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Aus der Bahn geworfen

In der Universitätsstadt Würzburg feiert heute die psychotherapeutische Beratungsstelle des Studentenwerks ihr 30-jähriges Bestehen. Circa 40 Einrichtungen dieser Art helfen bundesweit. Ihre Klientel: Studierende mit Prüfungsängsten, Lernproblemen, fehlenden sozialen Kontakten. Auch zunehmender Leistungsdruck führt sie in die Sprechstunde.

Von Jürgen Gläser |
    Dr. Stefan Oschmann leitet seit 29 Jahren die psychotherapeutische Beratungsstelle in Würzburg. Heute betreut er mit einem Kollegen jährlich über 500 Studenten. Die Zahl der Klienten hat sich seit Gründung mehr als verdoppelt. Die meisten Studierenden kommen mit Prüfungsängsten zu ihm. Daran hat sich in drei Jahrzehnten nichts geändert.

    "Was wir feststellen ist, dass die Probleme massiver geworden sind, aufgrund des Druckes, der im Moment besteht. Die Angst keinen Job zu bekommen, ist im Moment sehr massiv und dadurch haben Leute auch Angst, keine guten Noten zu machen und das merken wir immer wieder, mit den entsprechend verbundenen psychosomatischen Störungen wie Schlafstörungen, Magenbeschwerden, Kopfschmerzen und so weiter."

    Studien der Universitäten Oxford und Innsbruck belegen, dass die Selbstmordrate bei Studenten höher ist, als bei gleichaltrigen Nicht-Studenten. Der Wechsel in eine fremde Stadt, fehlende soziale Kontakte, die finanzielle Abhängigkeit von den Eltern, all das können Gründe sein.

    "Der hohe Leistungsdruck und der Konkurrenzdruck an den Universitäten ist sicherlich ein weiterer Faktor. So dass Leute sagen: Ich schaff das nicht mehr, ich mach Schluss!"

    Suizid bei Studierenden - das ist der Extremfall, die Ausnahme. Aber die kleinen Probleme des Alltags können sich schnell summieren. Eine Studentin der Fachhochschule Würzburg, 26 Jahre alt, die anonym bleiben möchte, hat das selber erlebt.

    "Ich bin morgens nicht mehr aus dem Bett gekommen. Habe Angst gehabt, in die FH zu gehen und auch Schwierigkeiten, soziale Kontakte zu knüpfen. Ich habe auch vorher woanders studiert und da war im Prinzip dieselbe Situation. Deshalb habe ich gewechselt, weil ich dachte, andere Stadt, andere Leute, ist vielleicht besser. War aber dann nicht so. Es war hier genauso."

    Auch Beziehungsprobleme können Studierende aus der Bahn werfen, bestätigt dieser Jura-Student:

    "Das waren ein paar Probleme mit meiner Ex. Es hat mich fast ein Semester gekostet, würde ich sagen. Weil ich dann mehr beschäftigt war wie mit dem Studium selbst. In der Zeit war ich in der Beratungsstelle. Das fand ich sehr hilfreich zu dem Zeitpunkt. Dass es eben eine Stelle gab, wo ich dann hingehen konnte und wo mir dann auch geholfen werden konnte, also wo ich dann nicht alleine mit fertig werden musste. Das fand ich ziemlich gut, ja."

    Zwei Beispiele, die zeigen, dass die Beratungsstelle notwendig und gut ist für all jene, die Hilfe brauchen. Die überwiegende Mehrheit der Studierenden absolviert dagegen ein Regelstudium. Probleme? Sorgen? Die Angst vor Studiengebühren? Nein. Da winken viele auf dem Campus der Universität Würzburg ab. Es geht ihnen eigentlich gut.

    "Ja, schon so Dinge wie ein Referat halten oder eine Klausur schreiben und so was, das belastet einen."

    "Finanzielle Probleme, ansonsten bin ich ganz zufrieden."

    "Ich studiere ja Psychologie. Also, ich bin eine stabile Person. Keine Probleme halt."

    "Es ist sicher nicht schlecht, dass eine Anlaufstelle da ist, wenn man Probleme hat. Das finde ich sogar wichtig."

    Die psychotherapeutische Beratungsstelle des Studentenwerks Würzburg ist für rund 35.000 Studierende in Würzburg, Schweinfurt, Aschaffenburg und Bamberg zuständig. Ist da - bei mehr als 500 Klienten pro Jahr - eine Therapie überhaupt noch möglich?

    "Doch es ist möglich, Menschen in zehn oder 20 Stunden sehr effektiv zu helfen. Das ist unser Ansatz, das heißt die Leute bekommen Hausaufgaben, die sie zu erledigen haben. Sie müssen ihre Probleme anpacken. Es geht nicht darum, über Probleme zu reden und zu klagen ewig lang, sondern die Probleme anzupacken. Das ist, glaube ich, das Wesentliche eines kurztherapeutischen Ansatzes."

    Auch der FH-Studentin konnte Stefan Oschmann helfen.

    "Ja, also sehr stark sogar. Ich bin im Prinzip ein anderer Mensch geworden. Ich habe sehr viel gelernt hier, wie ich einfach den Alltag geregelt kriege. Es ist nicht mehr vergleichbar mit dem, wie es war. Also, bin ein komplett anderer Mensch geworden."