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Aus der Vergangenheit gelernt

Während die Hochwasserlage an der Weichsel und deren Nebenflüssen ernst bleibt, sieht man die Situation in Bayern trotz dortiger massiver Regenfälle entspannt. Die Hochwasserschäden sind gering, denn man hat aus der Vergangenheit gelernt.

Von Michael Watzke |
    Der kleine Fluss Prien am bayerischen Alpenrand ist ein braves Bergbächlein - eigentlich. Aber einmal im Jahr verwandelt er sich in einen rauschenden Sturzbach. Am Wochenende schwoll die Prien in Aschau im Chiemgau wieder bedrohlich an. Doch Angst hat dort niemand mehr vor ihr, sagt der Tourismus-Direktor der Gemeinde, Wolfgang Bude:

    "Die kleinen Wildbäche, die eigentlich immer zu reißenden Strömen geworden sind, wenn's wirklich heftig war, die sind zurückgebaut worden. Die Prien ist teilweise renaturiert worden. Es wurden künstliche Überflutungsmulden geschaffen, wo das Hochwasser jetzt wieder Platz findet. So ähnlich, wie es früher war, wo die Prien noch mäandert hat. Man hat versucht, den ursprünglichen Zustand wiederherzustellen, und das hat sich sehr gut bewährt."

    1987 war das hübsche Dorf Aschau Opfer einer schlimmen Flut geworden. Das reißende Gebirgswasser der Prien hatte das ganze Ortszentrum überschwemmt. Tonnen von Geröll und Sedimenten blieben zurück, als die braunen Fluten wieder verschwunden waren. Die Schäden gingen in die Millionen. Damals entschieden Staatsregierung und Landkreis, der Prien wieder mehr Raum zu lassen, statt sie in ein immer engeres Korsett zu zwängen. Das hatte, so sagt Wolfgang Bude, auch optische Vorteile

    "Es ist viel schöner geworden. Das Ortsbild hat sich positiv entwickelt. Die Prien ist jetzt zweimal so breit wie vorher. Es sind Felsen eingebaut worden, das Ufer ist flach. Die Kinder können drin spielen und man sieht die Fische wieder. Es ist einfach ein natürlicher Verlauf."

    Die Arbeiten verschlangen einen Millionenbetrag. Das waren hohe Kosten für die kleine Gemeinde und den Landkreis. Das Land Bayern gab das Geld dennoch aus. In Aschau und vielen anderen Gemeinden im Voralpenland. Denn nicht nur die Bergdörfer profitierten von den Hochwasserschutzmaßnahmen. Auch die größeren Städte flussabwärts im ober- und niederbayerischen Flachland. Rosenheim etwa. Dort sitzt die Leiterin der Landesgartenschau, Dagmar Voß, entspannt in ihrem Büro und schaut auf den immer noch reißenden Inn. Letzten Donnerstag hatte er seinen Scheitelpunkt, er stieg an einigen Stellen über den Damm. Aber Dagmar Voß hatte nur leichtes Herzklopfen.

    "Aufregend ist es natürlich immer, aber wir waren im ständigen Kontakt mit dem Katastrophenschutz und wir haben auch immer die Meldung bekommen: es wird nicht so schlimm, keine Angst, die Gartenschau ist nicht gefährdet. Insofern konnte ich noch ruhig schlafen."

    Der Grund: Auch dem Inn lässt man mittlerweile mehr Platz, an dem er sich austoben und keinen Schaden anrichten kann. Die Blumenbeete und Pavillons der Landesgartenschau liegen genau im Mündungsdreieck des Inn und der Mangfall, einem wilden Fluss, der sich aus dutzenden Bergbächen speist. Man hat genau berechnet, wo das Hochwasser hin darf und wo nicht.

    "Wir haben, als die Hochwasserwarnung kam, die ganzen Gegenstände wie z.B. Bauwagen etc. rausgefahren. Der Rest waren Wege, die vom Hochwasser überspült wurden, da müssen wir jetzt ein bisschen Schlamm wegräumen, aber das war's auch schon."

    Dass die Landesgartenschau in einem so exponierten Hochwassergebiet stattfinden konnte und die mächtigen Fluten unbeschadet überstand - Dagmar Voß führt es auf zwei Maßnahmen zurück.

    "Zum einen ist der Hochwasserschutz enorm verbessert worden. Auch werden die Flüsse zum Teil schon im Oberlauf reguliert, sodass es gar nicht mehr so heftig bei uns ankommt. Es ist Retentionsraum da, der ist auch vergrößert worden, gerade am Inn, und das macht sich jetzt bemerkbar. Zum Positiven hin."

    Mittlerweile spart auch der Freistaat Bayern am Hochwasserschutz. Die Landeskassen sind leer, Bayern kämpft um einen ausgeglichenen Haushalt. Aber das, was bisher gebaut wurde, spart dem Land und seinen Bürgern nun jede Menge Folgekosten. Deshalb waren die Investitionen am Ende sinnvoll, glaubt Dagmar Voß.

    "Das hat sich auf alle Fälle gelohnt. Man sieht ja auch jetzt: zumindest in unserem kleinen Bereich sind die Schäden überschaubar. Da kommen keine großen Reparaturkosten auf uns zu. Das ist ein bisschen Wege ausbessern und den Schlamm wegräumen - und das war's."

    Egal ob in Rosenheim, Passau, Regensburg oder in der Landeshauptstadt München: es hat sich ausgezahlt, die bayerischen Flüssen nicht länger in enge Korsetts zu zwängen, sondern ihnen wieder mehr Platz zu geben. Wenn Du gegen den Fluss gewinnen willst, sagen die Anwohner in den Flüssestädten, darfst du ihn nicht zwingen - Du musst ihn überlisten.