Dienstag, 19. März 2024

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Aus für die Förderung des Impuls-Festivals
Immenser Schaden für die Musikszene Sachsen-Anhalts

Dem Impuls Festival für Neue Musik in Sachsen-Anhalt droht in seinem 13. Jahr das Aus: Das Ministerium für Kultur hat dem Antrag auf Förderung nicht stattgegeben. Diese Entscheidung mitten in der Corona-Pandemie sei ein verheerendes Signal an die ganze Kulturszene, kommentiert Claus Fischer.

Ein Kommentar von Claus Fischer | 19.04.2021
    Ein Konzertflügel mit Bank in einem leeren Raum ohne Musiker und ohne Publikum.
    Aus für Ur- und Erstaufführungen neuer Werke - die Fördermittel für das Impuls-Festival wurden komplett gestrichen (picture alliance / Bildagentur-online)
    "Neue Musik lekker machen", mit dieser Devise hat der Niederländer Hans Rotman das Festival IMPULS zu einer Marke in der ostdeutschen Musikszene gemacht. Er hat es unter anderem über Jahre hinweg geschafft, die Sinfonieorchester des Landes dazu zu bringen, Ur- und Erstaufführungen neuer Werke in ihr Programm aufzunehmen. Außerdem ist es ihm gelungen, wichtige Ensembleproduktionen der europaweiten Avantgarde nach Sachsen-Anhalt zu holen. Bei der letzten Saison von IMPULS konnte Hans Rotman darüber hinaus mit seinem Intendantenkollegen Bruno Letort vom Festival ARS MUSICA in Brüssel einen Verbund von fünf europäischen Festivals für Neue Musik gründen, die "Festival Alliance for Contemporary Music in Europe", kurz FACE. Eine alles in allem durchaus ordentliche Bilanz von 13 Jahren!

    Landesweites Festival oder viele kleinere Projekte?

    Dennoch haben Sachsen-Anhalts Kulturminister Rainer Robra und sein Staatssekretär Gunnar Schellenberger in letzter Zeit mehrfach Kritik an der Ausrichtung von IMPULS durch Hans Rotman geäußert. 2019 haben beide sogar ein Treffen von Fachleuten einberufen, auf dem über die Zukunft der Neuen Musik zwischen Elbe und Saale gesprochen wurde. Die Frage, die schon damals im Raum stand: Braucht man wirklich ein landesweites Festival, das von einem künstlerischen Leiter und durch dessen Beziehungen in die Szene inhaltlich gestaltet wird? Oder wäre es nicht besser, viele kleinere Projekte im Land gezielt zu fördern?
    Hans Rotman sitzt am Klavier und schaut in die Kamera
    Impuls-Festival droht das Aus
    Das Impuls-Festival will auch Klassik-Outsidern Neue Musik nahe bringen. Doch die Magdeburger Staatskanzlei droht damit, den Geldhahn abzudrehen – was das Ende der Veranstaltung bedeuten würde.
    Für letzteres Prinzip hat man sich nun also - durch die komplette Streichung der Fördermittel für IMPULS - entschieden. Für Intendant Hans Rotman bedeutet das ein Rückfall in die Provinzialität, zumal zwischen den Kleinstädten Arendsee im Norden und Zeitz im Süden nicht allzu viele Leuchttürme der Avantgarde zu finden sind. Nebenbei bemerkt hat die Landesregierung Rotman noch vor zehn Jahren vorgeworfen, dass IMPULS zu wenig überregionale Wirkung zeige. Nun.

    Verheerendes Signal an die ganze Kulturszene

    Es steht zu vermuten, dass das Kulturministerium hier einen verdienstvollen Impresario, der menschlich allerdings schwierig sein kann – man hat Hans Rotman mehrfach undiplomatisches Verhalten vorgeworfen – schlicht loswerden möchte. Hinzu kommt, dass die AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt sehr stark vertreten ist und schon länger Stimmung gegen das Festival macht und damit CDU-Kulturminister Rainer Robra womöglich indirekt beeinflusst.
    Sicher – beim Festival IMPULS gibt es Reformbedarf, das bringt eine Intendanz über 13 Jahre aber eben mit sich. Man kann zum Beispiel durchaus darüber streiten, ob es sinnvoll ist, dass an einer Masterclass für Studierende der Komposition im Bauhaus Dessau nur wenige, manchmal gar keine jungen Leute aus Sachsen-Anhalt teilgenommen haben – eine Tatsache, die Hans Rotman immer wieder angelastet wurde. Doch nun mit dem missliebigen Intendanten gleich das ganze Festival abzuwickeln, bedeutet, das Kind mit dem Bade auszuschütten. Wenn IMPULS aufgrund der Streichung der Mittel im November 2021 nicht mehr stattfinden kann, wäre der Schaden für die Musikszene Sachsen-Anhalts immens. Denn was einmal weg ist, kommt in der Regel nicht mehr wieder. Dass diese Entscheidung des sachsen-anhaltischen Kulturministeriums mitten in der Corona-Pandemie fällt, in der viele Musikfestivals ohnehin schon ums nackte Überleben kämpfen, ist zudem ein verheerendes Signal an die ganze Kulturszene.