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Aus für den Bachflohkrebs

Zoologie.- Im richtigen Moment gefressen zu werden – das ist es, wozu viele Parasitenlarven ihre Wirtstiere bringen müssen. Denn die Organismen wachsen in einen Wirtstier heran, werden aber in einem anderen geschlechtsreif und legen Eier ab. Nun haben Forscher beobachtet, dass die Tiere ihre Wirte zu ihren Gunsten beeinflussen.

Von Joachim Budde |
    Der Kratzwurm Pomphorhynchus laevis lebt im Darm von Süßwasserfischen. Dort legt der Parasit seine Eier ab, die mit dem Kot ins Wasser gespült werden. Damit sich so ein Ei weiterentwickeln kann, muss es von einem Bachflohkrebs gefressen werden. In dessen Darm schlüpft dann die Larve und durchdringt die Darmwand. Sie reift heran und bildet über mehrere Wochen die Organe aus, mit denen sie später einen Fisch infizieren kann. Bis es soweit ist, wird die unreife Larve Acanthella genannt. Und durchlebt eine gefährliche Zeit, sagt die Biologin Lucile Dianne, die an der Université de Bourgogne im französischen Dijon ihre Doktorarbeit über die Tiere schreibt.

    "Wenn der Bachflohkrebs mit einer solchen Acanthella von einem Fisch gefressen wird, dann stirbt auch die Larve, denn ihr fehlen die anatomischen Voraussetzungen, um sich im Fisch einzunisten."

    Denn erst am Ende der Entwicklung im Bachflohkrebs, als sogenannter Cystacanthus, verfügt der Parasit über einen mit Widerhaken bewehrten Rüssel, mit dem er die Darmwand von Fischen anbohren und sich darin festhalten kann.

    Als Acanthella hat die Larve also größtes Interesse daran, dass der Bachflohkrebs, in dem sie lebt, von Fressfeinden verschont bleibt. Lucile Dianne und ihre Kollegen haben jetzt erstmals zeigen können, dass die Acanthella aktiv für die Unversehrtheit des kleinen Krebses sorgt. Die Forscher haben im Labor das Verhalten gesunder mit dem infizierter Bachflohkrebse verglichen und festgestellt, dass sich Bachflohkrebse mit Acanthella deutlich häufiger verstecken als gesunde Tiere. Der Parasit beschützt zwar zunächst den Bachflohkrebs, doch der Nutzen ist eher einseitig, vermuten die Forscher.

    "Wenn der Wirt davon profitieren würde, dass er sich so sehr versteckt, dann täte er das auch in natürlichem Zustand, also ohne Acanthella. Der Bachflohkrebs versteckt sich im natürlichem Zustand jedoch viel seltener. Daraus folgern wir, dass ihm Nachteile durch die Infektion entstehen, vermutlich hindert dieses Verhalten den Bachflohkrebs daran, ordentlich nach Nahrung und nach einem Geschlechtspartner zu suchen."

    Mit der Fürsorge ist es abrupt vorbei, sobald der Parasit bereit ist, den Wirt zu wechseln. Als Cystacanthus treibt er den Bachflohkrebs regelrecht auf Fische zu, sagt Lucile Dianne.

    "Über die konkreten Mechanismen wissen wir erst sehr wenig, aber soviel steht fest: Der Parasit wirbelt den Hormonhaushalt im Hirn, etwa den Serotoninspiegel des Bachflohkrebses und damit sein Verhalten durcheinander. Das ist schwierig zu erforschen, der Nachweis steht noch aus."

    Der Cystacanthus, der im transparenten Bachflohkrebs auf einen Fisch wartet, ist als oranger Punkt von außen sichtbar. Darum haben Wissenschaftler bisher vermutet, auch das mache einen infizierten Krebs attraktiver für Fische.

    "Ein Kollege hat Bachflohkrebse mit einem gelben Punkt markiert, um zu sehen, ob sie dadurch attraktiver sind für Fische. Doch offensichtlich steigert die Farbe die Attraktivität für Fische nicht. Dafür ist ausschließlich die Verhaltensmanipulation verantwortlich."

    Der Cystacanthus sorgt dafür, dass der Bachflohkrebs seine Scheu vor Licht vergisst, den Geruch von Fischen plötzlich ausgesprochen anziehend findet und damit zu leichter Beute wird. Der Bachflohkrebs hat seine Schuldigkeit getan, der Parasit ist am Ziel.