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Ausbildung und Erststudium sind steuerlich absetzbar

Die Kosten für ein Erststudium oder die Ausbildung direkt nach dem Schulabschluss sind jetzt absetzbar, und zwar in voller Höhe. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Eine große Chance für Millionen junger Leute.

Von Constanze Hacke |
    Ursula Mense: Es klingt ausgesprochen gut, vor allem in den Ohren von Studierenden, deren Ausbildung in der Regel Tausende kostet. Die Kosten für ein Erststudium oder die Ausbildung direkt nach dem Schulabschluss sind jetzt absetzbar. Und zwar in voller Höhe, so hat der Bundesfinanzhof gestern entschieden. Das Ganze wird als große Chance für Millionen junger Leute verstanden und wir wollen nun im Gespräch klären, was dieses Urteil genau bedeutet. Dazu ist meine Kollegin Constanze Hacke ins Studio gekommen. Und meine erste Frage an Sie auch gleich: Wer kann nun in den Genuss dieses Richterspruchs kommen und ab wann ist das möglich?

    Constanze Hacke: Von dem Urteil können alle Studierenden profitieren; außerdem die, die eine spezielle Schule für ihre Ausbildung besucht haben - zum Beispiel eine Kosmetikschule oder eine Schule für Physiotherapie. Die klassischen Auszubildenden, die eine Lehre in einem Betrieb machen, konnten schon vor dem Urteil ihre Ausgaben voll absetzen.

    Bei der Frage nach dem Wann gibt es im Grunde drei Gruppen von Betroffenen. Erstens: Diejenigen, die in den vergangenen Jahren bereits eine Steuererklärung abgegeben haben und auch schon einen Steuerbescheid dafür bekommen haben. Diese Betroffenen können leider gar nichts mehr rückwirkend geltend machen.

    Zweitens: die Studierenden oder Schüler, die Steuererklärungen abgegeben haben, die aber noch nicht vom Finanzamt bearbeitet worden sind. Sie können jetzt ihre Studienkosten nachträglich als Werbungskosten geltend machen.

    Und dann gibt es noch die dritte Gruppe. Das sind die, die in der jüngsten Vergangenheit keine Steuererklärung eingereicht haben. Sie können das jetzt für die zurückliegenden vier Jahre nachholen - also bis zum Jahr 2007.

    Mense: Das heißt: Das Urteil betrifft Studierende mit selbst verdientem Einkommen, aber nicht solche, deren Eltern das Studium bezahlen?

    Hacke: Grundsätzlich gilt: Die Kosten kann nur derjenige abziehen, der sie auch hatte - und der zugleich die Ausbildung absolviert. Unterstützen also die Eltern finanziell das Studium oder die Schule, können die Kosten, die die Eltern übernehmen wahrscheinlich nicht geltend gemacht werden. Aber die Details dazu sind noch offen und nicht geregelt. Wer in einer solchen Situation ist, sollte sich am besten beraten lassen - zum Beispiel von einem Lohnsteuerhilfeverein.

    Anders ist das mit den Einkünften: Während der Studienzeit hat man normalerweise keine hohen Einkünfte. Sprich die Studierenden haben zwar Ausgaben für ihr Studium, aber sie haben keine oder keine sonderlich hohen Einnahmen.

    Deswegen entsteht bei vielen Studierenden mit ihren hohen Ausgaben gewissermaßen ein Minus auf dem Steuerkonto. Das bekomme ich aber natürlich nicht vom Finanzamt ausgezahlt, sondern kann das erst später mit höheren Einnahmen verrechnen. Sprich, wenn ich berufstätig bin und Geld verdiene, kann ich davon meine Verluste aus der Studienzeit abziehen - und zahle so weniger Steuern.

    Mense: Was kann man denn alles absetzen und bis zu welcher Höhe?

    Hacke: Die Ausgaben, die für das Studium anfallen, können in unbegrenzter Höhe angesammelt werden.

    Absetzen kann ich alles, was mit dem Studium direkt zusammenhängt. Also zum Beispiel die Studiengebühren oder die Kosten für die Schule, Ausgaben für Lehrgänge, Tagungen oder Prüfungsgebühren. Außerdem natürlich auch die Kosten für Bücher, Kopien, das Notebook, die Fahrten zur Uni oder die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung, wenn der Student auswärts eine weitere Wohnung anmieten muss.

    Mense: Weitere Einschränkung: Es muss auf jeden Fall ein Zusammenhang zwischen dem Studienfach und dem später ausgeübten Beruf bestehen, heißt es. Da könnte sich viel Spielraum für Deutungen in den Finanzämtern auftun. Was ist beispielsweise mit der Architekturstudentin, die später eine Bäckerei aufmacht? Darf die ihre Studienkosten dennoch absetzen?

    Hacke: Das ist eher unwahrscheinlich. Es ist richtig, dass die Ausgaben für das Studium oder die spezielle Schule mit dem späteren Job zusammenhängen müssen. Trotzdem sollten die Kosten während des Studiums erst einmal geltend gemacht werden. Ob die dann tatsächlich abgesetzt werden können, entscheidet das Finanzamt dann beim Start des Ex-Studenten in die Berufstätigkeit. Manchmal sind die Zusammenhänge recht klar - aber es kann ja auch sein, dass ein studierter Sinologe später in einer Unternehmensberatung arbeitet. Bescheinigt der Arbeitgeber dann, dass der Sinologe gerade wegen seiner Qualifikation diesen Job bekommen hat, dürfte die Absetzbarkeit kein Problem sein.

    Mense: Was ist mit BAföG-Empfängern, die nach dem Studium die Gelder zurückzahlen müssen?

    Hacke: Die BAföG-Leistungen werden nicht für die Studienkosten allein bezahlt, sondern auch für den Lebensunterhalt. BAföG-Rückzahlungen kann man also nicht absetzen.

    Mense: Das alles unter der Voraussetzung, das Finanzministerium setzt das Urteil überhaupt um. Da müssen wir abwarten. Was aber können Studierende jetzt schon machen?

    Hacke: Zum einen sind noch einige ähnliche Verfahren beim Bundesfinanzhof und bei Finanzgerichten anhängig. Darauf sollte man sich gegebenenfalls gegenüber den Finanzbehörden beziehen. Zum anderen sollten Studierende jetzt schnell handeln: Wenn sie in den vergangenen vier Jahren keine Steuererklärung abgegeben haben, sollten sie das jetzt tun. Das bedeutet: Alle Kosten auflisten und belegen - und zugleich einen Antrag auf Verlustfeststellung - wie das im Amtsdeutsch heißt - stellen. Das kann man ganz formlos machen und zusammen mit der Steuererklärung beim Finanzamt abgeben.