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Aus für Agrarfakultät an der Humboldt Universität?

Äußerlich sieht sie stark und mächtig aus, die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, kurz LGF, in der Invalidenstraße in Berlin-Mitte. Der 1880 errichtete monumentale Bau mit seinen hohen Rundbogenfenstern lässt nicht erahnen, was sich derzeit hinter seiner Fassade abspielt. Ein eigenartiger, aber doch viel sagender Zufall, dass auf der massiven Eingangstür mit alten Metall-Lettern eine flehende Bitte geschrieben steht: "Gott helf". Gottes Hilfe könnte nötig werden, denn das Präsidium der Humboldt-Universität möchte die LGF schließen, und zwar am liebsten sofort. David Sutter, Student im ersten Semester:

Markus Rimmele |
    Ich hatte echt recht lang, überlegt, wo ich hingehen soll. Und da ich in Richtung Fischerei gehen will, ist das eigentlich die einzige Wahl in Deutschland, das zu studieren. Ich habe dann im Internet die HU als Möglichkeit entdeckt sozusagen, dieses zu studieren. Bin halt hier hingekommen, und so direkt wurde uns das mitgeteilt. Und ich muss sagen, das war ein Schock.

    Hintergrund der Schließungspläne ist die horrende Verschuldung des Landes Berlin. Der rot-rote Senat will die Hochschuletats zum wiederholten Male kürzen. 75 Millionen Euro sollen die drei Berliner Universitäten bis 2009 einsparen, 23 Millionen allein die Humboldt-Universität. Deren Präsident, Jürgen Mlynek, plant deshalb eine Radikalkur. 530 Stellen sollen wegfallen, darunter 90 Professuren. Fakultäten will er zusammenlegen und die Zahl der Studierenden senken. Hauptopfer des Sparkurses wäre die Landwirtschaftlich-Gärtnerische Fakultät, die eben ganz verschwinden soll. Der Dekan der LGF, Uwe Jens Nagel:

    Das Grundproblem ist, dass die Art von Wissenschaft, die wir betreiben, offensichtlich aus Sicht des Präsidenten keinen Platz an dieser Universität hat. Das ist ein Punkt, wo wir mit ihm nun überhaupt nicht einer Meinung sind.
    Denn es gehe an seiner Fakultät ja nicht um die Ausbildung zum Bauern, wie viele immer dächten, sondern tatsächlich um Wissenschaft. Beim Blick ins Lehr-Programm will man das glauben: das Spektrum reicht vom Pflanzenbau in den Tropen über ökologische Tierhaltungssysteme bis hin zum Internationalen Agrarhandel. Die LGF, so Nagel, kooperiere außerdem eng mit den Ländern in Ost- und Mitteleuropa bei deren Transformationsprozess und den armen Ländern der Südhalbkugel – betreibe also eine wichtige globale Wissenschaft.
    Eine Schließung der Fakultät wäre auch ein harter Traditionsbruch, denn seit fast 200 Jahren haben Landwirtschaft und Gartenbau ihren Platz in der Berliner Hochschullandschaft. Bedroht ist die LGF allerdings schon länger. 1996 sollte sie schon einmal geschlossen werden, was aber an massivem Widerstand scheiterte. Danach zeigte sich die Fakultät bewusst als Musterschülerin. Als eine der ersten stellte sie vor drei Jahren komplett auf die neuen Bachelor-/ und Master-Studiengänge um, und einige davon finden sogar auf Englisch statt. Doch vielleicht war das jetzt alles umsonst.
    Der Dekan sieht einfach Zerstörungswut am Werk – und einen dummen Zufall: Denn 2/3 der 31 LGF-Professoren gehen in den kommenden Jahren in Rente. Daher ließe sich durch eine Schließung sehr schnell sehr viel Geld sparen. Es gäbe nämlich kaum Personalüberhang.
    Der Präsident Jürgen Mlynek will sich derzeit gegenüber der Presse nicht äußern. Er müsste sich wohl auch hart verteidigen. Denn seine Pläne tragen zum schleichenden Ende der Agrarwissenschaften in ganz Deutschland bei. Jenny Walther von der LFG-Fachschaft:

    Halle wird massiv reduziert, Göttingen steht vor der Schließung, Weihenstephan ist mit der Fachhochschule zusammengeschlossen worden, Rostock ist eine Rumpffakultät, die auch ganz massiv unter Druck steht. Man muss sich fragen, wenn das weiter so geht, ob in zehn Jahren es eine agrarwissenschaftliche Forschung und Lehre in Deutschland universitätsweit überhaupt noch gibt. Das ist die Frage. Also dann kann man ins Ausland gehen.

    Ob Ausland oder nicht: Die Studierenden müssten nach einer Schließung wohl die Universität wechseln. Das wären chaotische Zustände.
    Doch die Solidarität mit der LFG innerhalb der Humboldt-Universität, so der Dekan Uwe Jens Nagel, hält sich in Grenzen:

    Das, denke ich mal, ist vielleicht auch nachvollziehbar für Außenstehende, dass wenn jemand etwas aufgeben muss, man selber nicht bluten muss. Es gibt ja Gewinner und Verlierer dieser Strukturdebatte, wie sie das Präsidium angezettelt hat.

    Um die Schließung noch abzuwenden, plädiert Nagel für eine Kürzung um ein Drittel in allen Bereichen der Universität. Um die restlichen Ressourcen müsste dann ein Konkurrenzkampf stattfinden.
    Die endgültige Entscheidung wird wohl erst in ein paar Monaten fallen – Zeit für die Fakultät, so Jenny Walther, gegen den Schließungsvorschlag vom Präsidenten etwas zu unternehmen:

    Wir werden ihn zwingen, ihn rückgängig zu machen. Wir werden einen Gegenvorschlag bringen. Wir bauen genug Druck auf von der Straße und von der politischen Seite. Und damit wird er das schlucken müssen.