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Aus Schaden klug geworden

Existenzgründer, die schon einmal mit einer früheren Gründung gescheitert sind, haben es besonders schwer, bei Banken und Investoren für ein zweites Projekt zu werben. Dabei sind Firmengründer, die schon einmal die Erfahrung einer Insolvenz gemacht haben, beim zweiten Mal oft viel sorgfältiger.

Von Andrea Groß | 27.08.2008
    Das Lanfer Systemhaus hat seinen Sitz vor den Toren der westfälischen Kleinstadt Borken. Automation und IT-Lösungen in der Logistik und Fördertechnik sind das Geschäft. Alfred Lanfer ist einer von drei Gesellschaftern des Unternehmens. Bis vor gut fünf Jahren war er allein der Chef des Familienunternehmens mit 60 Angestellten.

    "Es ist die schlechte Auftragslage 2002 gewesen, die uns in die Insolvenz getrieben hat, aber auch eine Investition, die wir im Jahr 1996/97 getätigt haben, durch eine große Halle, die wir gebaut haben für ein eigenes Produkt. Die finanzielle Belastung daraus und halt die schlechte wirtschaftliche Lage hat das Unternehmen eben in die Insolvenz geführt."

    Die Lanfers waren ein klassisches Zulieferunternehmen. Schon immer wollten sie mit etwas Eigenem auf den Markt, und das kam 1996 in Gestalt eines Auftrags: Eine Anlage sollte her, die aus Lebensmitteltransportern den Sauerstoff absaugt und gleichzeitig Stickstoff hineinpumpt. Auf diese Weise bleibt der Inhalt länger frisch. Dafür baute Lanfer für 1,3 Millionen D-Mark eine Halle. Die Anlage verkaufte sich wie verrückt. Lanfer kam mit der Produktion gar nicht so schnell nach. Aber die Technik war nicht ausgefeilt genug, die Kunden verloren das Vertrauen, die Vertriebsfirma bestellte woanders, Lanfer ging pleite. Aber Alfred Lanfer hatte Glück. Als er vom Amtsgericht zurückkam, wo er Insolvenz beantragt hatte, standen bereits seine neuen Investoren vor der Tür.

    "Da wir nach wie vor mit unserer Technologie, die wir schon seit 20 Jahren schon mit meinem Vater hier gebaut hatten, hatten wir also einen relativ guten Namen. Also unser Name Lanfer Systemhaus hat vielleicht eine kleine Delle oder eine kleine Macke bekommen, aber der Name steht nach wie vor für Qualität, und das wusste man halt hier in der Gegend. Und deswegen hatten wir eben sehr schnell neue Investoren dabei."

    Leicht war es trotzdem nicht. Die Banken sperrten sofort alle Konten - nicht nur die der Firma, sondern auch Lanfers private. Die Banken der Investoren sprangen ein. Heute flachst er manchmal mit dem Filialleiter seiner alten Bank: Wenn ihr mich als Kunden behalten hättet, hättet ihr mehr verdient. Im März dieses Jahres hat Alfred Lanfer seine letzte Schuldenrate abbezahlt. Letztendlich sei er gestärkt aus der Insolvenz hervorgegangen, sagt er. Noch einmal will er das jedoch nicht erleben.

    "Bei der ersten Gläubigerversammlung, wo die neuen Investoren dabei sind, da sagte dann der Insolvenzverwalter zu mir: Eines will ich ihnen gleich sagen. Heute Abend bringen Sie ihrer Frau mal bei, das Häuschen, was Sie da haben, das können Sie mal vergessen. Suchen Sie sich schon mal eine neue Hütte. Was meinen Sie, was ihnen da auf einmal durchgeht. Sie haben 20 Jahre in dem Unternehmen gearbeitet, da fällt ihnen alles ein. Von: wo bleiben meine Kinder, wo kriege ich was zu essen her, also die Erfahrung, die brauchen Sie nicht noch mal zu machen."

    Der Verein Unternehmerallianz hat seinen Sitz in Dortmund. Die Vorsitzende Marlis Gregg - selbst Restarterin - hatte 2005 im Auftrag der NRW-Landesregierung eine Erhebung unter Restartern durchgeführt. Von dem Erfahrungsschatz, auf den sie dabei gestoßen ist - das wurde ihr sehr bald klar -, könnten andere profitieren. Unternehmer, deren Geschäft in eine Schieflage gerutscht ist, genauso wie solche, die auf der Suche nach einer zweiten Chance sind. Kapital, sagt Marlis Gregg, ist bei jemandem, der bereits eine Insolvenz hinter sich hat, eigentlich viel besser aufgehoben.

    "Die unternehmerischen Eigenschaften sind ungebrochen. Das Verantwortungsbewusstsein, der Ehrgeiz, die Zieldefinition ist da. Das Risikobewusstsein ist größer, also die sind von sich aus vorsichtiger und möchten ganz sicher nicht noch mal in diese Lage geraten."

    Die Unternehmerallianz hat mittlerweile fast 100 Mitglieder und eine Niederlassung in Bayern - das sind nicht alles ehemalige Insolvenzler, viele Unternehmer finden einfach die Idee gut. Kapital, stellt Marlis Gregg klar, gibt es bei der Unternehmerallianz nicht. Sondern Rat und Coaching für alle denkbaren Branchen. Mitunter geht es dabei zu wie bei einer Nachhilfestunde.

    "Sie müssen ja nach allen Seiten verhandeln und ihre Interessen vertreten, und häufig sind Sie in der Situation der Einzige, der ihre Interessen vertritt. Und wenn man schon eine Phase hinter sich hat, in der man mühselige, auch oft ergebnislose Bankgespräche geführt hat, ist das sehr schwer noch mal hinzugehen und die Faust aus der Tasche zu nehmen. Und das üben wir."

    Geübt werden nicht nur Gespräche mit der Bank, sondern auch mit dem Kunden. Die Psyche, so Marlis Gregg, spielt bei einer Existenzgründung eine mindestens ebenso große Rolle, wie das Kapital. Egal, die wievielte es ist.