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Ausbildungsgarantie für alle

Siebeneinhalb Millionen Europäer unter 25 Jahren haben keine Arbeit und keine Ausbildungsstelle. Der EU-Arbeitskommissar plädiert deshalb für Jugendgarantien. Sie sollen dafür sorgen, dass kein junger Mensch länger als vier Monate ohne Job oder Weiterbildung bleibt. In Österreich werden sie längst praktiziert.

Von Christoph Peerenboom | 05.12.2012
    Eine große Werkhalle im Norden von Wien – diese Jugendlichen lernen gerade, wie man mit der Feile ein Metallstück bearbeitet.

    "Es ist jetzt 40, ich muss es auf 38 bringen, und es muss flach sein."

    Im Raum nebenan wird nicht Metall gefeilt, sondern Holz gesägt:

    Und wieder ein paar Schritte weiter schrauben Auszubildende an Autos herum. Der 18-jährige Marian steht kurz vor dem Abschluss als Kfz-Techniker:

    "Man kann hier sehr viel lernen, weil wir sehr viel Zeit haben und auch die notwendigen Autos dafür haben, die wir zerlegen können in Einzelteile, dass wir das dann auch schneller lernen."

    Mehr als 300 junge Leute lernen in diesem Ausbildungszentrum gerade einen Beruf – sie alle profitieren von der sogenannten Ausbildungsgarantie, die Österreich vor einigen Jahren eingeführt hat und die nun auch die EU als vorbildhaft bezeichnet. Wer höchstens 18 ist und keine Lehrstelle in einem Betrieb findet, dem garantiert die Bundesregierung einen Ausbildungsplatz in einer sogenannten überbetrieblichen Einrichtung – so wie hier im Wiener Norden.
    Lehrbetriebsleiter Gerald Blaschke:

    "Grundsätzlich ersetzen wir den Betrieb. Das heißt, das ist bei uns eine normale Lehre, die Jugendlichen gehen in die Berufsschule parallel dazu und erleben bei uns hier die praktischen Tätigkeiten. Die werden dann begleitet durch Praktika in externen Betrieben."

    Manche Jugendliche werden bereits nach einigen Monaten an einen Betrieb weitervermittelt und machen ihre Ausbildung dort zu Ende. Andere bleiben während der gesamten Lehrzeit hier, und hoffen, danach dann eine Stelle auf dem regulären Arbeitsmarkt zu finden.

    Rund viereinhalbtausend dieser überbetrieblichen Ausbildungsplätze gibt es allein in Wien – österreichweit sind es mehr als 12.000; der Staat lässt sich diese Garantie jährlich rund 200 Millionen Euro kosten.

    Schlechte Noten, kein Schulabschluss, soziale Probleme – es gibt viele Gründe, warum Jugendliche auf normalem Weg keine Lehrstelle finden. Auch die 19-jährige Jasmin hat sich viele Monate vergeblich um einen Ausbildungsplatz bemüht:

    "Lang genug. Ich habe so viele Bewerbungen geschrieben – ein mieses Gefühl, weil du willst den Beruf unbedingt machen und kriegst keine Lehrstelle."

    Dank der Ausbildungsgarantie lernt Jasmin jetzt hier ihren Traumberuf Tischlerin. Ähnliche Erfahrungen hat der angehende Elektrobetriebstechniker Robin gemacht:

    "Weil ich nach meiner Schule keine Ausbildung gefunden habe und dann einfach mal hierher gekommen bin."

    Die Bertelsmann-Stiftung hat eine staatliche Ausbildungsgarantie kürzlich auch für Deutschland gefordert – und dabei explizit auf das Vorbild Österreich verwiesen: Dort habe sich die Garantie "seit Jahren bewährt".

    Und die österreichischen Politiker zitieren gerne die Statistik – danach hat das Land die zweitniedrigste Quote an arbeitslosen Jugendlichen in der ganzen EU. Nur Deutschland steht noch besser da.

    Kritiker mahnen indes: Die Ausbildungsgarantie dürfe die Arbeitslosigkeit nicht einfach nur hinausschieben. In erster Linie sollte die Wirtschaft Lehrlinge ausbilden und dies nicht auf den Staat abwälzen, fordert zum Beispiel die Bundesjugendvertretung in Österreich. Aber auch sie bezeichnet die Garantie als "wichtiges Auffangnetz".
    Und Lehrbetriebsleiter Gerald Blaschke kennt viele junge Menschen, für die sich die überbetriebliche Ausbildung am Ende gelohnt hat.

    "Wir haben immer wieder Jugendliche, die uns besuchen, die aus Betrieben, mitunter aus renommierten Unternehmen, großen Unternehmen, zu uns kommen und die dann die Ausbilder besuchen, die uns besorgen, und einfach ganz stolz sind, dass sie den Sprung geschafft haben."