Samstag, 20. April 2024

Aus der Nachrichtenredaktion
Betrachtungen über den "Masterplan"

Was ist eigentlich ein "Masterplan" und welche Absicht wird mit diesem Begriff verbunden? Warum hat der Masterplan Horst Seehofer kein Glück gebracht und wieso führt die musikalische Spur zur schwierigen Beziehung zwischen dem CSU-Chef und Angela Merkel? Sprachkritische Anmerkungen aus der Nachrichtenredaktion.

Von Marco Bertolaso | 10.07.2018
    Seehofer steht an einem Tisch, im Hintergrund mehrere Fotojournalisten, auf dem Boden Computer.
    Horst Seehofer hält eine Kopie seines Migrationsplans, alias Masterplans, in die Kamera. (dpa/Kay Nietfeld) (dpa/Kay Nietfeld)
    Seit Wochen wird über einen Text diskutiert, obwohl ihn kaum jemand kannte. Heute hat Bundesinnenminister Seehofer nun das Konzept vorgestellt, das er "Masterplan Migration" genannt hat. Anlass zur Frage: Was soll das eigentlich bedeuten, Masterplan?
    Die etymologische Spur führt eindeutig in den englischsprachigen Raum. Der Masterplan ist demnach der große, übergeordnete Plan, dem andere Pläne mit einzelnen Regelungen untergeordnet sind. Er ist der Master, also der Meister, der Herr, der Gebieter über die anderen Pläne.
    Wer den Masterplan vorlegt, will Bestimmer sein
    Damit ist ein Geltungsanspruch verbunden. Wer den Masterplan vorlegt, der hat das Sagen. Er ist der Bestimmer, er gibt die großen Linien und die Strategie vor. Andere dürfen an Unterplänen tüfteln und an der Umsetzung arbeiten. Der Chef aber ist ein anderer, nämlich der Urheber des Masterplans.
    Masterplan ist damit ein höchst dankbarer PR-Begriff, ein kommunikativ-hierarchischer Kniff. Gelingt es, ihn in der Diskussion durchzusetzen, so hat man viel mehr geschafft: Der Urheber ist als Bestimmer anerkannt, der Plan gilt als übergeordnete Strategie, bei der schon alles bedacht ist. Kritik an Plan und Planer ist nicht mehr vorgesehen.
    Ein Begriff aus dem Wörterbuch des Patriarchats
    Deutlich wird auch, dass wir es mit einem Begriff aus dem großen männlich dominierten Bereich der Sprache zu tun haben. In dieser Vorstellungswelt herrscht natürlich ein Mann. Eine Meisterin, Herrscherin, Gebieterin ist nicht vorgesehen.
    Betrachtet man die beiden letzten Punkte zusammen, so öffnet sich der Blick auf eine schöne ironische Wendung. Horst Seehofer hat nicht nur erlebt, dass sein Plan nicht als endgültig hingenommen wurde, sondern Gegenstand andauernder Kritik ist. Seehofer musste auch anerkennen, dass nicht er der Bestimmer ist, sondern ein anderer Mensch, eine Frau.
    Seehofers Fehler
    Das Schicksal dieses Masterplans schien vielen Beobachtern von Anfang an vorbestimmt. Doch Seehofer hat dazu auch durch Fehler beigetragen. Unter anderem hat er den Absender gewechselt. Einmal war es der Plan des Bundesministers des Inneren, dann kam er vom Vorsitzenden der CSU. Das hat verwirrt und Kritik ausgelöst. Einem echten Master sollte das nicht passieren. Ein echter Master weiß, wer er ist, und dass er es durchziehen kann.
    Ein Begriff, bei dem generell Vorsicht geboten ist
    Für Redaktionen gibt es viele Gründe, den Begriff mit großer Vorsicht anzugehen. Nicht nur im Seehoferschen Beispiel, auch in anderen Fällen ist er eher taktisches Mittel denn Beschreibung einer Wirklichkeit. Es gibt allerdings auch Anwendungsbeispiele, bei denen der Begriff passt. So unterhält Köln seit Jahren einen "Masterplan" für die städtebauliche Entwicklung. Hier sind die großen Linien vorgegeben, die dann nach und nach in einzelnen Schritten mit Änderungsvorbehalt umgesetzt werden.
    Fun facts zum "Masterplan"
    Zum Schluss noch zwei fun facts: "Masterplan" ist auch der Name einer deutschen Metal-Band, an die Horst Seehofer sicher nicht gedacht hat. "Masterplan", so heißt aber auch ein Album der Schweizer Sängerin Stefanie Heinzmann. Wikipedia lehrt uns, dass es in den Songs meist um problematische Zweierbeziehungen geht. Und da kommt man der Geschichte von Angela Merkel und Horst Seehofer auf einmal wieder ganz nah.