Sich selbst als Frau im türkischen Bad, Hamam, allein, nackt unter lauter Männern oder als Hure in einem Bordell, zeigen zwei Videos der türkischen Skandalkünstlerin Sükran Moral. Frauen mit Messer in der Hand oder an der Kehle auf dem ärmlichen Sofa zu Hause porträtiert hingegen Neriman Polat.
""Dieses Werk heißt schneiden und das hat natürlich mit Ehrenmord zu tun.”"
Durchaus bewegende Beispiele türkischer Kunst, die heute gesellschaftliche Tabus des Landes aufbrechen wollen, so Kuratorin Beral Madra.
"Schneiden", "Hamam" und "Bordell" sind tatsächlich nicht die einzigen sozialkritischen Werke türkischer Kunst, welche die Akademie der Künste ausstellt. In ihren Räumen am Pariser Platz finden unter dem Titel "Den Boden unter meinen Füßen, nicht den Himmel" Künstlerinnen Platz, welche sich mit der Genderdebatte, der Position der Frau in der türkischen Gesellschaft, beschäftigen.
Im alten Akademiehaus am Hanseatenweg dagegen soll gezeigt werden, dass mittlerweile auch politische Themen vom sogenannten "Tiefen Staat", der Militärbürokratie, geduldet werden, so Klaus Odenthal von der Akademie.
""Es hat, glaube ich, keine Zeit gegeben, in der kulturelle Vielfalt so ernst genommen wurde, wie heute in der Türkei. Altan Gürman ist hier der sich immer wieder mit den Fragen von Völkermord, mit den Problemen der heutigen Zeit auseinandersetzt; Irfan Önürmen, der sich mit dem Irakkrieg auseinandersetzt und der Produktion von Terror. Diese Themen werden Sie sehen. Aber wir haben die Themen nicht politisch als Aushängeschild genommen.”"
Dem historisch interessierten Besucher bietet "Istanbul modern" im Martin-Gropius-Bau mit etwa 50 Künstlern nicht nur eine chronologische Schau türkischer Kunst seit 1929, sondern auch eine Ahnung davon, warum die Türkei bis in die jüngste Zeit als künstlerisches Entwicklungsland galt.
Bis in die 1990er-Jahre hinein wirken alle Bilder wie Werke europäischer Meister, nur mit türkischen Motiven und - hoffnungslos hinterherhinkend - 20 bis 30 Jahre später als ihre westlichen Vorbilder gemalt. Bilder a la Franz von Stuck, a la Cezanne, a la Lionel Feininger finden sich en masse, je nachdem an welchem Institut der türkische Künstler gerade studiert hatte. Grund dafür war die fehlende Tradition der realistischen Malerei im Osmanischen Reich, beschreibt Kurator Cetin Guezelhan.
""Liebe, Erotik, Dekadenz, politische Themen, gesellschaftliche Entwicklungen, alles, was auch Westen in seinen Tafelbildern thematisiert hat, hat Orient in Anführungszeichen islamischer Orient in anderen Medien, in Dichtung, in Gedichten, in Kalligrafie in Miniatur, Kacheln überall ausgedrückt. Also wir haben vom Denkweise her das Gleiche gedacht, aber mit verschiedenen Medien.”"
Mit Staatsgründer Kemal Atatürk und der Abschaffung des islamischen Kalifats gab es zwar auch keinen religiösen Bildvorbehalt mehr, wurden Künstler in den Westen zum Studieren geschickt, Akademien gegründet. Doch wollte der Staat die Bildproduktion an der Aufgabe zu orientieren, türkische Nationalkunst zu gestalten, zu deren verordnetem Stil überaschenderweise der Kubismus erklärt wurde. Solche ideologischen Anforderungen haben sich erst in den letzten zehn bis 15 Jahren vermindert, als die Türkei zunehmend internationales Kapital ins Land ließ und die Militärs sich zugunsten einer pluralistischeren Gesellschaftsentwicklung zurückzogen.
Seitdem entwickelte sich in Istanbul eine Galerieszene, die lebendig und frech mit Videos und Performances, mit Fotos, Gaze- und Nachbildern, nicht mehr große nationale Wahrheiten verbreitet, sondern individuelle Erfahrungen verarbeitet, so wie das Künstler in Berlin und anderswo auch tun. Mit den drei Ausstellungen unter dem Titel "Istanbul - next wave” rückt die Türkei ein Stück weit näher an Europa heran.
""Dieses Werk heißt schneiden und das hat natürlich mit Ehrenmord zu tun.”"
Durchaus bewegende Beispiele türkischer Kunst, die heute gesellschaftliche Tabus des Landes aufbrechen wollen, so Kuratorin Beral Madra.
"Schneiden", "Hamam" und "Bordell" sind tatsächlich nicht die einzigen sozialkritischen Werke türkischer Kunst, welche die Akademie der Künste ausstellt. In ihren Räumen am Pariser Platz finden unter dem Titel "Den Boden unter meinen Füßen, nicht den Himmel" Künstlerinnen Platz, welche sich mit der Genderdebatte, der Position der Frau in der türkischen Gesellschaft, beschäftigen.
Im alten Akademiehaus am Hanseatenweg dagegen soll gezeigt werden, dass mittlerweile auch politische Themen vom sogenannten "Tiefen Staat", der Militärbürokratie, geduldet werden, so Klaus Odenthal von der Akademie.
""Es hat, glaube ich, keine Zeit gegeben, in der kulturelle Vielfalt so ernst genommen wurde, wie heute in der Türkei. Altan Gürman ist hier der sich immer wieder mit den Fragen von Völkermord, mit den Problemen der heutigen Zeit auseinandersetzt; Irfan Önürmen, der sich mit dem Irakkrieg auseinandersetzt und der Produktion von Terror. Diese Themen werden Sie sehen. Aber wir haben die Themen nicht politisch als Aushängeschild genommen.”"
Dem historisch interessierten Besucher bietet "Istanbul modern" im Martin-Gropius-Bau mit etwa 50 Künstlern nicht nur eine chronologische Schau türkischer Kunst seit 1929, sondern auch eine Ahnung davon, warum die Türkei bis in die jüngste Zeit als künstlerisches Entwicklungsland galt.
Bis in die 1990er-Jahre hinein wirken alle Bilder wie Werke europäischer Meister, nur mit türkischen Motiven und - hoffnungslos hinterherhinkend - 20 bis 30 Jahre später als ihre westlichen Vorbilder gemalt. Bilder a la Franz von Stuck, a la Cezanne, a la Lionel Feininger finden sich en masse, je nachdem an welchem Institut der türkische Künstler gerade studiert hatte. Grund dafür war die fehlende Tradition der realistischen Malerei im Osmanischen Reich, beschreibt Kurator Cetin Guezelhan.
""Liebe, Erotik, Dekadenz, politische Themen, gesellschaftliche Entwicklungen, alles, was auch Westen in seinen Tafelbildern thematisiert hat, hat Orient in Anführungszeichen islamischer Orient in anderen Medien, in Dichtung, in Gedichten, in Kalligrafie in Miniatur, Kacheln überall ausgedrückt. Also wir haben vom Denkweise her das Gleiche gedacht, aber mit verschiedenen Medien.”"
Mit Staatsgründer Kemal Atatürk und der Abschaffung des islamischen Kalifats gab es zwar auch keinen religiösen Bildvorbehalt mehr, wurden Künstler in den Westen zum Studieren geschickt, Akademien gegründet. Doch wollte der Staat die Bildproduktion an der Aufgabe zu orientieren, türkische Nationalkunst zu gestalten, zu deren verordnetem Stil überaschenderweise der Kubismus erklärt wurde. Solche ideologischen Anforderungen haben sich erst in den letzten zehn bis 15 Jahren vermindert, als die Türkei zunehmend internationales Kapital ins Land ließ und die Militärs sich zugunsten einer pluralistischeren Gesellschaftsentwicklung zurückzogen.
Seitdem entwickelte sich in Istanbul eine Galerieszene, die lebendig und frech mit Videos und Performances, mit Fotos, Gaze- und Nachbildern, nicht mehr große nationale Wahrheiten verbreitet, sondern individuelle Erfahrungen verarbeitet, so wie das Künstler in Berlin und anderswo auch tun. Mit den drei Ausstellungen unter dem Titel "Istanbul - next wave” rückt die Türkei ein Stück weit näher an Europa heran.