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Aushängeschilder des NS-Staats

In seiner Rolle als Mephisto wurde der 1899 geborene Gründgens Legende. Als Günstling Herman Görings machte er im Nazionalsozialismus Karriere. Die Frau an seiner Seite war von 1936 bis 1946 Marianne Hoppe, die dem Publikum aus Nazi-Propagandafilmen genauso bekannt ist. Die Journalistin Carola Stern versucht zu klären, wie weit Gründgens und Hoppe in den Nationalsozialismus involviert waren.

Von Detlef Grumbach |
    In seiner Rolle als Mephisto wurde der 1899 geborene Gründgens Legende – auf der Bühne, im Film und als Figur in Klaus Manns gleichnamigen "Roman einer Karriere". Gründgens spielte den Mephisto in der Weimarer Republik, im Nationalsozialismus und in der Bundesrepublik, stand erst den Linken nahe und machte dann als Günstling Herman Görings Karriere. Dass er die Nationalsozialisten gebraucht hätte, um Erfolg zu haben, wird niemand behaupten. Aber dass er die Verhältnisse nutzte und zum bewunderten Aushängeschild des NS-Staats wurde, steht ebenfalls außer Frage. Und schon 1954 erhielt er das deutsche Verdienstkreuz mit Stern, den höchsten westdeutschen Orden. Die Frau an seiner Seite war von 1936 bis 1946 Marianne Hoppe, die dem Publikum aus Nazi-Propagandafilmen genauso bekannt ist wie zuletzt als Schauspielerin bei Heiner Müller am Berliner Ensemble.

    "Also ich erinnere mich besonders an Marianne Hoppe in "Romanze in Moll", das hat mich ungeheuer beeindruckt. Ich glaube, ich war drei, vier Mal dort und ich fand sie so bewundernswert in ihrer Anmut, in ihrem Charme, wie sie lächelte, wie sie modulierte, wie sie mit der Sprache umging, wie schön sie war."

    Die Publizistin Carola Stern war sieben Jahre alt, als dem Nationalsozialismus die Macht übertragen wurde. Marianne Hoppe und Gustav Gründgens waren die Stars ihrer Jugend. Zusammen mit Marianne Hoppe, die ihn um fast vierzig Jahre überlebt hat, hat Gründgens deutsche Theater- und Filmgeschichte geprägt.

    "Und Gründgens war für mich in "Tanz auf dem Vulkan" zum Beispiel der Held, der Charmeur, der Sänger, der Freiheitsheld. Und vor allen Dingen: Ich sah sie immer wieder in den Wochenschauen, wie sie zusammen mit Göring in der Loge saßen oder mit Hitler an irgendeiner Premiere teilnahmen. Ich sah, wie Marianne Hoppe fürs Winterhilfswerk sammelte und es war ganz offensichtlich, dass sie zur künstlerischen Elite des Dritten Reichs gehörten und das hat mich als kleines Mädchen von vierzehn, fünfzehn Jahren außerordentlich beeindruckt. Ich dachte, wenn deine Helden, wenn solche Stars an der Seite des Führers stehen, dann muss die Sache auch stimmen."

    Die Funktion, die Gründgens und Hoppe im NS-Staat wahrgenommen haben, ist damit deutlich benannt. Doch wie weit waren Gründgens und Hoppe involviert in den Nationalsozialismus? Haben sie sich schuldig gemacht, waren sie gar heimliche Widerstandskämpfer, wie Gründgens nach 1945 Glauben machen wollte, oder nur blanke Opportunisten? Was zählen Gesten wie eine Spende für die KPD im Jahr 1933? Was zählt die Ernennung zum Preußischen Staatsrat und zum Generalintendanten des Preußischen Staatstheaters 1936, was die Warnung eines jüdischen Freundes? Diese Fragen mögen auch die zum Urgestein des politischen Journalismus gehörende Publizistin Carola Stern getrieben haben, im hohen Alter von achtzig Jahren eine Doppelbiographie dieses beeindruckenden Paars vorzulegen.

    "Ich denke, er war kein Nazi. "

    So die Autorin über Gründgens.

    "Er hatte sicher ein schlechtes Gewissen, als er die Intendanz des Staatstheaters übernahm und er wollte sozusagen vor sich selbst zu erkennen geben, dass das nun nicht bedeutete, er sei nun ins Lager der Nazis übergewechselt. Das heißt, meines Erachtens waren diese Gesten auch ein Ausdruck der Selbstbeschwichtigung. Im Mittelpunkt steht immer das Theater und die eigene Rolle."

    Mit großer Genauigkeit zeichnet Carola Stern das Leben des berühmten Paares nach und konfrontiert es auch mit dem bitteren Schicksal des Exils, mit dem Klaus Manns, Albert Bassermanns oder Therese Gieses. Sie schildert ein Leben in Saus und Braus, noch in den letzten Kriegsmonaten, beziffert Gagen und Privilegien, und doch gewinnt der Leser den Eindruck, dass die Autorin vor einem Urteil zurückschreckt, dass Bewunderung und Empathie eine notwendige kritische Distanz überlagern und dass Gründgens vor allem eines bleibt: der Held ihrer Jugend. "Theater hier, Theater dort", so vergleicht sie die Nazi-Aufzüge auf den Straßen mit Hoppes und Gründgens Bühnenwelt. Gründgens habe sich der Schreckensherrschaft entzogen, schreibt sie, wo er zu Dreharbeiten ins Ausland fuhr und anschließend zurückkehrte. Marianne Hoppe sei in München so mit dem Theater beschäftigt gewesen, dass sie die Machtübertragung an Hitler kaum wahrgenommen habe. Außerdem, so wörtlich, "ganz München ist im Faschingsfieber."

    "Marianne Hoppe ist sehr viel weniger involviert gewesen in das Machtgefüge des Dritten Reichs. Sie war einfach eine populäre Schauspielerin, sie hat Frauenrollen gespielt, wie sie sich der Führer wünschte. sie eine anmutige junge Frau fernab aller Politik und sie ist nach 1945 auch sehr viel kritischer umgegangen mit dieser Zeit. Ich weiß nicht, wie ernst das gemeint war, aber jedenfalls hat sie immer wieder gesagt, man hätte rausgehen müssen, man hätte nicht bleiben dürfen."

    Ausführlich, aber ohne jede Hinterfragung zitiert die Autorin die späteren Rechtfertigungen ihrer Stars und plädiert schon in der Einleitung auf Freispruch: Gründgens und Hoppe wollten eben nur ihrem Publikum gefallen: Sie wollten gefallen und bedienten alle, heißt es dort, und dann: "Das gehört zu den Merkmalen ihres Berufs." Diese Generalamnestie für Eitelkeit hindert sie nicht daran, später Berufskollegen wie Erwin Piscator oder Marlene Dietrich zu erwähnen, Menschen, die bewiesen haben, dass man auch als Schauspieler politische Verantwortung wahrnehmen kann. Aber ein Mann wie Heinrich George, der wie Gründgens 1933 von den Linken ins Lager der Opportunisten gewechselt ist, habe seine Anpassung an den Nationalsozialismus mit dem Tod in einem sowjetischen Lager bezahlt.

    Ein Emigrant wie Brecht dagegen, so wörtlich: "später Verteidiger des Stalinismus und Aushängschild der DDR mit einem österreichischen Pass, einem Konto in der Schweiz, einem Verlag in Frankfurt am Main und einem Stalinpreis in Moskau, wird in der DDR unter Walter Ulbricht ein Staatsbegräbnis erhalten." Ende des Zitats. Das erinnert an die Sprache des Kalten Kriegs und suggeriert, dass Leute wie George, Hoppe oder Gründgens aus der Perspektive eines zur Staatsdroktin erhobenen Antikommunismus das größere Risiko getragen haben. Vor allem aber helfen solche Vergleiche überhaupt nicht weiter, dem Phänomen eines Gustaf Gründgens oder einer Marianne Hoppe auf die Spur zu kommen. Deren Opportunismus ist auch in der Darstellung Carola Sterns mit Händen zu greifen, ihre Nähe zu einer Macht, in der sie sich gesonnt haben und der sie auch mal ein Schnippchen schlagen konnten. Doch weiter gehende Fragen dem Charakter und der Verantwortung ihrer beiden Stars, danach, wie groß der Spielraum zwischen äußeren Zwängen und individuellen Möglichkeiten war, wie und mit welchen Zielen sie ihn genutzt haben, weist sie mit forschem Widerspruch zurück:

    "Also ich finde, Sie nehmen gegenüber Gründgens, also auch gegenüber Frau Hoppe sehr die Rolle eines Staatsanwalts ein. Ich bemühe mich da, wenn ich so sagen darf, um mehr Abwägung. Es wäre auch etwas seltsam, wenn ich mit meiner Vergangenheit des begeisterten Hitler-Mädchens nun also den Stab über sie brechen würde. Ich bin sicherlich, ja, ich bin verständnisvoller gegenüber den Mitmachern als Sie, als die Jüngeren."

    So haben wir am Ende dieser genau recherchierte, detailreiche und Atmosphäre vermittelnde Doppelbiographie zweier Stars doch das schale Gefühl, dass die alte und jung gebliebene Bewunderung der Autorin den analytischen Blick, der sonst zu ihren Markenzeichen gehört, trübt. Die Grenzen zwischen Verantwortung und Opportunismus, zwischen Nutznießerei und leisem Protest werden hier eher verwischt als herausarbeitet.