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Ausbildung zum Verfahrensmechaniker
Nervenkitzel am Hochofen

Extreme Hitze, schwere Schutzkleidung, Schichtdienst: Obwohl die Ausbildung zum Verfahrensmechaniker in der Hütten- und Halbzeugindustrie nicht leicht ist, hat das Stahlwerk keine Nachwuchssorgen. Vor allem das gute Gehalt lockt viele Bewerber an die Hochöfen.

Von Stephanie Kowalewski | 27.08.2016
    Aus einer Eisenwanne im Stahlwerk von Thyssenkrupp leuchtet rotglühender Rohstahl.
    Eisen aus dem Hochofen Schwelgern 1 bei ThyssenKrupp. (picture alliance / dpa / Roland Weihrauch)
    Ricardo Mohner ist 22 Jahre alt und fast fertiger Verfahrensmechaniker Hütten- und Halbzeugindustrie, Fachrichtung Metallurgie. Darunter kann sich wohl kaum einer etwas vorstellen.
    "Ist nichts anderes als der Hüttenfacharbeiter oder auch der Stahlkocher."
    Das ist - gerade im Ruhrgebiet - ein besonders ehrenhafter und traditioneller Beruf, ähnlich wie der Bergmann. In Duisburg geht man zu Thyssen Krupp – seit Generationen.
    "Kenne nichts anderes. Mein Vater arbeitet schon bei Thyssen. Mein Opa hat damals bei Thyssen gearbeitet. Da wächst man halt rein."
    Arbeit mit feuerfester Schutzkleidung
    Der angehende Verfahrensmechaniker hat - wie die meisten Azubis hier - die Fachoberschulreife. Ein Hauptschulabschluss mit Qualifikation reicht aber auch. Jetzt trägt er einen grauen Arbeitsanzug, Sicherheitsschuhe, Helm und Schutzbrille. Aber wenn der Abstich am Hochofen ansteht, wenn also das kochend heiße Roheisen wie Lava aus der Ofenöffnung in die Rinne am Boden fließt, dann kommt noch eine feuerfeste Schutzkleidung dazu.
    "Also wenn ich mich fertig mache für den Abstich, dann den Silbermantel, ganz wichtig, dass man den zuknöpft, Kapuze drüber, und diese feuerfesten Handschuhe und ganz wichtig ist der Sieb und die Schutzbrille."
    Autorin: "Wie schwer ist das dann, was Sie da anhaben?"
    "Ja, so ein Silbermantel – drei Kilo mit Sicherheit. Und das dann mit den hohen Temperaturen, ist schon anstrengend."
    Wer Eisenerze und Koks zum Schmelzen bringen will, der darf nicht zimperlich sein. Er muss mit extremer Hitze, mit Lärm und ja – auch mit Kälte umgehen können. Denn in der riesigen, eher dunklen Halle ist es zugig und meist auch kühl, während es nahe am Hochofen glutheiß ist: Das Roheisen ist noch viel heißer als Feuer.
    "Wenn man jetzt von weitem steht und man kennt das nicht, dann denkt man, ja, das ist Feuer. Durch die hohen Temperaturen wirkt das halt so. Müssen sie sich mal vorstellen, das sind 1500 Grad! Das ist halt wirklich das Roheisen, was da rausläuft, mit Schlacke."
    Nach gut einer halben Stunde wird der Hochofen mit einer speziellen Maschine geschlossen - gestopft nennen es die Stahlkocher.
    "Dann beginnen quasi die Reinigungsarbeiten: man muss die Stopfmaschine sauber machen, man muss sie füllen, man muss den Schlackendamm neu setzten. Das ist jetzt die halbe Stunde, wo halt wirklich intensiv gearbeitet wird."
    Teamfähigkeit ist wichtig
    Denn dann muss der Hochofen erneut geöffnet werden, damit wieder zig Tonnen Roheisen auslaufen können und das Spektakel beginnt von vorne. Direkt am gut 60 Meter hohen Hochofen kümmert sich nur eine Handvoll Männer darum, dass das Roheisen fehlerfrei aus dem Ofen in die Torpedopfannen fließt, von wo aus es den nächsten Arbeitsschritt Richtung Stahl antritt. Hier muss sich jeder auf jeden verlassen können, sagt Ricardo Mohner:
    "Man sollte teamfähig sein, gerade am Hochofen. Da funktioniert das nur, wenn alle Hand in Hand arbeiten. Und man sollte sehr aufmerksam sein, weil ein kleiner Fehler reicht und ein Millionenschaden könnte entstehen."
    Das gilt vor allem für die Verfahrensmechaniker, die in der so genannten Messwarte auf Monitoren und raumfüllenden Schalttafeln die gesamte Technik rund um den Hochofen überwachen. Es ist es pikobello sauber, leise und es herrscht eine angenehme Temperatur. Hier verbringt Ricardo Mohner seit einigen Monaten die meiste Zeit.
    "Wenn man in der Messwarte sitzt, hat man eine Menge Verantwortung gegenüber den Kollegen unten."
    Diese Abwechslung ist es, was den Beruf des Verfahrensmechanikers in der Metallurgie so reizvoll macht, sagt Ricardo Mohner, und natürlich der Nervenkitzel am Hochofen.
    "Die Umgebung. Wenn man vor der Rinne steht und 1500 Grad das Roheisen hat, das ist schon ein besonderes Gefühl. Adrenalin. Das macht alles riesen Spaß."
    Gutes Gehalt in der Ausbildung
    Weil so ein Hochofen sieben Tage die Woche rund um die Uhr laufen muss, arbeiten die Hüttenwerker im Schichtdienst. Aber selbst die Schichtarbeit stört ihn nicht.
    "Ich hab immer zwei Früh, zwei Mittag, zwei Nacht und vier frei. Wenn sie das hochrechnen, hab ich einmal im Monat ein Wochenende frei. Das passt schon alles."
    Und bringt schon während der Ausbildung richtig Geld. Im ersten Lehrjahr - noch ohne Schichtdienst – verdienen die angehenden Stahlkocher rund 870 Euro, erzählt Ausbilder Tim Trottenberg.
    Da kommen Samstags- und Sonntagszuschläge dazu. Es kann sein, dass die jungen Leute mit 1200 Euro brutto nachhause gehen.
    Nachwuchssorgen hat das Stahlwerk jedenfalls nicht. Im Durchschnitt fangen hier jedes Jahr 20 bis 30 Verfahrensmechaniker in der Metallurgie an. Bewerbungen gibt es weit mehr.
    "Das sind auf jeden Fall coole Jungs an heißen Geräten."
    "Ich könnte überall eingesetzt werden. Aber ich hoffe, dass es der Hochofen wird."