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Aus Grenzkonflikten zwischenmenschliche Herzensangelegenheiten machen

Wenn Tommy Lee Jones jetzt einen Western gedreht hat, dann überrascht einen das im Grunde nicht. Denn der Hollywood-Star ist ein typischer Westernheld, so wie Clint Eastwood oder John Wayne: rau, wortkarg und ein wenig abweisend. Was dagegen schon erstaunt, ist die Tatsache, dass heute überhaupt noch Western gedreht werden.

Von Josef Schnelle |
    "Es gibt im Western zwar Dialog, aber der ist nur dazu da, den Pferden eine Ruhepause zu verschaffen.” Das hat einmal Leslie Seelander - der König der B-Western - zu Protokoll gegeben. Da gehörte das Westerngenre noch in die Sonntagsmatineen fürs Kinderpublikum. John Ford holte es da raus - 1939 mit dem ersten Western für Erwachsene "Stagecoach”, der samt seines Helden John Wayne bis heute als Meilenstein der Filmgeschichte gilt.

    ”Es gibt nichts was man einem Cowboy nicht in die Satteltasche stecken könnte.” So deutete Ford die außergewöhnliche Offenheit des klassischsten aller klassischen Hollywood-Filmgenres an, das oft totgesagt wurde, aber mit formal anspruchsvollen Spätwestern und brutalen Italowestern immer wieder neu geboren wurde.

    Schwarze Western, Frauenwestern, Western mit schnaufenden Lastwagen anstelle der Pferde und Westernabenteuer im Weltall hat es gegeben und alle paar Jahre wieder taucht das Genre mit den weiten Landschaften und den wettergegerbten Männergesichtern wieder auf wie ein Phoenix aus der Asche. Zum Beispiel mit der Geschichte des einsamen Kreuzzugs des Vorarbeiters Peter Perkins zur Ehrenrettung eines mexikanischen Freundes: "Die Drei Begräbnisse des Melquiades Estrada”. Hauptdarsteller und Regisseur Tommy Lee Jones hat diesen Western im Zeitalter der motorisierten Grenzpolizei, die illegale mexikanische Einwanderer jagt, angesiedelt.

    " "Sie müssen jetzt genau hier sein auf dem Weg nach Mexico.”"

    Der alte Mann hat Peter Perkins durchaus getroffen und könnte den Polizisten einige Hinweise geben, aber er ist blind - worauf er sarkastisch hinweist. Insgeheim fühlt er sich nämlich verbündet mit Peter, der doch nur eine Freundespflicht erfüllen will und die Leiche des Melquiades Estrada in sein Heimatdorf bringen, um sie dort nach dem letzten Wunsch des illegalen Cowboys zu begraben. Dazu muss sie allerdings erst wieder ausgebuddelt werden, denn ein Grenzpolizist hat ihn versehentlich erschossen und dann einfach verscharrt. Die Polizei will keine große Sache daraus machen. Ein Illegaler weniger. So der vorherrschende Gedanke. Doch Pete macht da nicht mit und stöbert den jungen Polizisten Mike auf, dessen Frau schon ahnt, dass er etwas Unrechtes getan hat.

    " "Was hast du getan - Grab ihn aus.”"

    Damit beginnt ein Roadmovie auf Pferderücken in dessen Verlauf alle Beteiligten geläutert werden. Das Drehbuch stammt von dem Mexikaner Guillermo Arriaga, der zuletzt durch das Skript zu dem mehrfach preisgekrönten Globalisierungsdrama "Babel” als Verfechter des nicht-linearen Erzählens aufgefallen war. Auch in "Die Drei Begräbnisse” finden sich allerhand dramaturgische Finten und Seitensprünge, doch bleibt die Kamera des Oskarpreisträger Chris Menges meist bei Hauptdarsteller Tommy Lee Jones, der mit seiner wortkargen Art und seinem trockenem Humor einen echten Westerner von altem Schrot und Korn verkörpert.

    Anders als in den Spätwestern der 70er spielt in den Rückblenden des Films auch das Schicksal der Frauen der harten Männer eine Rolle, die vernachlässigt und gelangweilt zurück bleiben und deren Geschichte die Trostlosigkeit und die Armut der Helden traurig spiegelt. Die Geschichte ist oft in Traumfetzen aufgelöst, die man manchmal kaum wieder zusammenfügen mag. Wäre da nicht Tommy Lee Jones, der die Hauptrolle spielt als habe er ein letztes verbindliches Kompendium des Westerns drehen wollen, mit aller Hochachtung vor den alten Meistern Ford, Hawks und Huston, aber auch mit einem entschlossenen Augenzwinkern, das so entspannt niemand vor ihm hingekriegt hat. Der Western als nostalgische Utopie der Zeiten, als das menschliche Maß noch die Moral dominierte, macht aus Grenzkonflikten zwischenmenschliche Herzensangelegenheiten und aus Rache und Sühne sentimentale Musik.