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Aus für Billigmieten

Viele Menschen in Tschechien profitieren immer noch vom so genannten regulierten Mietmarkt, einem Erbe aus kommunistischer Zeit. Für die heutigen Hauseigentümer sind die Billigmieten ein Ärgernis, sie decken nicht einmal die Instandhaltungskosten. Nun hat die Regierung eine allmähliche Anhebung der Mieten beschlossen. Kilian Kirchgessner berichtet aus Prag.

    Wenn Zuzana Nielsenová in der Küche ihren Kaffee kocht, sieht sie wenig vom Goldenen Prag. Grau und schmuddelig ist der Hinterhof, der sich unterhalb ihres Küchenfensters erstreckt. 67 Quadratmeter misst die Wohnung von Zuzana Nielsenová, die sie sich mit ihrem erwachsenen Sohn teilt.

    "Mit allen Nebenkosten bezahlen wir hier monatlich 5.700 Kronen. Das sind alles in allem gut 200 Euro, wenn wir auch noch die Kosten für Strom und Gas mit reinrechnen."

    Für Nielsenová ist das viel Geld, weil sie vor zwei Wochen ihre Arbeit verloren hat. Und trotzdem bezahlt sie weit weniger als der Markt eigentlich verlangt. Möglich macht das eine Regelung, die noch aus sozialistischen Zeiten stammt – die so genannte regulierte Miete. Der Staat legt fest, wie viel eine Wohnung kosten darf und alle Vermieter müssen sich dann daran halten. Vera Berankova vom tschechischen Hausbesitzer-Verband:

    "In den 60er Jahren, als alles bei uns verstaatlicht wurde, hat die damalige Regierung festgestellt, dass die Miete nicht mehr existieren sollte. Es sollte nur eine Gebühr bezahlt werden, die Beitrag zur Verwaltung des Hauses wäre. Diese Preise waren nur wirklich symbolisch."

    Trotzdem gilt die Regelung bis heute unverändert. Die Mehrzahl der Wohnungen in Tschechien unterliegen der staatlich festgelegten Miete, insgesamt sind es 750.000 Wohnungen. Wer auf dem Land lebt, zahlt pro Monat nur 20 Cent pro Quadratmeter, im teuren Prag ist die Miete in den meisten Fällen bei 1,20 Euro gedeckelt. Die Hausbesitzer laufen Sturm gegen diese Regelung, weil sie sich in ihren Eigentumsrechten eingeschränkt fühlen. Der Hausbesitzer-Verband hat deshalb eine Klage beim Europäischen Gerichtshof eingereicht. Einer der Initiatoren ist Libor Dellin.

    "Das Prager Bauministerium hat ermittelt, dass 1,40 Euro als Quadratmeter-Miete nötig wären, um zumindest die nötigsten Renovierungsarbeiten zu finanzieren. Das erlaubte Maximum liegt aber bei 1,20 Euro. Das heißt, dass keine einzige Wohnung kostendeckend vermietet werden kann - geschweige denn, dass der Besitzer eine Rendite für das Kapital bekommt, das er zum Wohle der Mieter angelegt hat."

    Die Hausbesitzer fordern eine komplette Freigabe der Preise. Für viele Tschechen ist das eine Horrorvision: Eine Zweizimmer-Wohnung kostet auf dem freien Markt in Prag schnell 400 Euro oder noch mehr. Bei einem durchschnittlichen Monatsverdienst von gut 600 Euro sei das für die meisten schlicht unerschwinglich, sagt Stanislav Krecek. Er ist sozialdemokratischer Parlamentsabgeordneter und als Vorsitzender des tschechischen Mieterbundes der Vorkämpfer für einen niedrigen Mietzins.

    "Die Hausbesitzer nehmen nicht zur Kenntnis, dass der Marktpreis nicht nur das ist, was sie sich wünschen, sondern auch das, was die Leute aufbringen können. Wenn eine Rentnerin 80 Prozent ihrer Pension für die Miete bezahlt, wo ist denn da noch der Spielraum für die Erhöhung?"

    Eine Statistik des zuständigen Ministeriums zeigt allerdings eindeutig, dass nur ein Drittel der künstlich vergünstigten Wohnungen von Armen bewohnt werden. Die große Mehrzahl der Mieter ist durchaus wohl situiert – unter ihnen sind auch einige prominente Parlamentsabgeordnete. Um den Streit um die Wohnungen zu schlichten, hat die Regierung jetzt eine allmähliche Anhebung der Mieten beschlossen und gleichzeitig Zuschüsse für die sozial Schwachen versprochen. Den Hausbesitzern reicht das allerdings nicht aus. Sie kämpfen nicht nur für ihr Geld, sondern auch gegen ein Gestrüpp von absurden Gesetzen.

    Die regulierte Miete nämlich ist ein Erbrecht: Wer zum Todeszeitpunkt des Hauptmieters in dessen Wohnung gemeldet ist, übernimmt automatisch das lebenslange Recht auf die reduzierten Mietpreise – ganz egal, ob der Besitzer einverstanden ist oder nicht. Kündigen kann er nur, wenn er dem Mieter eine gleichwertige Wohnung zum gleichen Preis in unmittelbarer Nachbarschaft besorgt. Hausbesitzer Libor Dellin kann darüber nur verbittert den Kopf schütteln:

    "Einem meiner Mieter hat ein Gericht 1986 die Nutzungsrechte an der Wohnung abgesprochen. Aber glauben Sie, der ist ausgezogen? Bis heute sitzt der in der Wohnung, weil ich ihm keinen Ersatz besorgt habe. Der bezahlt seit 20 Jahren keine Miete - und ich verliere ein Gerichtsverfahren nach dem nächsten."