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Ausbildungsbedingungen verbessern

Nachdem es jahrelang zu viele Bewerber um zu wenig Ausbildungsplätze gab, ist es in diesem Jahr umgekehrt. Ein Grund zur Entwarnung ist das aber nicht. Eine Qualifizierungsoffensive für Erwachsene ohne Berufsausbildung fordert beispielsweise der Bundesverband für Berufsausbildung. Damit soll einem drohenden Facharbeitermangel begegnet werden. Auch die Gewerkschaften signalisieren, dass auf dem Ausbildungsmarkt noch lange nicht alles so ist, wie es sein sollte.

Von Andrea Groß | 17.10.2008
    Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat seine Internetseite mit einer Art Kummerkasten verlinkt. Unter www.doktor-azubi.de können Auszubildende anonym Fragen stellen oder sich von der Seele schreiben, was in ihrem Betrieb nicht so läuft, wie es laufen sollte. Dort ist auch die Mail von Stefanie zu lesen:

    "Ich mache eine Ausbildung zur Verkäuferin in einem Braut- und Festmodengeschäft. Ich darf aber nie etwas verkaufen oder die Kunden beraten. Ich bin im ersten Lehrjahr und bin sehr oft alleine in dem Geschäft. Kosmetik gehört auch zu dem Geschäft und meine Chefin sagt, ich soll nur putzen und vor allem Kosmetik mitlernen. Jetzt hat sie mir auch noch den Lohn gekürzt, weil sie meint, ich würde nichts machen. Mit ihr reden kann ich nicht. Urlaub oder mal frei bekomme ich auch nie."

    Das Berufsbildungsgesetz verbietet es, Auszubildende mit fremden Arbeiten zu beauftragen. 16 Prozent klagen jedoch darüber, sehr häufig solche Dinge tun zu müssen. Der DGB fordert, die Kammern für Kontrollen besser auszustatten - vor allem personell, erklärt Marco Frank, politischer Referent im Fachbereich Jugend.

    "Momentan sieht es so aus, dass wir etwa pro Ausbildungsberater bei den Kammern 600 Betriebe haben mit entsprechender Anzahl an Auszubildenden, die dort kontrolliert werden sollen und da ist natürlich eine Flächendeckende Kontrolle, wie sie uns vorschwebt, gar nicht möglich."

    Felix Schulz dagegen hat an seiner Ausbildung nichts auszusetzen. Der 21-jährige hat beim Chemiekonzern Bayer in Leverkusen Elektroniker für Automatisierungstechnik gelernt und ist mittlerweile Vorsitzender der Auszubildendenvertretung. Besonders stolz ist er auf das Programm "Starthilfe" seines Unternehmens. Das ist eine einjährige Orientierungsphase, die sich besonders an Lernschwache richtet.

    "Ich finde, das ist halt ein sehr gutes Programm, weil es halt den Leuten Unterstützung anbietet. Viele Arbeitgeber verlangen ja auch, für diese Leute kürzere Ausbildungsberufe anzubieten, nur noch zwei Jahre. Das ist meiner Ansicht nach die falsche Richtung, weil: Die sind halt lernschwach, die bräuchten halt eine längere Zeit, ihre Ausbildung zu schaffen. Und den Leuten sollte dann mit diesem Programm unter die Arme gegriffen werden."

    Gerade große, international tätige Konzerne unterstützen in vorbildlicher Weise Lernschwache oder Jugendliche ohne Schulabschluss. Gott sei dank!, sagt Marco Frank vom DGB. Damit glichen sie Defizite aus, die andere zuvor verursacht haben.

    "Was wir natürlich auch fordern, ist, dass das Thema Berufsorientierung und Berufswahl wirklich auch zum festen Bestandteil des Unterrichts gemacht werden sollte. Es sollte früher schon in den allgemeinbildenden Schulen angesprochen werden, vielleicht schon in den achten Klassen, in den siebten Klassen."

    In diesem Jahr hat es zum ersten Mal nach langer Zeit wieder mehr Ausbildungsplätze als Bewerber gegeben. Da aber viele Firmen nur in wirtschaftlich guten Zeiten ausbilden, dürfte angesichts der aktuellen Finanzmarktkrise die Freude nicht lange anhalten. Die Ausbildungsumlage, sagt Marco Frank vom DGB, würde die Verbindung von Konjunktur und Zahl der Ausbildungsplätze auflösen.

    "Diejenigen Betriebe, die nicht selbst ausbilden müssen sich an den Ausbildungskosten der anderen Betriebe beteiligen. Das fordern wir schon seit langem. Es wäre wirklich nur der Fairness geschuldet, dass alle sich gleichmäßig an den Ausbildungskosten beteiligen und nicht zuletzt wäre damit auch den Jugendlichen geholfen."

    Das Konzept hatte es schon einmal bis in die Schublade eines Bundesarbeitsministers geschafft. Vielleicht erklimmt es noch erfolgreicher den Bildungsgipfel in Dresden