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Aus der Mitte des realen Lebens

Begonnen hat alles als Schülerband in Stockach am Bodensee. Nun hat das Popduo Glasperlenspiel sein zweites Album "Grenzenlos" veröffentlicht. Euphorisch und unkonventionell sollte es werden, herausgekommen ist eine bombastische Produktion hitverdächtiger Songs mitten aus dem Leben.

Von Grit Lieder |
    Nichts ist unmöglich im Glasperlenspiel, das schrieb schon Tagträumers Kultautor Hermann Hesse. Und nichts soll unmöglich sein bei Glasperlenspiel, dem Duo, bestehend aus Carolin Niemczyk und Daniel Grunenberg. Begonnen hat alles beschaulich vor neun Jahren als Schülerband in Stockach am Bodensee.

    Carolin: "Ich hab mit dreizehn, mit meinem ersten eigenen Demo, mich bei Daniels Band damals beworben. Weil die alle schon so 15 waren und so cool. Und mit dem Demo, was ich dann in den Briefkasten geschmissen habe, wurde ich zum Vorsingen eingeladen und wurde dann auch prompt in die Band aufgenommen."

    Daniel: "Und das war quasi die Rettung der Band, weil die Caro hat da super drauf gesungen, wir haben sie eingeladen, und so haben wir uns kennengelernt."

    Die Schülerbandkarriere haben beide schnell an den Nagel gehängt. Sie machen allein weiter, wollen auf die Bühne, arbeiten an eigenen Songs. Daniel, der Coole, beginnt ein Informatikstudium, Super-Carolin, macht die Schule zu Ende. Und dann passiert es: ein Plattenvertrag von Universal. Carolin muss sich nicht mehr entscheiden, was sie studieren soll. Und Daniel:

    Daniel: "Hab ich gar nicht gezögert und einfach an meiner Exmatrikulation geschrieben, weil ich einfach gedacht hab, das ist einfach ein Stück Traum, der wahr wird – so ne Chance bekomm ich nie wieder im Leben. Dann alles für die Musik."

    Seitdem dreht sich die Welt von Glasperlenspiel nicht mehr nur ums Songschreiben und Auftreten, sondern um Fototermine, Videodrehs und Interviewreisen. Beim Bundesvision Songcontest 2011 gibt es Platz 4. Das Debütalbum 2011 verkauft sich prima, wird mit Gold ausgezeichnet. Und deswegen sollte das zweite Album etwas Besonderes werden:

    Daniel: "Wir haben verschiedene Sachen ausprobiert, die ganz unkonventionell sind. Sehr viel mit Hip-Hoppern zusammengeschrieben, sehr viel mit Minimal-Techno-Produzenten zusammengearbeitet. Und einfach geschaut, weil wir auch in London die Platte gemacht haben, was da grade so aktuell läuft, und was ist da grade so angesagt. Und daraus haben wir für uns 'nen Crossover rausgenommen, und auch den Sound, den wir haben wollen, einfach zu erklären. Und daher haben wir auch den Song 'Grenzenlos' geschrieben, weil der das einfach ganz gut erklärt."

    Grenzenlos, euphorisch, unkonventionell. So träumten sich Glasperlenspiel ihr zweites Album. Euphorisch entstanden 40 Songs, doch grenzenlos war der Platz dann doch nicht. 12 Perlen blieben übrig. Wenn darin unkonventionelle Ideen enthalten sind, dann sind sie sehr gut versteckt. Oder verdeckt: unter einer bombastischen Produktion, übertrieben lauter Abmischung und in Melodien, die "Kauf mich" schreien. Gut gemacht ist das aber zweifellos.

    Daniel: "Das ist der Sound, den wir kreiert haben für uns, und da sind wir auch superglücklich damit. Und da wollen wir uns auch gar nicht verstellen. Wir haben Spaß dabei, und wir hoffen einfach, dass ganz viele Leute da auch Spaß dabei haben."

    Spaß haben kann man mit Glasperlenspiel, auch im Interview. Bei Daniel klingelt das Handy, und Carolin lässt vor Lachen den Flaschendeckel vor das Mikrofon fallen. Da sitzen zwei junge Menschen, die, trotz Major-Plattenvertrag, aus der Mitte des realen Lebens texten und singen. Und genau hier auch erfolgreich punkten werden. Künstlerische Bedenken plagen die beiden nicht, auch nicht bei der Wahl der Auftrittsorte.

    Daniel: "Da darf man auch gar nicht so engstirnig rangehen. Wenn man auf das Festival geht oder hier auf diesem Festival spielt oder dann auch mal SPD-Feier vor dem Brandenburger Tor. Einfach mal schauen, was dabei rumkommt."

    Klare Ansagen und klare Ziele. Glasperlenspiel werden es schaffen. Zwar nicht in die "Hall of Fame" der zerstreuten, alltagsfernen, genialischen Künstler. Aber auf die Bühnen, die sie sich erträumen und vor denen ein Publikum hofft und träumt, vom angenehmen, sicheren und ehrlichen Weg nach oben und durch das Leben. Schrieb ja auch schon Hesse: Nichts ist unmöglich im Glasperlenspiel!