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Aus dem Urwald von Guatemala

Allen Warnungen zum Trotz hält die Zerstörung der tropischen Regenwälder unvermindert an. So kann man es Jahr für Jahr nachlesen im Tropenwaldbericht der Bundesregierung beispielsweise oder auch im "Internationalen Waldbericht" der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO. Der größte Teil der Vernichtung ist dabei der landwirtschaftlichen Nutzung, einschließlich der Brandrodung zuzuschreiben, so steht es dort zu lesen. Und damit sind also Bevölkerungswachstum, Armut und Landlosigkeit die Faktoren, die bekämpft werden müssen, um den Raubbau am Tropenwald zu stoppen. Was getan werden kann, wie sich Naturschutz und Landwirtschaft in Einklang bringen lassen, dazu laufen derzeit in Guatemala Versuche und Projekte. Gerta Stecher hat sich das Konzept erläutern lassen.

von Gerta Stecher |
    Allen Warnungen zum Trotz hält die Zerstörung der tropischen Regenwälder unvermindert an. So kann man es Jahr für Jahr nachlesen im Tropenwaldbericht der Bundesregierung beispielsweise oder auch im "Internationalen Waldbericht" der UN-Landwirtschaftsorganisation FAO. Der größte Teil der Vernichtung ist dabei der landwirtschaftlichen Nutzung, einschließlich der Brandrodung zuzuschreiben, so steht es dort zu lesen. Und damit sind also Bevölkerungswachstum, Armut und Landlosigkeit die Faktoren, die bekämpft werden müssen, um den Raubbau am Tropenwald zu stoppen. Was getan werden kann, wie sich Naturschutz und Landwirtschaft in Einklang bringen lassen, dazu laufen derzeit in Guatemala Versuche und Projekte. Gerta Stecher hat sich das Konzept erläutern lassen.

    In Guatemala befindet sich die größte zusammenhängende Urwaldfläche Mittelamerikas. Seit 1990 genießt diese Waldfläche den Status eines Biosphärenreservates. Dem weiteren Abholzen der noch vorhandenen 3000 Quadratkilometer tropischen Regenwaldes wurde damit ein gesetzlicher Riegel vorgeschoben. Dieses Verbot gilt in erster Linie für die Firmen, die mit tropischen Hölzern handeln, in zweiter Linie aber auch für die indianischen Bauern. Auf der Suche nach unverbrauchtem Land für den Anbau von Mais in Monokulturen führen sie traditionell Waldrodungen durch. Die Biosphärenverwaltung hat für die Bauern ein Anpassungsprogramm aufgelegt, das in seiner Form einzigartig ist. Sie werden nicht, wie weltweit üblich, umgesiedelt oder vertrieben. Die Bauerngemeinden dürfen weiter in ihren angestammten Gebieten bleiben. Um den natürlichen Bestand des Urwaldes zu erhalten, müssen die Bauern ihre Lebens- und Arbeitsweise jedoch umstellen. Das ist Voraussetzung für ihr Verbleiben im Biosphärenreservat.

    An der Verwirklichung dieses Konzeptes hat Mario René Mansilla mitgearbeitet. Er ist Exekutivsekretär der "Guatemaltekischen Gesellschaft für die Bewahrung der Natur", die das Biosphärengebiet verwaltet.

    Wir gehen davon aus, dass die Bewohner nicht bis zum Ende ihres Lebens Landwirte sein können. Wir wirken auch darauf hin, dass die Söhne der Bauern nicht wieder Bauern werden, sondern Parkwächter, Öko-Touristenführer, Umwelt-Lehrer, dass sie also Berufe ergreifen, die bei der Verwaltung des Biosphärenparkes dringend gebraucht werden.

    Den zehn in der Biosphäre ansässigen Indiogemeinden mit rund 10 000 Mitgliedern, die ihre Felder sozusagen "schwarz" angelegt hatten, wurde Land als Kollektiveigentum zugewiesen. Und zwar so, dass die Zerstückelung der Biosphäre durch die illegalen Felder zurückgenommen wurde. Über die Nutzungsform dieses Stückes Erde samt Bäumen, Pflanzen und Tieren entscheidet jede Gemeinde für sich allein. Um einen optimalen Bewirtschaftungsplan aufzustellen, der immerhin 25 Jahre gilt, kommt den Bauern in vieler Hinsicht Unterstützung zu Teil.

    Es werden gemeinsam Kriterien ausgearbeitet, zum Beispiel für den Erhalt von Reserveflächen, die genutzt werden dürfen. Oder welches Holz sie schlagen dürfen zum Bau ihrer Häuser. Welche Naturmaterialien, die sie zum Leben benötigen, in welcher Menge und Weise benutzt werden können. Dann werden sie unterrichtet, wie die Bodenfruchtbarkeit verbessert wird, und dass Mais als Monokultur den Boden zerstört. Man legt Demonstrationsfelder an, in denen verschiedene Kulturen zusammen angebaut und damit die Vorherrschaft des Maises gebrochen wird. Das heißt, es wird ihnen geholfen, aus dem Zyklus von Armut und Umweltzerstörung herauszukommen.

    Am meisten auf Unterstützung angewiesen sind die Indio-Bauern beim Erlernen von Alternativen zur Landwirtschaft. Schweinezucht, Wildtierhaltung, Kunsthandwerk und vor allem diverse Tätigkeiten innerhalb des Parks stehen zur Auswahl. Allen voran steht die Betreuung von Touristen, denn in Guatemalas Regenwald sind viele historische Maya-Stätten zu besichtigen. Das Schutzgebiet wird deshalb auch Maya-Biosphäre genannt. Viele dieser Siedlungsanlagen sind noch nicht einmal erforscht und manche nur teilweise freigelegt. Hier werden Arbeitskräfte gebraucht. Der Tourismus, der als Ökotourismus oder als Reise in die Vergangenheit der Maya angelegt ist, zieht jährlich immer mehr Besucher in das Territorium. Beschäftigungsperspektiven für die Mitglieder der Indiogemeinden sind also realistisch.

    Ob sich das Konzept durchsetzt, ob die Aufklärung und Schulung der Bauern zum Umweltschutz jahrhundertealte Lebens- und Arbeitsformen durchgreifend ändern wird oder Großfirmen für schnelles Geld weiterhin ungesetzlich abholzen, wird sich, wie Mario Mansilla meint, erst nach einigen Jahren zeigen.