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Ausbildung, dann ab ins Ausland

Nach England, Holland oder Irland zieht es viele gut ausgebildete Polen. Denn, auch wenn die Löhne langsam steigen, im Ausland verdient man nach wie vor besser. Polnische Wissenschaftler warnen jetzt schon vor den Folgen des Braindrain, denn ob die gut ausgebildeten Arbeitskräfte je nach Polen zurückkommen, ist ungewissen.

Von Anja Schrum |
    Darek wirft den Betonmischer an. Dann schiebt er die verwaschene blaue Schirmmütze in den Nacken und lacht. "Magbud" steht auf seiner hellgrauen Arbeitsjacke. Heute hat er auf dem Betriebshof der Straßenbaufirma hier in Zielona Gora zu tun. "Arbeit gibt es genug", sagt Darek. Denn viele seiner Kollegen aus der Baubranche sind weg: Allein aus unserem Block, in dem 40 Familien leben, sind acht Männer weg, erzählt Darek: nach Irland, Holland oder England, um dort zu arbeiten.

    Auch auf Dareks blauem Fußball-T-Shirt steht "England". Auch er war fast ein Jahr lang in England, in einem Sägewerk. 250 bis 270 Pfund pro Woche habe ich verdient, erzählt Darek. Ungerechnet rund 320 Euro.

    Aber die Kosten, der Mittvierziger schüttelt den Kopf. Für Unterkunft und Verpflegung musste er deutlich mehr ausgeben als in Polen. Und dann war da noch seine alte Mutter, zu Hause in Zielona Gora. Darek ist zurückgekehrt und hat sich eine neue Arbeit in seiner polnischen Heimatstadt gesucht. Damit ist er eher die Ausnahme. Denn die meisten der polnischen Arbeitsmigranten, die nach dem EU-Beitritt 2004 ihrem Land den Rücken gekehrt haben, sind bislang nicht zurückgekehrt, sagt Romuald Jonczy, Professor an der Ökonomischen Hochschule Wroclaw.

    "Keiner in Polen weiß jetzt, wieviele Leute ab 2004 ausgewandert sind. Kein Mensch weiß, ob das ein Million sind, anderthalb, zwei Millionen oder 800.000 Leute, niemand weiß es. Die Leute sind jung, hoch ausgebildet. Das hat viel gekostet. Jeder, der ausgewandert ist, der hat ungefähr 80.000 Euro gekostet - um ihn auszubilden. Also, das haben Eltern und Staat bezahlt. Und die Leute, die machen Abschlüsse und fahren weg."

    Die Arbeitsmigration nach 2004 unterscheidet sich von der vorigen deutlich, sagt Jonczy auf Polnisch.

    "Bei der früheren Migration, da waren die Menschen älter und hatten schon Familie in Polen, dazu Wohnungen beziehungsweise Häuser. Die Menschen sind in den Westen gefahren, um das Geld dort zu verdienen und in Polen auszugeben. Es war viel Geld. Wer zum Beispiel Ende der 80er Jahr in Deutschland arbeitete, der hat 60 Mal mehr verdient als in Polen. Zurzeit ist es 3,5 Mal mehr."

    Der Unterschied wird zwar immer geringer, dafür sorgt der starke Zloty und die steigenden Löhne in Polen. Trotzdem haben die "neuen" Arbeitsmigranten wenig Grund, in ihre Heimat zurückzukehren, fürchtet der Migrationsforscher.

    "Ich will nicht sagen, dass die nicht kommen. Aber wenn jemand schon dort ist und wenn jemand die Arbeit gefunden hat und verdient relativ gut und er bekommt immer mehr, weil: Wenn er alleine ist, kann er sich engagieren, ist zum Beispiel erst Küchenhilfe und nachher Küchenchef."

    Bereits 2007 schlug der polnische Arbeitgeberverband Alarm: Landesweit fehlen Hunderttausende Spezialisten. Der Bürgermeister der Stadt Wroclaw, zu deutsch Breslau, startete eine groß angelegte Werbekampagne. Seine Botschaft lautete: "Kommt zurück." Doch an die viel beschworene Rückkehrer-Welle mag Migrationsforscher Jonczy nicht so recht glauben:

    "Das ist schwer zu beurteilen. Wenn die Leute kommen, dann ist es gut, dann ist es sogar gut, dass sie zwei, vier Jahre weg waren. Ja, die waren dort, die haben etwas gelernt, die haben ein bisschen Geld geholt und das ist alles gut für uns. Wenn die bleiben, dann wird das schlimm."