Mittwoch, 24. April 2024

Ausblick 2. Festivaltag
Konkrete Begegnungserfahrung in der multizentrischen Welt neuer Gedanken

Am "chinesischen Tag" spricht Boike Rehbein der Berliner Humboldt-Universität über "Kultur in der multizentrischen Welt", bevor das Essener E-MEX Ensemble konkrete Begegnungserfahrung spiegelt. Und den Besuchern des Forum wird zuerst die Ruhe genommen, bevor neue Musik neue Denkanstöße gibt.

Gespräch mit Frank Kämpfer | 18.04.2015
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    Ya-Yun Tseng (Bild: privat)
    Was erwartet das Publikum heute am Samstag, 18. April, dem zweiten Veranstaltungstag?
    Wir haben heute gewissermaßen unseren "chinesischen" Tag. Das erste Konzert des Abends bestreitet das ensemble 20/21, die Studierenden der Kölner Musikhochschule. Unter der Leitung von David Smeyers spielen sie zum sechsten Mal ein Themenkonzert. In diesem Jahr bewegen sie sich geographisch, politisch bzw. historisch in der Umgebung von China. Zuvor ist Prof. Dr. Boike Rehbein zu Gast, ein namhafter Soziologe und Ostasienspezialist von der Berliner Humboldt-Universität. Er spricht zum Thema "Kultur in der multizentrischen Welt."
    Das Hauptkonzert bestreitet das E-MEX Ensemble aus Essen. Sie spielen ein reines China-Programm mit einigen sehr renommierten, aber auch einigen ganz neuen Namen. Auch hier haben wir uns gegen die Erwartung entschieden und nicht das Ensemble ConTempo Beijing engagiert. Sondern eine deutsche Spezialformation, die schon mehrfach in China und Südkorea zu Gast war und auch in diesem Jahr noch in Beijing auftreten und unterrichten wird. Es geht uns also darum, konkrete Begegnungs-Erfahrung zu spiegeln. Das prägt die Forums-Arbeit bekanntlich seit Jahren. Als Gäste hat E-MEX übrigens zwei namhafte traditionelle chinesische Musiker dabei – das macht das Projekt authentisch und spannend.
    China ist ja eigentlich nicht unbedingt ein Land für Neue Musik! Warum gibt es dann einen China-Schwerpunkt?
    Es kommt auf den Blickwinkel an. In Beijing, in Shanghai, in Hongkong und in anderen Städten wächst eine ganz junge Komponistengeneration heran, die noch sehr spannend werden kann. Deren künstlerische Freiheit ist derzeit immens: Sie haben im Prinzip auf alles Zugriff, was je an neuer Musik komponiert worden ist und sie unterliegen so gar keiner Norm. Sie erfinden also gerade, was neue Musik für sie sein kann. Was ich äußerst aufregend und beneidenswert finde! Bei uns in Mitteleuropa ist das schwer vorstellbar, wir sind verfangen in vielerlei Regelwerk und Tradition, wo höchstens noch ein einzelner ausbrechen kann.
    Warum gibt es im Deutschlandfunk zu den Konzerten immer aufwändige Einführungen? Ist das nicht längst aus der Mode gekommen? Warum dürfen die Leute nicht einfach nur einmal in Ruhe nur Musik hören können?
    Das Forum ist dazu da, Musikhörern diese berühmte Ruhe erst einmal zu nehmen. Wir sind ja kein Klassikradio! Musik hat hier keine Unterhaltungsfunktion, sie dient als Anstoß zum Denken. Zur Auseinandersetzung mit einer konkreten Thematik, die stets verankert ist in Politik und Gesellschaft. Und das vermitteln wir – in einem genau konzipierten Gefüge aus Texten, Bildern, Gesprächen: Neue Klänge sollen mit möglichst auch neuen Gedanken korrespondieren. Erst das ergibt ein Erlebnis! Ich glaube an die Kunst der Vermittlung, die für uns keine Mode, sondern ein ganz klarer Auftrag ist. Die neue Musik muss schließlich in der Mitte der Gesellschaft verankert werden, so wie alle anderen zeitgenössischen Künste auch.