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Ausländer willkommen

Die Region Beira Interior in Mittel-Portugal ist ein ländlicher Raum, geprägt vor allem durch Land- und Forstwirtschaft. Seit Jahrzehnten wandern in diesem Hinterland zwischen Lissabon und Porto die Menschen in reichere Teile Portugals ab. Zurück bleiben fast nur noch die Alten, so wie in Vila de Rei. Die Bürgermeisterin des Ortes holt junge Brasilianer in die portugiesische Provinz.

    "Man lebt hier sehr gut und sehr ruhig. Wer Ruhe und Frieden mag, ist hier am richtigen Ort", versichert Cecilia Fraga. "Ich denke, diese Stadt hat ein großes Wachstumspotenzial. Und ich hoffe, bei diesem Wachstum mitarbeiten zu können."

    Cecilia Fraga ist schlank, mittelgroß, Anfang 30 und ein echtes Energiebündel. Vor drei Monaten ist die geschiedene Brasilianerin mit ihren beiden Kindern nach Vila de Rei gekommen: aus der 320.000-Einwohner-Stadt Maringa in ein 3500-Seelen-Kaff in Mittelportugals tiefster Provinz. Und Wachstum hätte Vila de Rei dringend nötig. Seit Jahren wandern vor allem die Jungen aus Vila de Rei in die Städte des Küstenstreifens ab, fast jedes zweite Haus steht inzwischen leer. In der Region gab es immer nur Land- und Forstwirtschaft. Und die befinden sich spätestes seit dem EU-Beitritt Portugals auf dem absteigenden Ast. Wegen des rauen Klimas - bitterkalt im Winter, unerträglich heiß im Sommer - und der kargen, steinigen Böden war Vila de Rei stets Emigrantenland. Im vergangenen Jahrhundert gingen die Auswanderer von dort nach Frankreich und Deutschland, vorher nach Brasilien. Ironie des Schicksals: Jetzt sollen brasilianische Einwanderer dem Städtchen neues Leben einhauchen. Rund 200 sollen in den nächsten Jahren kommen, erklärt Bürgermeisterin Irene Barata:

    "Es sind bereits mehr als 700 Kandidaten ausgewählt. Die werden natürlich nicht alle einwandern, aber etwa 200 dürften es sein, die kommen. Die Idee mit den Brasilianern ist aufgekommen, weil wir Menschen in Vila de Rei brauchen. Wegen der Landflucht bleiben nur die Alten zurück. Und wir müssen die Gemeinde verjüngen."

    Darum zahlt die Stadt Vila de Rei auswanderungswilligen Brasilianern die Einreise, vermittelt eine erste Wohnung und Arbeitsverträge. Vorzugsweise für junge Ehepaare mit möglichst vielen Kindern. Und auch wenn die Jobs mit rund 400 Euro eher schlecht bezahlt sind. Cecila Fraga stört das nicht. Sie arbeitet als Kellnerin in einem Hotel. Auch die anderen brasilianischen Einwanderer haben dort Jobs bekommen. Dafür sind sie zwar fast alle überqualifiziert, Cecilia Fraga hat unter anderem Journalismus studiert und war schon Geschäftsfrau in Brasilien, aber erstens sei die Arbeit im Hotel ja nur der Einstieg, und zweitens habe Cecilia in Brasilien, genau wie all die anderen, nur wenig verdient - bei entschieden höheren Lebenshaltungskosten. Cecilia Fraga freut sich über die Chance, die sie in Vila de Rei bekommen hat:

    "Ich kann in jedem Bereich arbeiten. Schließlich tue ich das ich seit meinem 15. Lebensjahr. Ich war schon in vielen Bereichen tätig und kann noch in so vielen arbeiten wie nötig. Hier geht es darum, dass jemand mich kennen lernt und mir einen guten Job anbietet. Dann werde ich alles tun, was ich kann."

    Cecilia hat für sich und ihre beiden Kinder inzwischen eine eigene Wohnung mitten in der Stadt gemietet. Sie hofft, in den nächsten zwei, drei Monaten einen besseren Job zu finden. Ansonsten habe sie sich gut eingelebt, auch der 14-jährigen Tochter Rebeca gefällt es inzwischen:

    "Veränderung ist immer gut, neue Personen und andere Orte kennen lernen. Ich habe nie gedacht, dass ich nach Europa ziehen würde, und jetzt bin ich hier. Es ist gut, Neues kennen zu lernen."

    Und auch die Bewohner von Vila de Rei haben sich an die neuen Mitbürger gewöhnt. Endlich seien mehr junge Leute in der Stadt, freut sich dieser Mann:

    "Mir gefällt es, es sind junge, nette Leute. Am Anfang hat es ein bisschen Polemik gegeben, weil es hier Arbeitslose gibt und die fürchteten, dass ihnen die Arbeitsplätze weggenommen würden. Aber ich finde es gut, die Leute sind sehr nett."

    Die wenigen kritischen Stimmen zu Beginn seien inzwischen verstummt. Die Bürger haben eingesehen, dass die brasilianischen Zuwanderer gut für Vila de Rei sind. Und außerdem gehen die Pläne der Bürgermeisterin noch viel weiter:

    "Mein Projekt ist nicht darauf beschränkt, Leute nach Vila de Rei zu bringen. Es gibt da auch die wirtschaftliche Komponente. Wir wollen es schaffen, unsere Produkte nach Brasilien zu exportieren."