Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Aus Zwei mach Eins

Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland war der Zusammenschluss der westdeutschen Besatzungszonen. Schon 1946 gründeten Amerikaner und Briten die Bizone, in der wichtige Weichenstellungen für die künftige Wirtschaftsordnung erfolgten.

Von Georg Gruber | 02.12.2006
    "Der Winter steht vor der Tür, Millionen Menschen sind der bittersten Not preisgegeben."

    Dezember 1946, ein Lehrer aus Frankfurt am Main berichtet über den schwierigen Alltag im Nachkriegsdeutschland.

    "Sie haben keine Kleider, keine Schuhe, keine ausreichende Nahrung, kein Brennmaterial. Millionen dieser Armen sind Kinder jeden Alters."

    Ein Grund für die angespannte Versorgungslage war, dass Deutschland auch eineinhalb Jahre nach Kriegsende noch in Besatzungszonen unterteilt war und keine wirtschaftliche Einheit darstellte - obwohl die Siegermächte das auf der Potsdamer Konferenz im Sommer 1945 so proklamiert hatten. In dem Abkommen über die Zusammenlegung der britischen und der amerikanischen Besatzungszone, das am 2. Dezember 1946 in New York unterzeichnet wurde, heißt es deshalb:

    "Die im folgenden getroffenen Vereinbarungen sollen als der erste Schritt in Richtung auf die wirtschaftliche Vereinigung ganz Deutschlands betrachtet werden. [...] Das Ziel [...] ist es, die wirtschaftliche Selbständigkeit des Gebietes bis Ende 1949 zu erreichen."

    Der amerikanische Außenminister James Byrnes hatte diesen Schritt schon in einer viel beachteten Rede am 6. September 1946 angekündigt, die auch ins Deutsche übersetzt wurde - und mit einer Vision endete:

    "Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurück zu finden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt."

    Im Juli 1946, während die Außenminister der Siegermächte in Paris ohne Ergebnis über die Zukunft Deutschlands berieten, hatte Byrnes alle Zonen zum ökonomischen Zusammenschluss eingeladen. Doch Paris und Moskau sperrten sich. Den Briten hingegen war ihre Zone im Laufe der Monate immer mehr zur Belastung geworden. Der Historiker Wolfgang Benz schreibt:

    "Das Projekt wurde unverzüglich in Angriff genommen, aus wirtschaftlichen Gründen, weil die beiden angelsächsischen Okkupationsmächte ihre Zonen nicht länger auspowern lassen wollten, und aus politischen Gründen, weil sie den sowjetischen Verhandlungsstil bzw. die französische Obstruktionspolitik im Kontrollrat wie im Rat der Außenminister leid waren."

    Die Teilung Deutschlands war damals nicht das Ziel. In dem Abkommen, das die Berliner Sektoren außen vor ließ, wurde der provisorische Charakter betont und ganz bewusst keine Hauptstadt für die Bizone benannt. Die Verwaltungsämter lagen über das gesamte Gebiet verstreut, in Minden, Bad Homburg, Frankfurt und Stuttgart, as sich in der Praxis nicht bewährte. Im Sommer '47 wurden deshalb alle Ämter nach Frankfurt verlegt. Dort trat dann auch erstmals der Wirtschaftsrat, das Parlament der Bizone, und der Exekutivrat zusammen, der von den Länderregierungen besetzt wurde.

    Unter deutschen Politikern war die Errichtung der Bizone umstritten, viele sahen die deutsche Einheit in Gefahr. Und nicht jeder wollte an die Chancen glauben, die Kurt Schumacher, der SPD-Vorsitzende sah:

    "Wenn man Deutschland gesund machen will, so ist es nach den realen Möglichkeiten heute nur auf dem Wege zu erreichen, dass man die Bizone ökonomisch so lebendig macht, dass von ihr ein unwiderstehlicher Magnetismus auf andere Zonen ausgeht."

    Das Sagen hatten in der Bizone immer noch die Sieger, die zum Unmut der deutschen Bevölkerung und Politiker die Demontage fortsetzten, wenn auch in geringerem Umfang als in der Sowjetzone. Im Frühjahr 1948 erhielten die deutschen Organe der Bizone schließlich mehr Kompetenzen: Ein neuer Länderrat, der dem heutigen Bundesrat entsprach, wurde eingeführt, und die Mitgliederzahl des Wirtschaftsrats, des Parlaments, erweitert.

    Im Frühjahr 1949, kurz vor Verabschiedung des Grundgesetzes, schlossen auch die Franzosen ihre Zone an. Wichtige Weichen waren da schon gestellt, zum Beispiel in Richtung Marktwirtschaft. Parallel zur Währungsreform waren im Sommer 1948 der größte Teil der Preis- und Rationierungsvorschriften aufgehoben worden. Verantwortlich dafür war der Direktor der bizonalen Verwaltung für Wirtschaft, Ludwig Erhard, der Vater der sozialen Marktwirtschaft.