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"Aus der Sicht des Gehirns"

Die Fortschritte, die Neurologen und Hirnforscher bei der Untersuchung der Funktionsweisen des Gehirns in den letzten Jahren machen, sorgen schon länger für Unruhe bei den Vertretern der klassischen Geisteswissenschaften. Was wird aus der Freiheit menschlichen Handelns, aus dem Projekt der Aufklärung, ja aus dem ICH, wenn die Hirnforscher alle Verhaltensweisen durch "neuronale Prozesse" gesteuert sehen? Wenn psychische Zustände ganz auf physische zurückgeführt werden sollen und ein menschliches Subjekt im geschlossenen System neuronaler Netze überhaupt nicht mehr verortet werden kann? Die Debatte hat längst auch das Feuilleton erreicht. Von der Theorie des Strafrechts bis hin zur Geschichtswissenschaft werden die neuen Probleme mit der Willensfreiheit durchdekliniert.

Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth im Gespräch mit Thorsten Jantschek |
    Neben Wolf Singer gilt Gerhard Roth als einer der bekanntesten Vertreter der neurobiologischen Hirnforschung. Gerhard Roth ist Professor für Verhaltensphysiologie an der Universität Bremen und Rektor des Hanse-Wissenschaftskollegs in Delmenhorst.

    "Aus der Sicht des Gehirns" lautet der Titel seines jüngsten im Suhrkamp Verlag erschienen Buchs. Revolutionieren die Erkenntnisse der Hirnforschung tatsächlich das menschliche Selbstverständnis? Oder sind sie nur eine neue Form von Erkenntniskritik oder Relativismus, wie wir ihn seit Kant in immer enger gezogenen Varianten kennen? Thorsten Jantschek hat Gerhard Roth zum Verhältnis von Determinismus und Freiheit befragt.