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Aus für einen Pionier der digitalen Medienbildung

1996 waren die meisten Schulen in Deutschland noch mediale Brache. Der gemeinnützige Verein "Schulen ans Netz" sollte dies ändern und setzte sich jahrelang für den Einsatz neuer Medien im Bildungsbereich ein. 16 Jahre später erklärt die bundesweite Initiative ihren Gründungsauftrag für erfüllt und stellt die Arbeit ein.

Von Svenja Üing | 21.12.2012
    "Also eine der am besten angeklicktesten Geschichten ist "Adventskalender selbst basteln". Also der gemalte Adventskalender, der Button-Adventskalender, da gab’s ja auch diesen mit der Götterspeise. Ich glaube, wir haben da die größte Adventskalender -Kalender-Sammlung der Welt."

    Ulrike Schmidt sitzt vor ihrem Bildschirm in der Redaktion von LizzyNet und stöbert auf den Seiten ihres Online-Magazins für Mädchen und junge Frauen. LizzyNet" ist im Jahr 2000 entstanden, als eines der Projekte der bundesweiten Initiative "Schulen ans Netz". Das Team von Ulrike Schmidt ist heute als eigenständige GmbH organisiert. Eine Erfolgsgeschichte. Die Ur-Initiative "Schulen ans Netz" hingegen stellt Ende des Jahres ihre Arbeit ein. Ulrike Schmidt kann das nicht wirklich verstehen:

    "Also ich glaube, dass mit ein bisschen veränderter Ausrichtung die Initiative doch noch hätte weitergehen sollen."

    Doch das wird nicht passieren. Maria Brosch, Geschäftsführender Vorstand von "Schulen ans Netz" hat ihrem in ihrem Bonner Büro bereits die Kisten gepackt. Die Telefonleitung ist schon gekappt, nur das Handy funktioniert noch. Dem Ende von "Schulen ans Netz" sieht Maria Brosch mit gemischten Gefühlen entgegen:

    "Ich bin natürlich sehr froh, dass wir in den sechzehn Jahren unserer Initiative sehr viele Erfolge vorzuweisen haben. Wir haben ja alle Schulen mit Computern und Internet ausgestattet. Aber mit gemischten Gefühlen auch deswegen, weil ich der Meinung bin, dass wir noch sehr viel zu tun hätten. Insofern hätte ich die Initiative ‘Schulen ans Netz’ gerne verstetigt gesehen."

    Ein Blick zurück, ins Jahr 1996, als Deutschlands Schulen – medial gesehen – noch grüne Wiese waren. Damals gründeten das Bundesbildungsministerium und die Deutsche Telekom den Verein "Schulen ans Netz". Der offizielle Auftrag lautete, sämtliche der damals 35.000 Schulen in Deutschland mit PCs und Internetanschlüssen zu versorgen. Fünf Jahre später, im Jahr 2001, war dieses erste große Ziel erreicht. Der Besuch in einer ganz normalen Kölner Grundschule zeigt, welche Blüten das Programm heute trägt: 400 Schülerinnen und Schüler in 14 Klassen – und jedes Klassenzimmer hat mindestens einen Computer. Barbara Sengelhoff, Leiterin der Katholischen Grundschule Mainzer Straße, erinnert sich an die Anfänge:

    "Das war für uns so die Anschubfinanzierung. Es ist ein kleiner Medienraum eingerichtet worden und die ersten Computer kamen in die Klassen. Und darauf will auch keiner mehr verzichten."

    Nach diesem ersten Etappenziel wurde aber schnell klar: ohne medienpädagogische Konzepte und didaktische Anleitungen können die Computer von Lehrern und Schülern nicht ausreichend genutzt werden. Deshalb hat "Schulen ans Netz" sich in den 2000er Jahren genau das als neue Mission auf die Fahnen geschrieben. Die Initiative hat Modellprojekte entwickelt und Lehr- und Lernplattformen bereitgestellt. Anfangs vor allem für Schulen, später auch für Kindergärten, die berufliche Bildung und bestimmte Zielgruppen, wie zum Beispiel im Fall von LizzyNet. Diese Mission sei jetzt erfüllt, schreibt "Schulen ans Netz", deshalb würde die Arbeit Ende des Jahres eingestellt. Doch die die technische Entwicklung schreitet immer weiter fort. Deshalb versteht Schulleiterin Barbara Sengelhoff nicht, warum "Schulen ans Netz" jetzt aufhört:

    "Ich halte das gar nicht für sinnvoll. Weil durch die Weiterführung der Medien und die Weiterentwicklung der Elektronik bräuchten wir Schulen eigentlich noch sehr viel mehr Unterstützung. Sowohl in Fortbildung als auch in Hardware und auch in Software."

    Das sieht auch Horst Niesyto so, Professor an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und Sprecher der Initiative "Keine Bildung ohne Medien":

    "Da ist ja eine dynamische Entwicklung, die weitergeht, was die ganze materielle Infrastruktur betrifft, und insofern ist diese Mission eigentlich überhaupt nicht erfüllt. Und das Zweite und hauptsächliche ist, die Mission ist überhaupt nicht erfüllt, was die Aufgaben der Qualifizierung von Fachkräften betrifft. Hier ist bekannt durch verschiedenen Studien – und die Initiative "Keine Bildung ohne Medien" hat darauf deutlich hingewiesen – dass gerade im Bereich der Ausbildung der pädagogischen Fachkräfte nach wie vor es an einer soliden medienpädagogischen Grundbildung fehlt."

    Horst Niesyto fordert deshalb prinzipiell eine breitere Medienbildung für Lehrer und mehr Lehrstühle für Medienpädagogik an den Hochschulen. Zu diesem Zweck brauche Deutschland eine erneute gemeinsame Anstrengung von Politik und Wirtschaft. Zwar gebe es funktionierende Projekte in einzelnen Kommunen und Ländern. Doch bundesweit reißt das Ende von "Schulen ans Netz" eine große Lücke:

    "Wenn wir wirkliche Nachhaltigkeit wollen, und offensichtlich die Politik in verschiedenen Bereichen nicht in der Lage ist, breitenwirksam das umzusetzen, dann sollte sie das deutlich sagen und dann muss man auch über neue Wege nachdenken."

    Doch dazu fehlt "Schulen ans Netz" derzeit offenbar das Geld. Geschäftsführerin Maria Grosch:

    "Wir bräuchten da wirklich noch mal jemanden, der Geld in die Hand nimmt und uns als Partner begleitet. Ich habe auch in der Zeit meiner Geschäftsführung versucht, hier Partner zu finden. Das ist leider nicht gelungen. So eine bundesweite Initiative wie Schulen ans Netz das sechzehn Jahre war, wo wir in Ruhe mit den Ländern, mit den Lehrkräften, mit den Schülern Dinge erproben konnten, diese Lücke sehe ich im Moment nicht, dass die gefüllt wird."