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Ausgefeilte Konservierung

Biologie. - Bienenwölfe fangen Honigbienen als Frischvorrat für ihre Nachkommen. Um Gelege und Beute im sandigen Nest zu konservieren benutzt die Wespenart einen ganzen Cocktail von Antibiotika, bereitgestellt von Bakteriensymbionten, mit denen sie bereits seit gut 100 Millionen Jahren kooperiert.

Von Volker Mrasek | 18.10.2012
    Nur, damit kein Irrtum aufkommt: Der Bienenwolf ist zwar ein Raubtier; es streunt aber nicht durch unsere Wälder.

    "Na ja, vier Beine und ein Fell hat's nicht. Also, der Europäische Bienenwolf fängt Honigbienen-Arbeiter. Die Bienenwolf-Weibchen greifen die Bienen an, lähmen sie, tragen sie dann im Flug zu ihrem Nest zurück und legen dort in warmen, sandigen Böden Brutzellen mit bis zu sechs Bienen an."

    Ein wenig Nachhilfe vom Biologen: Tobias Engl forscht über Insekten-Symbiosen, und zwar am Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena. Und dort auch über den Bienenwolf – eine Wespen-Art:

    "Genauso groß wie die Gemeine Wespe, die man überall fliegen sieht. Die Bienenwölfe tragen auf der Stirn eine Krone. Also, die haben jetzt keine Krone auf dem Kopf, aber die Zeichnung an der Stirn sieht so ein bißchen kronenförmig aus."

    Der Evolutionsbiologe und Ökologe Martin Kaltenpoth arbeitet in derselben Arbeitsgruppe wie Tobias Engl.

    "Wenn man im Freiland so eine Wespe durch die Gegend fliegen sieht, die am Bauch eine Biene trägt, dann ist das normalerweise ein Bienenwolf. Die brauchen sandige Böden, um ihre Nester zu graben. Und deswegen: So, im Bereich Berlin zum Beispiel sind die sehr häufig. Also, da sieht man die durchaus."

    Nach den Untersuchungen in Jena ist der Bienenwolf ein absoluter Kandidat fürs Guinness-Buch der Tierrekorde. Die Wespenart steckt die gefangenen Bienen als Futter für ihren Nachwuchs ins Nest, webt sie in einen Kokon ein und bewahrt den Nahrungsvorrat auf raffinierte Weise vor dem Verderb: mit einem ganzen Cocktail verschiedener Antibiotika. Engl:

    "Wenn die die in den sandigen Boden packen und dort aufbewahren, haben die halt das gleiche Problem wie wir auch, wenn wir Nahrungsmittel aufbewahren: Dass einfach ganz viel von Schimmel befallen wird."

    Das Antibiotika-Arsenal verhindert das, so Engl:

    "Bis jetzt haben wir über 20 antibiotische Substanzen gefunden, die auf dem Kokon präsent sind und den Kokon auch vor allem vor Schimmelpilzen schützen. Wir sind jetzt immer noch dabei, nach weiteren zu suchen. Wir finden wahrscheinlich noch mehr."

    Produziert werden die Natur-Arzneistoffe natürlich nicht von den Bienenwölfen selbst, wie Tobias Engl erläutert, sondern von mikroskopisch kleinen Symbiose-Partnern der Wespen: Bakterien! Sie leben in den Antennen der Weibchen in speziellen Drüsen, und sie schützen nicht nur die Babykost der Bienenwolfsbrut:

    "Das sind Bakterien der Gattung Streptomyces, die die Weibchen zusammen mit dem Futter in die Brutzelle packen. Und die Bakterien schützen dann den Nachwuchs, indem sie Antibiotika produzieren, die einen schützenden Film um den Kokon der Larve bilden."

    Auch von tropischen Blattschneiderameisen ist bekannt, daß sie in einer Symbiose mit Bakterien leben, die Antibiotika produzieren. Kaltenpoth:

    "Wir gehen eigentlich davon aus, daß das jetzt nicht so selten ist. Es ist nur bis jetzt selten gefunden worden. Aber da ist sicherlich der Bienenwolf-Symbiont der, der am meisten verschiedene Antibiotika produziert."

    Ist der Bienenwolf am Ende genauso schlau wie wir? Oder sogar – schlauer? Kaltenpoth:

    "Der Bienenwolf nutzt diese Strategie verschiedene Antibiotika zu kombinieren auch unter Umständen, um zu verhindern, daß die schädlichen Pilze und Bakterien resistent gegen ein einzelnes Antibiotikum werden. Bei uns Menschen: Wir sind schon 100 Jahre nach der Entdeckung der ersten Antibiotika so weit, daß uns die Ideen ausgehen, wie wir jetzt die Keime noch bekämpfen, die schon multiresistent werden."

    Medizin und Tierzucht machen sehr häufig und in großen Mengen Gebrauch von Antibiotika. Die Wespen dagegen setzen sie nur lokal begrenzt und in äußerst geringen Konzentrationen ein. Das ist wahrscheinlich der Trick, um Resistenzen zu vermeiden. Die Biologen gehen davon aus, daß die Symbiose zwischen Bienenwölfen und Bakterien schon eine kleine Ewigkeit andauert - womöglich bereits seit 100 Millionen Jahren.