Straßenschlachten und Demonstrationen in arabischen Ländern. Die Macht des Internets war plötzlich greifbar. Die Aktivisten dieser Aufstände wussten schnell: Facebook kann viel mehr – und sie nutzten es.

    "Die wussten sehr genau, was sie tun. Das sind bestens ausgebildete IT-Leute zum großen Teil. Und die konnten dann Facebook auch in einer Art und Weise nutzen, wie das etwas Otto Normalnutzer in Deutschland nicht unbedingt so kennt. Man kann zum Beispiel geschlossen Gruppen bilden, man kann kryptografische Messages verschicken und so weiter und so fort. Also es den Überwachungsbehörden, den Geheimdiensten in den arabischen Ländern sehr schwer machen. Das haben diese Leute auch getan, haben dabei auch tatkräftige Unterstützung von Google, aber auch von Facebook bekommen. Also insofern haben diese Plattformen da schon eine sehr große und sehr, sehr wichtige Rolle gespielt."

    Für Facebook ein wichtiger PR-Coup. Das Unternehmen war in aller Munde, ein Film über die Gründungsgeschichte von Facebook ein großer Erfolg. Ob Firmen oder Politiker – alle wollen nun dabei sein. Mit einem Klick auf den "Gefällt mir"-Daumen bei Facebook kann der User beispielsweise die neusten Einträge eines Politikers lesen und sich als Anhänger von Sigmar Gabriel oder Horst Seehofer outen. Oder einem Unternehmen folgen und zum Fan von Coca-Cola, Starbucks und Co. werden. Ein Mausklick, für den diese Firmen Geld an Facebook zahlen. Die Werbeeinnahmen des sozialen Netzwerkes steigen – und die Zahl der Mitglieder auch. Rund vier Milliarden US-Dollar setze Facebook auf diese Weise im vergangenen Jahr um. Nach Abzug aller Kosten blieb eine Milliarde Dollar Gewinn.

    Wenn Facebook ein Land wäre, dann wäre es die drittgrößte Nation der Welt. Mehr als 900 Millionen Nutzer haben sich inzwischen beim sozialen Netzwerk registriert. Jede Sekunde kommen weltweit durchschnittlich acht Nutzer hinzu. Mit diesem Potenzial will Facebook nun an der Börse punkten. Nach jüngsten Schätzungen sind Einnahmen von 16 Milliarden US-Dollar möglich.

    Etwa die Hälfte davon geht an Investoren und an die Facebook-Spitze. Denn Zuckerberg und Co. halten einen großen Teil der Aktienoptionen. Sie haben damit das Recht auf einen Teil des Aktienpakets, das ab morgen an der Börse platziert wird. Die restlichen rund acht Milliarden US-Dollar verbleiben im Unternehmen. Damit sind Investitionen in die Zukunft möglich: Andere Firmen etwa könnten übernommen werden – und damit auch deren Know-how. Genau aus diesem Grund kaufte Facebook erst vor einigen Wochen die kleine Firma Instagram auf. Ein Laden mit nur zwölf Mitarbeitern, doch die hatten herausgefunden, wie Fotos auf dem Smartphone bearbeitet und dann ins Internet hochgeladen werden können.

    Mit dem Börsengang sind allerdings auch Risiken verbunden. Facebook will Menschen miteinander verbinden und finanziert sich über Werbeeinnahmen. Doch sind die Nutzer auch bereit, sich von Werbung behelligen zu lassen, während sie mit Freunden kommunizieren? Mancher Werbekunde ist skeptisch, ob die Facebook-Werbung beim Nutzer überhaupt ankommt. Aus diesem Grund will etwa der Autohersteller General Motors – ein Schwergewicht in der amerikanischen Werbeindustrie – laut dem "Wall Street Journal" in Zukunft keine Facebook-Anzeigen mehr schalten.

    Es gibt zwei Möglichkeiten, im Internet Geld mit Werbung zu verdienen: über Werbebanner, die neben den Fotos oder Texten erscheinen, die den User eigentlich interessieren. Oder über Werbung, auf die der Nutzer klicken kann, um dann auf der Webseite eines Unternehmens zu landen. Damit verdient unter anderem der Facebook-Konkurrent Google einen großen Teil seines Geldes. Mit Hilfe eines einzigen Programms, das dem Nutzer die passende Werbung zu seiner Suchanfrage dazustellt, hat Google im vergangenen Jahr einen Umsatz von 29 Milliarden US-Dollar gemacht.

    Eines der großen Probleme von Facebook ist das Verhalten seiner Nutzer. Während der typische Google-User am PC im Büro oder zuhause sitzt, ist das Facebook-Mitglied mobil und klickt sich vom Smartphone oder anderen internetfähigen Handys ein. Und da, sagt Internet-Experte Ossi Urchs, wird es schwierig:

    "Die Frage für Facebook ist natürlich: Wenn mein Geschäftsmodell in Werbung besteht, dann muss ich einen Weg finden, wie ich Werbung auch auf mobile Endgeräte bringen kann. Und das ist nicht ganz leicht: weil sich herkömmliche Werbeformen, wie beispielsweise Banner, denkbar schlecht eignen für so einen kleinen Handyscreen. Facebook hat da einiges in der Tasche, also beispielsweise bezahlte Meldungen in der Timeline der Nutzer. Da ist dann aber wiederum die Frage, wie die Nutzer darauf reagieren werden, wie sie das akzeptieren werden. Das ist noch nicht ausgemacht, das ist eine Wette auf die Zukunft, wenn man so will. Und das ist vor allen Dingen ein Ritt auf einem extrem schmalen Grat."

    Diese Timeline ist eine der neueren Erfindungen von Facebook. Das Leben der Nutzer soll sich entlang dieser Linie darstellen lassen. Die entsprechenden Einträge sollen dann mit dazu passender Werbung versehen werden.

    Die "Wette auf die Zukunft", die Facebook und künftig auch seine Aktionäre eingehen, ist das Spannende am Börsengang. Das Potenzial für künftige Milliardenumsätze hat Facebook dank der vielen Informationen, die die Mitglieder über die Plattform teilen. Die Frage lautet schlicht, ob der Internet-Gigant dieses Potenzial jemals ausschöpfen kann?

    Schon vor dem Börsengang wird Facebook auf einen Wert von rund 100 Milliarden US-Dollar geschätzt. Zum Vergleich: Das ist in etwa genauso viel wie die deutschen DAX-Konzerne Siemens, Thyssen Krupp, Lufthansa und RWE zusammen wert sind. Ohne dass Facebook Kraftwerke, Flugzeuge oder Produktionsmaschinen besitzt. Der Wert des Zuckerberg Unternehmens ist rein ideell und errechnet sich aus dem Potenzial, das Facebook von Branchenkennern und Investoren zugetraut wird. Ein Potenzial, das Google schon seit Jahren ausschöpfen kann. Google ist mit rund 200 Milliarden US-Dollar doppelt so viel wert wie Facebook. Umsatz und Gewinn sind bei Google allerdings auch zehn Mal so hoch.

    Klar ist: Facebook muss auch bei Umsatz und Gewinn wachsen, um zu bestehen. Mehr als 900 Millionen Nutzer weltweit - so viele wie keine andere Internetplattform - sind dabei hilfreich. Denn sie machen mit ihren Nutzerprofilen und den darin enthaltenen Informationen den Reichtum von Facebook aus. Doch das allein reicht nicht aus, wenn Facebook an der Börse ist. Facebook muss das Potenzial, das in seinen vielen Usern schlummert, in Geld umwandeln. Börsianer sprechen hier von einem Kurs-Gewinn-Verhältnis. Der Kurs der Aktie, der den Börsenwert des Unternehmens bestimmt, steht dem tatsächlichen Gewinn gegenüber. Genau hier klafft bei Facebook eine Lücke: Sein Marktwert an der Börse entspricht in etwa 100 Milliarden US-Dollar. Der aktuelle Gewinn rechtfertigt das allerdings nicht, sagt Christian Schulze, Professor für Marketing an der Frankfurt School of Finance. Und doch ist er optimistisch:

    "Geht man einmal davon aus, dass Facebook es schafft, die 900 Millionen Nutzer, die sie derzeit haben, auch über die nächsten fünf Jahre ungefähr stabil zu halten, dann würde das bedeuten, dass bei einer Marktkapitalisierung von 100 Milliarden jeder Nutzer über die nächsten fünf Jahre etwas mehr als 100 Dollar an Gewinn bringen müsste. Runter gerechnet auf den Monat wären das knapp zwei Dollar pro Nutzer pro Monat. Ich glaube, es gibt genug Beispiele wie Google, die zeigen, dass es möglich ist, zwei Dollar mit jedem einzelnen Nutzer zu erbringen. Die Facebook-Gewinne pro Nutzer sind derzeit sehr, sehr gering, sie sind nicht einmal ein Zehntel so hoch, wie sie sein müssten, um die aktuelle Bewertung zu rechtfertigen. Aber Facebook war bisher auch nicht auf Umsatz oder Gewinn ausgerichtet, sondern vor allem auf Wachstum. Und ich glaube, dass wir da erst den Anfang von dem gesehen haben, was möglich ist."

    Für Investoren stellt sich nun also die Frage, ob sie in Facebook tatsächlich investieren sollen. Die Nachfrage scheint riesig zu sein. Denn die Preisspanne, zu der die Aktie angeboten wird, wurde erst Anfang dieser Woche noch einmal angehoben: Statt zwischen 28 und 35 soll die Aktie nun zwischen 34 und 38 US-Dollar kosten. In dieser Größenordnung können Interessenten die Aktie zeichnen, sich also quasi um eine Aktie bemühen. Der genaue Preis wird den potenziellen Aktionären spätestens morgen, am Tag des Börsengangs, genannt.

    Gestern erst wurde die Stückzahl der auszugebenden Aktien auf 421 Millionen erhöht. Ebenfalls ein Zeichen dafür, dass die Nachfrage höher als das Angebot ist. Der angenehme Nebeneffekt für Facebook: Das sogenannte Emissionsvolumen, also der finanzielle Erlös durch den Börsengang, steigt so noch ein Mal an: auf geschätzte 16 Milliarden US-Dollar. Wer die Aktien zeichnet, ist nicht bekannt – das wird sich erst im Nachhinein feststellen lassen. Institutionelle Investoren wie Banken und Fonds jedenfalls rechnen genau nach, bevor sie sich an der Börse auf ein neues Unternehmen einlassen. Sie nehmen die Erlöse, die Facebook durch Werbung erzielt, genau unter die Lupe. Und auch der Aufwand, der dem gegenübersteht.

    Jürgen Meyer hat genau geprüft, ob er die neue Facebook-Aktie in sein Portfolio aufnimmt. Er ist Fondsmanager bei der SEB-Bank, die deutsche Tochtergesellschaft des größten Geldinstituts Schwedens. Für Facebook sieht er gute Chancen zu bestehen.

    "Facebook ist natürlich bestens gerüstet, um der Führer in seinem Segment zu bleiben. Aber wie eben gerade die Elektronik, die Unterhaltungselektronik, die IT-Branche zeigt, gibt es hier ab und zu auch Entwicklungen, die nicht prognostizierbar sind. Unabhängig davon, wie erfolgreich Facebook ist, muss man eben auch sehen, dass dieses Unternehmen noch sehr lang und sehr stark wachsen muss, um in der Profitabilität in eine Größenordnung herein zu wachsen, die diese 100 Milliarden rechtfertigt."

    Privatanleger sind da in der Regel weniger kritisch. Sie entscheiden oft aus dem Bauch heraus, sagt Christin Stock von Cognitrend. Ihr Unternehmen beschäftigt sich mit Börsenpsychologie und dem Verhalten von Anlegern. Private Anleger, behauptet sie, wollen vor allem am "großen Wunder Facebook" teilhaben. Als Aktionäre sind sie formal Mitinhaber. Sie würden eher als die professionellen Investoren daran glauben, dass die Erfolgsgeschichte der Zuckerberg Gründung weitergeht. Prinzip Hoffnung, nennt Stock das.

    "Hoffnung, weil Facebook eine echte Erfolgsgeschichte ist. Und man kann sich auch nicht vorstellen, dass diese Erfolgsgeschichte so schnell aufhören kann. Und Facebook ist einfach hip, es ist angesagt, es macht Spaß, und jeder will irgendwie dabei sein. Und: Es ist irgendwie etwas Besonderes. Auch wenn man den Gründer beispielsweise anschaut: Der trägt immer Kapuzenpulli. Er ist innovativ, und er ist sehr jung. Und das ist sehr, sehr auffällig. Und immer wenn etwas sehr auffällig ist, dann ist es leicht verfügbar im Gehirn, dann erinnert man sich leicht daran. Und es gibt so eine nette Studie, die heißt: "Alles was glänzt". Und da haben die Forscher herausgefunden, dass man immer dann gerne Aktien kauft, wenn etwas besonders auffällig ist, wenn etwas in den Medien diskutiert wird. Egal ob es positiv oder negativ diskutiert wird. Aber es fällt auf, und deshalb will man es unbedingt haben."

    Anleger außerhalb der USA haben so gut wie keine Chancen, zum Börsengang Aktien zu ergattern. Sie können sich erst am Hype beteiligen, wenn die Aktie am regulären Börsenmarkt gehandelt wird. Bisher war sie nur auf außerbörslichen Plattformen in den USA, bei einigen großen Banken zu haben – und das auch nur für einen kleinen Kreis an Interessenten, den Facebook selbst bestimmen konnte. Diesen Auserwählten – dazu gehört die Führungsriege des Unternehmens - wurden schon Monate vor dem Börsengang Anteilsscheine angeboten, die nun in börsennotierte Aktien umgewandelt werden. Die erlauchten Mitglieder dieses kleinen Kreises werden mit dem Börsengang ein großes Geschäft machen. Vorausgesetzt, die Masse kauft die Aktie und treibt den Kurs weiter hoch. Was allgemein erwartet wird. Beim deutschen Handelshaus Lang und Schwarz wird die Aktie außerbörslich schon gehandelt, auf der privaten Plattform des Brokers. Wie sehr sich Anleger um die Facebook-Anteile bemühen, ist hier gut nachzuvollziehen. Die Nachfrage ist derart groß, das Lang und Schwarz einen Preis von fast 69 US-Dollar errechnet hat. Facebook käme damit sogar auf einen Marktwert von 172 Milliarden US-Dollar.

    Einer, der dem Hype kritisch gegenübersteht, ist Warren Buffet. Der 90-Jährige gilt als Legende auf dem Parkett. Er hat Milliarden verdient, weil er mit seinen Investitionen und Vorhersagen meist richtig gelegen hat. Sein Wort hat Gewicht. Und Buffet hat schon erklärt, dass er sich am Run auf die Facebook-Aktie nicht beteiligen will. Auch Fondsmanager Jürgen Meyer gibt sich zurückhaltend. Nach dem Börsengang will er zunächst abwarten, wie sich die Angelegenheit entwickelt.

    "Also freuen darauf müssen sich andere, denn ich werde mich daran sicherlich nicht beteiligen. Dass es Börsengänge wieder gibt, ist natürlich auch Folge gestiegener Kurse. Denn im Umkehrschluss bedeutet das ja, dass es für Leute, die momentan diese Unternehmen besitzen, wieder lukrativer wird, diese zu verkaufen."

    Lukrativ ist der Börsengang vor allem für die Führungsriege des Unternehmens. Ihnen wird morgen der Gegenwert ihrer Aktienoptionen in ihrem Portfolio gutgeschrieben. Der erst 28-jährige Firmenchef Mark Zuckerberg, so haben es Branchenkenner errechnet, könnte auf einen Schlag zu einem der reichsten Menschen der Welt werden.

    Er wird auch entscheiden, wie es mit dem Unternehmen weitergeht. Und das ist eines der anderen Probleme, vor denen Facebook nun steht. Denn Zuckerberg wird die Kontrolle über eine der größten Aktiengesellschaft der Welt nicht abgeben, das stand schon lange vor dem Börsengang fest. Der Gründer wird mehr als 60 Prozent der Aktienanteile halten – und damit auch künftig das Sagen haben. Das bedeutet für Investoren, sie haben gegenüber der Geschäftsführung wenig in der Hand, denn wirkliche Mitbestimmung gibt es für ihre Anteile nicht. Ein Punkt, der manchen potenziellen Investor abschrecken könnte.

    Mark Zuckerberg gilt als verschlossen. Bis vor wenigen Monaten wussten nur Wenige, was sich hinter den Kulissen des Unternehmens abspielt. Facebook war nicht verpflichtet, irgendetwas preiszugeben. Und so machte der Internet-Gigant bislang ein großes Geheimnis daraus, wie er sein Geld verdient und vor allem wie viel. Erst mit dem Antrag auf Zulassung an der New Yorker Börse musste Facebook sich den Bedingungen der Börsenaufsicht SEC beugen und erstmals Zahlen veröffentlichen. Der Börsengang bedeutet also Transparenz. Vielleicht können sich nun auch die Datenschützer Hoffnungen machen. Weil völlig unklar ist, was das Unternehmen mit den privaten Daten seiner weltweit 900 Millionen Nutzer macht. Ob der Konzern sie möglicherweise für sich nutzt oder die Daten weiterverkauft? Diese Fragen schrecken Datenschützer auf. Für den Internetexperten Ossi Urchs steckt Facebook deshalb nun in einem Dilemma:

    "Auf der einen Seite braucht Facebook diese Nutzerdaten, um sie dann irgendwie monetarisieren zu können, um dem Werbekunden auch tatsächlich ein lukratives Angebot machen zu können. Das sich unterscheidet von den Möglichkeiten, die diese Kunden auf den anderen Plattformen haben. Auf der anderen Seite ist Facebook aber natürlich auch immer angewiesen auf die Unterstützung, auf die Sympathie der Nutzer. Das heißt, wenn sich Facebook es mit seinen Nutzern einfach verdirbt, dann ist das Geschäftsmodell gescheitert, bevor es richtig angefangen hat. Das heißt: Das darf niemals passieren. Deswegen ist auch in der jetzt aktuellen Diskussion um die neuen allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzrichtlinien, sind die Nutzer explizit aufgefordert darüber abzustimmen, da ihre Kontakte zu hinterlegen. Also an dieser Veränderung aktiv teilzunehmen. Weil Facebook sehr genau weiß, dass es ohne diese Nutzer oder gegen diese Nutzer überhaupt nichts durchsetzen kann."

    Mit dem Börsengang wird sich Facebook verändern, verändern müssen. Ob in puncto Datenschutz oder bei unternehmerischen Entscheidungen, als Aktiengesellschaft wird sich der Konzern öffentlich erklären und rechtfertigen müssen. Kann die Firmenleitung um Mark Zuckerberg die Öffentlichkeit nicht überzeugen, bricht auch die Börse ihren Stab über das Unternehmen. Der Aktienkurs bricht ein und alle Beteiligten verlieren Geld, viel Geld. Macht Facebook dagegen alles richtig und findet Anklang bei den Aktionären, kann die Erfolgsgeschichte weitergehen. Die Risiken des Börsengangs sind groß, die Chancen aber auch.