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Ausländische Lehramtsanwärter in Frankreich werden diskriminiert

Studenten aus der EU, die Lehrer an einer französischen Schule werden wollen, durchlaufen dasselbe Auswahlverfahren, concours genannt, wie französische Lehramtsanwärter. 99 Prozent der Anwärter schließen das Auswahlverfahren erfolgreich ab - mit einer Verbeamtung als Lehrer in Paris oder in der Provinz. Theoretisch spielt dabei keine Rolle, ob sie aus Frankreich oder aus dem europäischen Ausland stammen - theoretisch.

Von Suzanne Krause |
    Ludmila kam vor 20 Jahren aus Italien nach Frankreich, der Liebe wegen. Und schreibt nun an der Sorbonne ihre Doktorarbeit in Geschichte. Der Wunschtraum der 42-Jährigen: als Historikerin an der Uni zu forschen und zu lehren.

    "Und zwischenzeitlich wollte ich an einer Schule arbeiten, denn ich liebe es, zu unterrichten."

    Heute scheint dies unmöglich. Dabei schafft Ludmila die schwierigen Aufnahmeprüfungen beim concours, dem Auswahlverfahren für Lehramtskandidaten. Und darf als angestellte Referendarin das Pflichtjahr lang unterrichten: drei Tage pro Woche. Die restlichen zwei Tage drückt sie selbst die Schulbank, für die pädagogische Ausbildung. So weit alles völlig normal. Nicht normal jedoch erscheinen Ludmila manche Vorfälle wie folgender:

    "Eines Tages sagte ein Ausbilder mir vor zwanzig Personen folgendes ins Gesicht: Sie werden den concours nie schaffen, denn ihr Akzent ist viel zu südländisch. Genau wie Ihre Körpersprache. Mir wurde also unterstellt, ich könnte mich französischen Schülern nicht verständlich machen."

    So was hört die Italienerin, die fast akzentfrei französisch spricht, häufiger. Und so beschließt Ludmila, ihr Lehrjahr zu wiederholen, in einer anderen Stadt. Alles scheint zu laufen. Bis urplötzlich, gen Schuljahrsende, ihre Tutorin einfach so das Handtuch schmeißt. Und Monate später in einem Bericht erklärt, Ludmila sei nicht fähig für den Unterricht, es hapere an Sprachkenntnissen. Die Jury, die über die Verbeamtung entscheidet, erteilt Ludmila einen negativen Bescheid. Ihr Referendarjob wird fristlos gekündigt. Ein Einspruch beim Ministerium bleibt erfolglos, nun hat Ludmila ihren Fall vor Gericht gebracht.

    "Meinen Rausschmiss erkläre ich mir anhand von offiziellen und inoffiziellen Äußerungen, die ich mitbekommen habe. Da geht es darum, dass die Posten im öffentlichen Dienst in Frankreich vor allem den Einheimischen vorbehalten bleiben sollen. Und es geht darum, dass angeblich Ausländer nicht in der Lage seien, sich an das französische Schulsystem anzupassen."

    Ein Argument, das Johanna bekannt vorkommt. Die Deutsche studierte in Frankreich Geschichte und Geographie. Und landet als Referendarin an einer Berufsschule, ein schwieriger Job. Johanna bittet um ein Wiederholungsjahr, um ihre pädagogischen Waffen länger zu schmieden. Und argumentiert, für sie als Deutsche sei das sehr autoritäre französische System ungewohnt. Die Ausbilder machen daraus ein Bumerangargument.

    "Ich hatte eigentlich das so formuliert, dass das deutsche System vermutlich so eine Art Handicap ist, und ich deswegen länger Zeit brauche, um mich an die Franzosen zu gewöhnen. Und was dann zurück kam, war: Sie sagt ja selber, sie sei Deutsche und da sieht man ja: die kann gar nicht."

    Eine neue Chance erhielt Johanna nicht. Eine landesweite Premiere für Berufsschul-Referendare. Erfolglos kämpfte Philippe Pèchoux von der Gewerkschaft CGT für Johannas Wiedereinstellung. Erst jetzt fragt er sich, ob es der jungen Deutschen wirklich nur an der nötigen Autorität in der Klasse mangelte. Denn nun hat Philippe Péchoux auch Ludmilas Fall und den einer weiteren Deutschen mit ähnlichem Schicksal auf seinem Schreibtisch liegen.

    "Wenn man die drei Fälle nebeneinander legt, vor allem die Bewertungen während der Referandarsausbildung, hat man schon den Eindruck, dass die Frage der Nationalität der Referendare da eine Rolle spielte bei ihren Beurteilungen. Es scheint fast, als traue man bei uns im Erziehungssystem Ausländern, die nicht in Frankreich zur Schule gingen, nicht zu, unser Schulsystem wirklich verstehen zu können."

    Derzeit weiß keiner, ob Ludmila, Johanna und Irmgard Einzelfälle sind oder die Spitze eines Eisbergs. Ludmila sucht per Appell nach Schicksalsgenossen. Gewerkschafter Péchoux will die staatliche Stelle gegen Diffamierung einschalten. Damit das Erziehungsministerium Zahlen heraus rückt, wie viele ausländische Referendare es in den französischen Staatsdienst schaffen. Um zu wissen, wie es um das Prinzip der Gleichbehandlung wirklich bestellt ist.