
"Wie hängen Sprache und Denken zusammen? Können wir ohne Worte überhaupt denken? Darüber sinnen Philosophen bereits seit Jahrhunderten nach - und streiten darüber bis heute."
Sind Worte bloß der Ausdruck unserer Gedanken? Oder sind sie die Voraussetzung dafür, dass wir überhaupt denken können, wie Ludwig Wittgenstein einst formulierte.
"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt."
Die beiden Wissenschaftsjournalistinnen reichern die philosophische Debatte mit aktuellen Forschungsergebnissen an. Sie haben Hirnforscher, Linguisten und Psychologen besucht und präsentieren den Stand der Erkenntnis. Und der besagt: Wörter können krank machen und heilen; sie verraten erstaunlich präzise, wie wir ticken; und sie können einprägsame Bilder hervorrufen, die unser Denken unbewusst in bestimmte Bahnen lenken.
"Es ist aber bei Weitem das Wichtigste, dass man Metaphern zu finden weiß. Denn dies ist ein Zeichen von Genialität."
Von Aristoteles Poetik spannen die Autorinnen den Bogen bis zum semantisch optimierten Wahlkampf-Vokabular der CDU und der Rhetorik von US-Präsidenten. Wie andere Politiker auch, äußern die sich nämlich umso verschwurbelter, je unangenehmer ihnen ein Thema ist. Eine Strategie, die schon George Orwell ein Dorn im Auge war.
"Der große Feind klarer Sprache ist die Unehrlichkeit. Wo es ein Loch gibt zwischen erklärten und wirklichen Zielen, greift man instinktiv zu langen Wörtern und erschöpften Redewendungen, so wie der Tintenfisch Tinte ausspritzt."
Computergestützte Textanalysen untermauern bekannte Phänomene wie dieses, liefern Sprachforschern aber auch ganz neue Einsichten. Unsichere Menschen sagen beispielsweise öfter "ich" als üblich. Chefs verwenden stattdessen auffällig oft die Gemeinsamkeit suggerierende Vokabel ‚wir'. Und in Diktaturen stutzt die Obrigkeit den gebräuchlichen Wortschatz oft so zusammen, dass Journalisten und Politiker gar nicht mehr anders können, als systemkonforme Phrasen zu dreschen.
"In der DDR war es ähnlich, auch hier dienten die Worte der Macht zur Gedankenkontrolle. Der Schriftsteller Martin Gregor-Dellin hat einmal eine SED-Parteitagsrede Erich Honeckers Wort für Wort auseinandergenommen, um dessen Standardvokabular freizulegen - ein, wie er festhält ‚trauriges Repertoire': Honecker hat gut gelernt - alles zu verlernen, was nicht im Lehrbuch steht.'"
Vielleicht wäre alles anders gelaufen, wenn Honecker und Co. wichtige Entscheidungen auf Russisch diskutiert hätten. Denn auch das belegen die Experimente der Wort-Detektive: Wer in einer Fremdsprache kommuniziert, schärft seine Gedanken und trifft häufig klügere Entscheidungen.
Zielgruppe:
Alle, die nicht auf den Mund gefallen sind und verstehen wollen, wie stark Sprache unser Leben und Denken beeinflusst.
Erkenntnisgewinn:
Erstens: Die Macht der Worte ist groß und ihre Wirkung meist unbewusst. Zweitens: Unsere Sprache verrät viel mehr über uns, als wir denken. Und drittens: Lernen Sie schleunigst eine weitere Fremdsprache, denn das erweitert ihren Horizont und macht sie zu einem anderen Menschen.
Spaßfaktor:
Viele Aha-Effekte garantieren spannende Lektüre.
Stefanie Schramm und Claudia Wüstenhagen: "Das Alphabet des Denkens. Wie Sprache unsere Gedanken und Gefühle prägt"
Rowohlt-Verlag. 318 Seiten, 19,95 Euro.
Rowohlt-Verlag. 318 Seiten, 19,95 Euro.