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Aus Liebe zu den Büchern

Der Haushalt von Kalifornien steckt tief in den roten Zahlen. Das bekommen auch die öffentlichen Büchereien zu spüren. David Kipen wollte das nicht hinnehmen. Der ehemalige Literaturberater der US-Regierung betreibt in Los Angeles eine Bücherei mit Buchladen und verleiht die Druckwerke kostenlos.

Von Kerstin Zilm |
    Heiß und schattenlos ist es auf der Mariachi Plaza. Unter drei eng zusammengestellten Schirmen sitzen Männer an runden Plastiktischen - Mariachi-Musiker, die auf Arbeit warten. Die Fassaden der Geschäfte am Ort sind bunt bemalt. "Libros Schmibros - Leihbücherei und Buchladen" steht in rot-grünen Wasserfarben über einer Fensterfront. Der Laden gehört David Kipen. Vor zwei Jahren verlor der kalifornische Buchkritiker und Cervantes-Übersetzer seinen Job. Zurück in Los Angeles fragte er sich, was er mit seinen eingelagerten 7000 Büchern machen sollte. Zur selben Zeit kürzte der Westküstenstaat die Öffnungszeiten für zahlreiche Büchereien.

    "Mir ist ein Licht aufgegangen! Da sitze ich auf einem riesigen Bücherberg und in meinem Viertel, in dem es sowieso schon kaum Zugang zu Büchern gibt, wird es noch weniger davon geben. Ich dachte: was, wenn ich in einer leeren Ladenfront Bücherregale aufstelle und die Bücher auslege? Vielleicht kommt ja jemand. Und sie kamen!"

    "Libros Schmibros" verleiht Bücher kostenlos und verkauft sie für die Hälfte des Originalpreises. Bewohner von Boyle Heights zahlen sogar nur einen Dollar pro Buch. Die Ladenfront wurde schnell zum Minikulturzentrum mit Lesungen und Buchpartys. Kipen hat inzwischen eine Co-Direktorin: Literaturprofessorin Colleen Jurratche, die wegen der Haushaltskürzungen ihren Uni-Job verlor. Ihre Liebe zu Büchern lebt sie nun - ehrenamtlich - mehrere Nachmittage wöchentlich bei "Libros Schmibros" aus.

    "Ich habe mich in die Atmosphäre und die Kunden verliebt, Familien kommen mit Kindern, junge Frauen zerren ihre Freunde in den Laden, weil sie das nächste tolle, stimulierende Buch suchen. Es ist unglaublich befriedigend für mich."

    Befriedigend aber nicht profitabel. "Libros Schmibros" ist auf Spenden angewiesen. Was Kipen als Buchkritiker und Dozent verdient, steckt er in Bibliothek und Buchladen. Sein Kontostand schrumpft. Am neuen Standort ist die Miete teurer. Dafür ist eine U-Bahn-Station direkt vor der Tür. Kipen setzt auf mehr Aufmerksamkeit, mehr Kunden und mehr Spenden.

    "Oh Euripides in spanisch und Dostojewski!"

    Cuauthemoc Hernandez hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Abteilung für spanische und lateinamerikanische Literatur zu erweitern. Er hilft außerdem fast täglich zwei Stunden ehrenamtlich beim Sortieren und Katalogisieren. Geld verdient er in einer Kindertagesstätte.

    "Ich denke unsere Gesellschaft sollte umdenken hin zu Gemeinwohl, zu leihen und teilen. Nicht nur was Bücher angeht. Ich versuche wegzukommen von allem, was durch Profit verdorben ist. Das hier ist genau meine Richtung."

    "What after Chandler ..."

    David Kipen hilft Lesern auf der Suche nach einem neuen Buch auch außerhalb offizieller Öffnungszeiten. Studentin Marilyn liebt die Atmosphäre in "Libros Schmibros" und die unkomplizierte Art des Gründers.

    "Als ich das erste Mal kam, hat er mich gefragt, welche Bücher ich mag und mir gezeigt, welche mir gefallen könnten. Es war überhaupt nicht einschüchternd. Es ist wirklich toll, dass es so etwas in Boyle Heights gibt."

    David Kipen hofft, Bewohner aus anderen Stadtteilen nach Boyle Heights zu locken. Das Viertel im Osten von Los Angeles hat sich drastisch zum Positiven verändert. Trotzdem kennen es viele vor allem als Latinogegend mit Gangs, Drogenhändlern und Prostituierten. David Kipen verspricht: so lange Geld auf dem Konto ist wird es "Libros Schmibros” geben.

    "Ich möchte nicht aufhören. Warum sollte ich? Vielleicht bekomme ich einen Halbtagsjob mit verständnisvollem Chef, bei dem ich von hier aus arbeiten kann. Dank meiner heiligen Helfer, die fast genauso viel arbeiten wie ich, gibt es keinen Grund zu schließen. Den Menschen scheint, das hier zu gefallen, und wir wollen ihnen mehr davon geben!"