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Aus der Schule in die Arbeitslosigkeit

Eine seit Jahren anhaltend hohe Arbeitslosigkeit macht auch unserem Nachbarn Frankreich arg zu schaffen. Gut 10 Prozent der Franzosen haben keinen Job. Besonders hart trifft die Arbeitslosigkeit jedoch junge Leute: Jeder vierte Franzose unter 26 Jahren ist arbeitslos, knapp 60.000 Jugendliche sind offiziell als Langzeitarbeitslose bei den französischen Arbeitsämtern registriert. Margit Hillmann mit einer Reportage über den schwierigen Alltag junger Arbeitsloser in Frankreich und die vergebliche Suche nach einem beruflichen Einstieg.

    Arbeitsamt Belleville im 20. Pariser Arrondissement: Auf verschlissenen Stühlen, warten Arbeitslose, dass ihre Nummer aufgerufen wird. Umgeben von grauen Wänden, an denen ein paar bunte Plakate hängen, die fröhlich lächelnde Musterarbeitslose mit tadellosem Gebiss zeigen und DIE aussehen, als sollten sie Mut machen. Den brauchen vor allem junge Arbeitslose in Frankreich. Wie zum Beispiel Fabien, 23 Jahre, seit mehr als einem Jahr arbeitslos. Er sitzt gerade an einem der Computer in der Wartehalle des Arbeitsamts und geht die Jobangebote durch.

    "Na, ich hab wirklich intensiv gesucht und enorm viel Bewerbungen verschickt, sehr viele Absagen bekommen und nicht eine einzige Einladung zum einem Vorstellungsgespräch."

    Dabei hatte Fabien zunächst eher Glück gehabt. Gleich nach dem Realschulabschluss fand er eine so genannte "emplois jeunes" - eine Art ABM-Stelle für arbeitslose Jugendliche - und war insgesamt fünf Jahre als Jugendarbeiter bei gemeinnützigen Vereinen angestellt. Inzwischen aber wurde das Förderprogramm der sozialistischen Vorgängerregierung gestrichen. "Gott sei Dank", sagt Fabien, "hatte ich nach der ABM-Stelle Anspruch auf Arbeitslosengeld und kann mich jetzt finanziell über Wasser halten." Allerdings dauert sein Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ewig. Und nach seinen bisherigen Erfahrungen mit der Arbeitsuche fürchtet Fabien, dass er nicht rechtzeitig eine neue Stelle findet.

    "Es läuft inzwischen alles über Beziehungen. Wenn man Beziehungen hat, findet man auch Arbeit. Hat man keine, muss man sehen, wie man an Arbeit kommt. Gut, es gibt auch die privaten Agenturen, die haben dann Jobs für eine Woche oder einen Monat. Dann hat man zwei, drei Monate wieder nichts. Es gibt überhaupt keine Sicherheit. Man weiß nicht, was aus einem wird. Das ist das Harte an der Geschichte. "

    In einem Klassenraum schreibt rund ein Dutzend junger Frauen und Männer Bewerbungen. Eine korrekte schriftliche Bewerbung ist absolute Voraussetzung für eine erfolgreiche Arbeitssuche, mahnt die Ausbilderin. Das staatliche Ausbildungszentrum in Saint Denis bei Paris, ist Auffangbecken für Arbeitslose zwischen 16 und 25 Jahren ohne Berufsausbildung, oft sogar ohne Schulabschluss:

    Fitmachen für die Arbeitssuche, praxisorientiertes Beraten und das tägliche Begleiten junger Arbeitsloser bis sie den Einstieg in Arbeitswelt geschafft haben – so beschreibt Zentrumsleiter Edri Celine das Programm der Einrichtung. Eine zunehmend schwierige, fast unlösbare Aufgabe, räumt Celine ein:

    "Die Jugendlichen hier sind wirklich motiviert. Aber – da muss MAN sich nichts vormachen – trotz ihres Engagements haben sie nur sehr wenige Chancen auf dem Arbeitsmarkt und das können wir hier nicht wirklich ändern. Wir bringen hin und wieder Jugendliche unter, als Kassiererin, als Ungelernte auf dem Bau oder in der Altenpflege Aber es dauert meistens viele Monate. Und bis es soweit ist, so lange brauchen sie unsere Unterstützung, müssen begleitet werden. "

    Einer der Kursteilnehmer ist Osmane, 24 Jahre alt. Bevor er ins Zentrum gekommen ist, hat er sich mit kleinen Jobs in der Gastronomie und auf dem Bau durchgeschlagen. Seitdem er eine kleine Tochter hat, ist diese Art von Leben jedoch zu unsicher. Er braucht ein festes Einkommen, eine richtige Arbeit. Doch nach fast einem Jahr Betreuung im Zentrum, trotz der Hilfen und Unterstützung, die er hier bekommt, hat er noch keine Stelle gefunden. Für ihn ist das nicht nur frustrierend, sondern auch finanziell eine Katastrophe.