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Aus für Kinderarbeit

Technik. - Rennsport löst bei vielen wahre Begeisterung aus. In den Golfstaaten liebt man Kamelrennen. Das Problem dabei: Damit die Tiere möglichst schnell sind, ritten bislang kleine, besonders leichte Kinder die Kamele - unter gefährlichen Bedingungen. Jetzt ist diese Kinderarbeit verboten. Doch die Rennen gehen weiter. Allerdings nicht mit kleinen Jungen im Sattel, sondern den weltersten Jockey-Robotern.

Von Björn Schwentker |
    Der Sportreporter ist begeistert. So ein Kamelrennen konnte er bisher nicht jeden Tag kommentieren, in Katar, dem Emirat am persischen Golf. Eigentlich ist es kein richtiges Rennen, sondern nur ein Show-Lauf. Lediglich ein Kamel ist auf der Bahn. Darauf reitet nicht wie sonst ein menschlicher Jockey, sondern ein Roboter. Olivier Magnenat sitzt vor dem Bildschirm im Schweizerischen Yverdon-les-Bains, und schaut sich die Aufzeichnung des Rennens an. Der Ingenieur der Firma k-team hat den künstlichen Reiter mit entwickelt.

    "”Unser Kunde wollte, dass die Roboter möglichst menschlich sind. Darum haben sie zwei Beine, zwei Arme, einen Kopf, und sogar die Sitzposition ist die gleiche wie früher bei den Kinderjockeys.""

    Bis vor kurzem ritten in Katar noch kleine Jungen auf den Kamelen, manche waren gerade mal vier Jahre alt. Auf Druck von Menschenrechtsorganisationen hat die Regierung diese Kinderarbeit jetzt untersagt. Doch weil die Scheichs weiter ihre traditionellen Kamelrennen wollen, baut der Staat nun eine Fabrik, um dort die künstlichen Reiter herzustellen. Magnenat:

    "”Er hat einen Stock in der rechten Hand, um das Kamel zu schlagen, an drei Stellen: Vor dem Höcker, auf den Bauch und am Hintern. In der linken Hand hält er das Seil der Zügel. Er muss ziehen, um zu bremsen und loslassen, um das Kamel schneller zu machen.""

    Beim Rennen fährt der Kamelbesitzer, oder ein Trainer, im Jeep neben der kilometerlangen Rennpiste her und steuert den Roboter per Fernbedienung. Das ist fast wie früher. Auch die Kinderjockeys bekamen ständig Anweisungen, allerdings über ein Walkie-Talkie am Sattel. Damit sich für die Kamele alles so anhört wie immer, haben die Roboter einen Lautsprecher. Der Trainer brüllt seine Befehle jetzt in ein Mikrofon an der Fernsteuerung und beim Kamel kommt die gewohnte Geräuschkulisse an. Magnenat:

    "”Wir wissen nicht, ob die Kamele zwischen Mensch und Roboter unterscheiden können. Aber Kamele sind nicht dumm, wir haben versucht zu vermeiden, dass sie sich gegen die Roboter sträuben, nun haben sie sich anscheinend an sie gewöhnt.""

    Bis dahin war es aber ein weiter Weg. Alles, was die Ingenieure den Kamelen auf den Rücken schnallten, mussten die skeptischen Tiere erst einmal für zehn Minuten beschnuppern. Inzwischen läuft die neue Rennsaison in Katar mit den mechanischen Jockeys im Sattel. Die erste Charge von 50 Stück kam noch aus der Schweiz, Stückpreis etwa 10.000 Dollar. Für die reichen Kamelbesitzer ist das nicht viel. Außerdem sind Roboter auch billiger im Lebensunterhalt als ehemals die Jockey-Kinder. Olivier Magnenat hofft, dass die Einheimischen den Wechsel von Mensch zu Maschine akzeptieren:

    "”Ich denke, selbst diejenigen, die die Roboter noch nicht mögen - wenn sie mit unseren Robotern gewinnen, sagen sie: Hey, das ist eine gute Sache! Die Roboter sind lustig und einfach zu benutzen. Jeder Kamelbesitzer in Katar wird sich freuen, einen Roboter für das Kamelrennen zu haben.""

    Schließlich, sagt der Ingenieur, könnten die Roboter-Jockeys sogar noch mehr als die menschlichen. So haben sie einen GPS-Empfänger eingebaut, um die Geschwindigkeit des Kamels zu messen. Ein kleiner Sender an dessen Bauch misst außerdem die Herzrate, leitet sie an den Roboter weiter, und der funkt sie an den Steuermann im Auto. Er weiß so jederzeit, wie fit sein Tier noch ist und kann das Rennen taktisch besser planen als früher. Ingenieur Olivier Magnenat ist stolz auf seinen Roboter:

    "”Für mich ist es toll, an diesem Projekt zu arbeiten, weil es dadurch in Zukunft keine Kinderjockeys mehr in Katar geben wird. Ich hätte nie geglaubt, einmal etwas für die Menschenrechte tun zu können.""

    Auch wenn die reitenden Roboter Mut machen im Kampf gegen die Kinderarbeit: Viele Tausend minderjährige Kamel-Jockeys gibt es in den Golfstaaten, schätzen Menschenrechtsorganisationen. Da sind die ersten 50 mechanischen Reiter aus der Schweiz bislang nur ein Tropfen auf den heißen Stein.