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Aus illegal soll legal werden

Italien ist ein Land voller Kunstschätze und Kunstliebhaber. Aber nicht alles, was private Sammler zusammentragen, ist auch legal erworben worden. Der schwarze Kunstmarkt floriert - bei den Carabinieri sorgt sich eine eigene Abteilung um die Raubkunst, leider mit geringem Erfolg. Ein geplantes Gesetz verspricht reuigen Kunsträubern Amnestie - die Opposition nennt es einen Kuhhandel.

Von Thomas Migge | 03.06.2009
    "Wir sind überglücklich, dass wir heute Vormittag die Gemälde wieder zurück erhalten haben. Sie hingen bis zu dem Dienstahl in unserer Kirche Madonna dei Dolori. Diese Gemälde werden bei uns an jedem Karfreitag bei einer Prozession durch die Straßen getragen."

    Giampaolo Beccale, Bürgermeister im toskanischen Camaiore, ist mehr als zufrieden. Die vor einigen Monaten aus dem Gotteshaus gestohlenen Barockgemälde eines lokalen Meisters konnten wieder gefunden werden - dank einer auf Kunstdiebe spezialisierten Carabinieri-Einheit. Bei einem Antiquitätenhändler, der sie ins Ausland verkaufen wollte. Kein astronomisch hoher Deal - die Gemälde haben einen Marktwert von ungefähr 30.000 Euro - aber immerhin: religiöse Kunst des 18. Jahrhunderts geht immer gut und das wissen Italiens Kunstdiebe. Den Mitarbeitern der Carabinieri-Sondereinheit in Rom gelingt es immer öfter - vor allem dank modernster Technik und Überwachung des nationalen Kunstmarkts - Raubkunst wiederzufinden. Vor allem dann, wenn sie noch im Handel ist. Befindet sich die heiße Ware aber bereits in privater Hand, ist sie am Zielort - einer privaten Sammlung, einem Wohnzimmer - angekommen, können auch die Carabinieri nicht mehr viel ausrichten. Dazu der römische Kunsthistoriker Benito Fiorrucci:

    "Das ist ein so offensichtliches Phänomen, das man es nicht unterschätzen sollte. Nach vorsichtigen Hochrechungen der Kunstraub-Carabinieri landen rund 40 Prozent aller gestohlenen Kunstgüter in Italien bei Privatleuten. Nur selten fangen die Carabinieri einen großen Fisch: einen privaten Sammler, der Raubkunst bei sich daheim aufbewahrt. In den meisten Fällen ist die Polizei machtlos, denn sie kann ja nicht wahllos Privathaushalte durchsuchen. Darüber muss man sich leider im Klaren sein."

    Für internationales Aufsehen sorgte vor Jahren die Nachricht, dass in der römischen Residenz des damals noch lebenden Modeschöpfers Gianni Versace antike Skulpturen entdeckt worden waren, die nachweisbar vom illegalen Kunstmarkt stammten. In diesem Fall konnte die Raubkunst beschlagnahmt werden. In der Regel aber gelangen Informationen über gestohlene Kunstwerke in Wohnzimmern nur selten an die Öffentlichkeit.

    Jetzt plant die italienische Regierung jenen Kunstsammlern, die Objekte zweifelhafter Herkunft besitzen, entgegenzukommen. - Benito Fiorucci:

    "Die Tatsache, die Realität, dass es in Italien immer mehr Kunstsammler gibt, ist in den letzten Monaten von Experten der Regierung analysiert worden. Man fand heraus, dass zirka 25.000 Italiener Kunst sammeln. Um diesen Sammler entgegenzukommen, die ja in vielen Fällen nicht wissen, ob sie Raubkunst besitzen, wird an einem Gesetz gearbeitet, das den Besitz gestohlener Kunst legalisieren soll. Ich denke mir, dass so ein Gesetzesprojekt dem Kampf gegen Kunstdiebstahl einen schlechten Dienst erweist."

    Das Gesetzesprojekt der Regierung sieht vor, dass Privatleute in Form einer so genannten "autodenuncia", einer Selbstanzeige, dem Kulturministerium mitteilen können, dass sie im Besitz eines nachweislich oder nur vermutlich illegal erworbenen Kunstgegenstandes sind. Die Beamten des Ministeriums werden dann untersuchen, ob es sich tatsächlich um Raubkunst handelt. Ist dies der Fall, soll der Besitzer eine Geldstrafe zahlen, die allerdings schmerzlos ausfallen soll. Schließlich will man ja die betroffenen Bürger nicht von einer Selbstanzeige abhalten, sondern ihnen eine Brücke bauen, aus ihrem illegalen Kunstbesitz einen legalen zu machen.

    Nicht nur die Kunstraub-Carabinieri, auch Kunstwissenschafter sprechen sich gegen den Gesetzentwurf aus. Er würde dem Kunsträubern und privaten Hehlern in Italien Tür und Tore öffnen, meint Francesco Romano, Kunsthistoriker von der Universität in Viterbo:

    "Das ist ein ganz wichtiger Punkt: anstatt diejenigen zu bestrafen, und zwar mit hohen Geldstrafen, die gestohlene Objekte von zwielichtigen Gestalten gekauft haben, kommen sie mit niedrigen Geldstrafen davon. Und dann dürfen sie ihre Raubkunst auch noch behalten! Was denken sich die Politiker eigentlich bei so einem Gesetzesvorhaben!."

    Der Protest gegen das umstrittene Raubkunstgesetz wächst. Auch die oppositionellen Linksdemokraten signalisierten bereits, dass sie diesen Entwurf nicht mittragen würden. Dumm nur, dass die Regierung in beiden Kammern des Parlaments die Mehrheit hat und so wieder einmal machen kann, was sie will.