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Friederike Otto: "Wütendes Wetter"

Hitzewellen, Starkregen, Wirbelstürme - die Physikerin Friederike Otto erklärt, wie solche extremen Wetterereignisse mit dem langfristigen Klimawandel zusammenhängen. Die wissenschaftliche Disziplin dazu, die „Attributions- oder Zuordnungsforschung“, hat sie selbst mit ins Leben gerufen.

Von Martin Hubert | 25.04.2019
Cover des Sachbuchs "Wütendes Wetter" vor wolkenverhangenem Himmel
Friederike Otto begibt sich in ihrem Sachbuch "Wütendes Wetter" auf die Suche nach den Schuldigen für extreme Wetterereignisse (dpa/picture-alliance/Armin Weigel/Ullstein Buchverlag)
"Wir vergleichen das Wetter in einer Welt ohne Klimawandel mit dem Wetter in unserer heutigen Welt. Als würde man eine Schablone, die den Raum möglichen Wetters in der einen Welt abbildet, auf den Raum möglichen Wetters in der anderen Welt legen und überprüfen, ob sich die Umrisse verändert haben, also das Wetter extremer oder auch weniger extrem geworden ist."
Was von der Idee her relativ einfach klingt, ist im konkreten Fall wahnsinnig kompliziert. Die Zuordnungsforscher müssen unterschiedliche Klimamodelle berücksichtigen und riesige Datenmengen aus der Vergangenheit und der Gegenwart statistisch auswerten: über Luftzirkulation, Windstärke, Temperatur, Feuchtigkeit und vieles mehr. Eine komplexe Materie, aber Otto gelingt es, sie verständlich und spannend aufzubereiten. Am Beispiel extremer Wetterereignisse der letzten Jahre führt sie plastisch vor, wie die Zuordnungsforscher wie Detektive nach Zusammenhängen suchen. Und zwar mit dem Ziel, der Klimaforschung einen stärkeren Aktualitätsbezug zu verschaffen. Die Ergebnisse lesen sich dann zum Beispiel so.
Temperaturrekorde werden zum "neuen Normal"
"Hätten wir noch das einstige Klimasystem, wären 31,2 Grad Celsius an drei aufeinanderfolgenden Tagen in Oslo wie im Sommer 2018 ein extremes Ereignis gewesen – unter den heutigen Klimabedingungen ist es das nicht mehr. Der Sommer 2018 in Oslo liefert damit ein Paradebeispiel dafür, was der Klimawandel für den Alltag der Menschen bedeutet: Die Rekordtemperaturen – sie spiegeln das »neue Normal« wider."
Friederike Otto macht klar, dass der Klimawandel eine Tatsache ist. Sie benennt Ursachen und Verantwortliche und macht politische Vorschläge, wie sich die Folgen eindämmen ließen. Die Forscherin weist aber auch auf Wissenslücken hin und warnt davor, voreilige Schlüsse zu ziehen.
Die Rolle der Medien
"Medien greifen vor allem die Studien auf, in denen der Klimawandel eindeutig eine Rolle spielt, und zwar eine wichtige. Damit entsteht der Eindruck, der Klimawandel mache alles schlimmer. Manchmal stimmt das, aber manchmal eben auch nicht. Und manchmal ist es auch ganz bequem, mit dem Klimawandel einen großen, übermächtigen Schuldigen zu haben."
Denn manchmal sind einfach nur falsche politische Entscheidungen dafür verantwortlich, dass sich Landstriche aufheizen oder überflutet werden.
Zielgruppe: Alle, die nicht nur übers Wetter reden wollen, sondern auch kompetent über die Erderwärmung und ihre Folgen.
Erkenntnisgewinn: Wenn man komplex genug denkt, bleibt auch die Wechselbeziehung zwischen Wetter und Klima kein Rätsel mehr.
Spaßfaktor: Löst mit leichter Hand einige Nebelbänke im Kopf auf und verschafft klarere Sicht.
"Wütendes Wetter. Auf der Suche nach den Schuldigen für Hitzewellen, Hochwasser und Stürme."
Von Friederike Otto unter Mitarbeit von Benjamin von Brackel
Ullstein Verlag, Berlin 2019
240 Seiten, 18 Euro