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Ausgezeichnung für Arbeit im Umweltschutz

Bevor morgen in Oslo und Stockholm die Nobelpreise 2004 verliehen werden, findet heute Abend schon die Verleihung des Alternativen Nobelpreises statt. In diesem Jahr bekommt ihn unter anderem der Argentinier Raul Montenegro für seine Arbeit im Umweltschutz und seinen Kampf für den Erhalt des Lebensraumes indigener Völker in Argentinien.

Von Esther-Marie Merz | 09.12.2004
    Er erinnere sich noch genau an den Tag, als im September der Anruf aus Indien kam. Mit einem verschmitztem Lächeln und leuchtenden Augen erzählt Raul Montenegro, wie seine erste Reaktion auf die Nachricht war: Er sei einer der diesjährigen Preisträger des alternativen Nobelpreises:

    Ich sagte, dass ich glücklich darüber sei. Ich kam gerade aus Missiones zurück, wo ich die Landrechte der Indianer verteidigte und war sauer auf den Gouverneur, also sagte ich, dass ich jetzt wenigstens dank des Preises mir noch mehr Gehör verschaffen kann, legte den Hörer auf und schrie erst einmal.

    Seitdem überschlagen sich die Termine für den 55-jährigen Biologieprofessor und engagierten Naturschützer. Mehr als je zuvor ist er in den Medien präsent. Der unbequeme Naturschützer, der 1995 den Bau eines Atomreaktors in Guatemala gestoppt hatte und seit Monaten gemeinsam mit den Guarani-Indianern für ihre Landrechte kämpft, erhält nur wenig Unterstützung der Politiker. Die Verleihung des Nobelpreises könnte das jetzt ändern:

    Es ist eine wunderbare Anerkennung, erklärt er, doch in erster Linie ist es wie ein Lautsprecher - Dinge, die er schon seit Jahren sagt, werden auf einmal deutlich lauter wahrgenommen.

    Der Erhalt der Umwelt und ihrer natürlichen Ressourcen - ein Kampf, der für den Nobelpreisträger vor über 20 Jahren begann, auf einer Reise in den Nordosten Brasiliens - eine der ärmsten Regionen Amerikas. Der damals 23-jährige Biologe beschloss fortan, sein naturwissenschaftliches Wissen weiterzugeben. Und dies vor allem an diejenigen, die es benötigen, um eigenhändig für den Erhalt ihres Lebensraums zu kämpfen:

    Irgendwann beherrschen die Menschen das technische Wissen schließlich so gut, dass sie mehr über die Dinge Bescheid wissen als irgendwelche Regierungsbeamte oder private Unternehmen. Zu sehen, wie der Nachbar von nebenan besser Bescheid weiß als ein hoher Regierungsbeamter, ist wie ein zusätzlicher gewonnener Preis.

    Vor 23 Jahren gründete Raul Montenegro eine eigene Umweltorganisation mit dem Namen FUNAM. Mittlerweile zählt sie zu den weltweit wichtigsten. Ihr Kampf gilt dem Erhalt eines ökologisch unversehrten Lebensraums für den Menschen:

    Ich bewundere die indianische Bevölkerung, die 3000 Jahre dank einfachster Mittel überlebt hat. Es ist tragisch zu wissen, dass eine Gemeinschaft, die über eine außerordentliche Kultur verfügt, eines Tages einfach verschwinden wird. Sie haben den Schlüssel, langfristig zu überleben, ohne Einkaufszentren, ohne Hochhäuser aus Zement. Mein Stamm, zu dem ich gehöre, die Weißen, zählen zu den Erfolgreichen, den Gewinnern, doch wir kennen nicht einmal das Werkzeug, um zu überleben - und trotzdem vernichten wir diejenigen, die es haben. Das ist beängstigend.

    Doch nicht nur der Umweltschützer Raul Montenegro wurde mit dem Nobelpreis ausgezeichnet, sondern auch der Wissenschaftler. Und zwar für die Entdeckung des so genannten Giftstoff-Cocktails:

    Dieser Cocktail ist äußerst komplex - egal, wo wir uns zum Beispiel aufhalten, sind wir bestimmten Giftstoffen ausgesetzt, im Wasser oder in der Luft. Dieser Cocktail steht für die Gesamtheit der Giftstoffe. In unserem Körper gibt es beispielsweise Kontrollorganismen, die auf einzelne Giftstoffe reagieren, aber nicht auf die gesamte Mischung der Gifte. Diese Mischung haben wir als den Giftstoff-Cocktail bezeichnet.

    Für sein vielseitiges und unermüdliches Engagement im Umweltschutz erhält Raul Montenegro den diesjährigen Alternativen Nobelpreis - er freut sich auf die Feierlichkeiten im kalten Stockholm auch wenn er den Nobelpreis doch lieber in Tiqual in Guatemala entgegen genommen hätte:

    Ich mag die Rituale meines Stammes - die Preisverleihung scheint mir ein sehr interessantes Ritual zu sein. Aber wenn man mir sagen würde, ich könnte zwischen einer Preisverleihung in Tiqual in Guatemala oder in Bonn in Deutschland wählen, gehe ich lieber nach Tiqual. Es wäre doch klasse, würde man mir den Preis in Tiqual überreichen!