Dienstag, 21. Mai 2024

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Ausgebeutete Mediziner

08.10.1999
    Ärzte im Praktikum stehen unter einem ganz besonderen Druck. Das Praktikum ist Pflicht auf dem Weg zum Facharzt. Weil die nötigen Stellen knapp sind, legen die meisten ein großes Wohlverhalten an den Tag, das nicht selten kräftig ausgenutzt wird. Ohne offizielle Anordnung und ohne Bezahlung leisten sie zahlreiche Überstunden aus Sorge, die gerade beginnende Karriere zu gefährden. So auch die Nachwuchsmedizinerin Claudio Röhl. Sie hatte in nur sechs Monaten Praktikum 22 Tage an Überstunden angehäuft. Als sie ihre Überstunden zur Abrechnung einreichte, zudem auf Tarifrecht und Arbeitszeiten hinwies, machten Chefarzt und Krankenhausleitung deutlich, sie könne doch auch kündigen - was sie schließlich auch tat. Überstunden - auch ohne Vergütung und Freizeitausgleich - ist beileibe nicht die Ausnahme, sondern offenbar die Regel. Hannelore Machnik, Landesvorsitzende des Marburger Bunds in Schleswig-Holstein: "Dieser Fall ist kein Einzelfall sondern gängige Praxis im vergangenen Jahrzehnt. Verändert hat sich in diesem Bereich gar nichts, die Situation für die Praktikumsärzte hat sich eher noch verschärft." Auch eine Studie der Organisation Europäische Junger Ärzte ergab, dass unter den Ärzten in Weiterbildung 67 Prozent ihre Arbeitsbelastung als Problem sehen. Gar 83 Prozent gaben an, dass sie sich gelegentlich gezwungen fühlen, unbezahlt länger zu arbeiten.