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Ausbildungsmesse
Jugendliche Flüchtlinge suchen Ausbildung

Viele Menschen, die auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung oder politischer Verfolgung zu uns kommen, bleiben für längere Zeit oder sogar für immer. Damit sie ihren Lebensunterhalt schnell selbst bestreiten können, braucht es verstärkte Unterstützung. Unter ihnen sind viele Jugendliche. Bei der Berufsbildungsmesse in Bochum wollen sie sich umgucken und Arbeitgeber kennenlernen.

Von Kai Rüsberg | 09.09.2015
    Ines Kiesel vom Bochumer Berufskolleg ist Deutschlehrerin. Heute ist sie mit ihrer internationalen Förderklasse von 16- und 17-Jährigen zur Berufsmesse in den Bochumer Ruhrcongress gekommen. Dort ist ihre Aufgabe, die ausländischen Schüler bei einer Berufswahl zu begleiten.
    "Das Ziel dieser Jugendlichen ist, ein Praktikum zu bekommen. Und ich möchte jetzt mit Thiago zum Metallberufebus zu gehen."
    Der große Gelenkbus ist vor der Tür des Kongresszentrums geparkt. Innen ist er wie ein Ausstellungspavillon ausgebaut. Hinter Glasvitrinen werden kleine Metallbearbeitungsmaschinen vorgeführt. Computerterminals sollen helfen, Ausbildungsbetriebe zu finden. Thiago, 17-Jahre alt, der ohne Eltern aus Guinea nach Deutschland kam, befragt eine Mitarbeiterin.
    "Ich möchte ein Praktikum mit Metall. - OK, wir haben eine Datenbank. Hier eine Sparte mit Ausbildungsadressen. Hier den Ort angeben."
    Die Standbetreuerin liest ihm die Liste mit Metallberufen vor: Zerspanungsmechaniker, Industriemechaniker und so weiter. In Thiagos Gesicht ist förmlich abzulesen, dass er mit diesen Informationen nur wenig anfangen kann. Die Neuankömmlinge kennen weder unsere Bürokratie noch das schulische System und erst recht nicht die Ausdifferenzierung der Berufe, erklärt seine Lehrerin Ines Kiesel.
    "Die Schüler kommen aus Ländern mit einem komplett anderen Schulsystem. Viele sind im Alter von vier Jahren zur Schule gegangen. Viele haben mit neun Jahren einen Abschluss, vergleichbar mit Fachabitur. Für viele ist es schwierig, das ganze System zu verstehen, und das Schulsystem ist nur ein Teil daraus."
    Die Schüler der Förderklasse sind alle bereits sechs Monate oder länger in Bochum. Doch diese Zeit reicht nicht, das ganze gesellschaftliche System und die Berufschancen zu erfassen. Viele der Schüler bringen daher ganz feste Vorstellung von ihrem künftigen Berufsleben mit, die oft die Berufe sind, die sie auch schon aus ihrer Heimat kennen: Automechaniker, Lkw-Fahrer oder Computerfachmann, so wie der 17-jährige Mossen Rahmasani aus Afghanistan.
    "Ich habe gesehen, sehr viele Berufe hier: Aber mein Ziel ist IT. Computer. Informatik. Habe ich gefunden 2 Firmen in Hattingen. Aber habe ich gefunden Praktikum, aber wir müssen mehr Deutsch lernen."
    Jugendliche Flüchtlinge haben gute Chancen eine Ausbildungsstelle zu finden, meint der Chef der Bochumer Arbeitsagentur: Luidger Wolterhoff.
    "Wir haben eine Welle von großer Offenheit. Auch bei den Arbeitgebern. Zumindest auf gar keinen Fall eine Benachteiligung von Jugendlichen aus anderen Ländern."
    Die Förderklasse des Bochumer Berufskollegs ist bunt zusammengewürfelt mit Flüchtlingen aller Nationalitäten. So vielfältig sind dort auch die Talente und Interessen. Floran ist vor acht Monaten mit seiner Familie aus dem Kosovo gekommen und will nun ein Praktikum haben:
    "Ich möchte machen eine Ausbildung als Kunstmaler. Ich bin Künstler. Vielleicht auch Mediengestalter."
    Seine Lehrerin Ines Kiesel weiß, dass er dort mit vielen anderen Bewerbern konkurriert und versucht ihn auch für andere Berufe zu interessieren.
    "Könntest Du Dir auch vorstellen, als Maler zu arbeiten. Das sind die, die Wohnungen gestalten. Wir haben auch bei uns an der Schule eine Abteilung, die bildet Maler aus."
    Viele der jungen Flüchtlinge wollen sich aber nicht allein mit einer Berufs-Ausbildung zufriedengeben. Für sie ist das nur ein Zwischenschritt auf dem weiteren Berufsweg.
    "Erst mal ich mach Ausbildung. Wenn ich fertig bin, ich mache Abitur."