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Warum wir noch nicht tot sind

Es gibt zig tödliche Krankheiten. Ausgestorben ist die Menschheit bisher dennoch nicht. Warum das so ist, erklärt der Autor Iban Ben-Barak in seinem neuen Buch "Warum sind wir noch nicht tot? Alles über unser Immunsystem" - im zuweilen schnoddrigen Tonfall.

Von Joachim Budde | 04.11.2016
    Ein Standmixer steht gefüllt mit verschiedenem Obst und Gemüse neben einem Teller mit Tomaten, Paprika und Salat.
    Obst und Gemüse sind gut für das Immunsystem, doch was wissen wir außerdem über unser Abwehrsystem? (imago stock&people)
    Ebola, Tuberkulose, Aids – Berichte über gefährliche Krankheiten wie diese lassen bei vielen Menschen die Frage aufkommen: "Warum sind wir eigentlich noch nicht tot?" Zu diesen Leuten gehört der Medizinhistoriker Idan Ben-Barak, denn genau so hat er sein neustes Buch genannt. Worum es darin geht, verrät der Untertitel: "Alles über unser Immunsystem".
    "Die Vielfalt und Feinheit an Aufgaben, die das Immunsystem erfüllen muss, ist enorm."
    Eine Menge darüber ist bereits bekannt: Haut und Darm mitsamt ihren Bewohnern halten Keime ab. Im Körper spüren das angeborene und das adaptive Immunsystem Eindringlinge auf und machen sie unschädlich. Und doch sterben jedes Jahr Hunderttausende Menschen an Krankheiten.
    "Für praktisch jede Methode, durch die das Immunsystem den Organismus schützt, haben die verschiedenen Krankheitserreger einen Weg gefunden, um sich davor zu verstecken, sie zu umgehen, sie aufzuhalten, sie für eigene hinterhältige Zwecke zu nutzen oder sie komplett zunichte zu machen.
    Praktisch jedes Signal, das dem Immunsystem zur Kommunikation dient, kann unterbrochen, übermäßig verstärkt oder auf andere Weise durcheinandergebracht werden."
    Auch das Immunsystem kann Probleme bereiten
    Das nutzen Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten aus. Doch auch das Immunsystem selbst kann Probleme bereiten, wenn es aus dem Tritt kommt und Entzündungen, Immunschwäche oder Autoimmunerkrankungen auslöst. Oder Krebszellen übersieht.
    "Die Immunität ist ein fein abgestimmter Mechanismus, bei dem in jeder Hinsicht etwas schiefgehen kann."
    Und doch funktioniert dieses komplizierte System meistens eben zuverlässig und hält uns am Leben.
    Informativ und lesenswert
    Idan Ben-Barak beschreibt die unglaublich vielfältigen Immunzellen und -mechanismen, ihre Entstehung und Erforschung in zuweilen schnodderigem Plauderton. Diese Flapsigkeit trägt natürlich zum Lesevergnügen bei, vielleicht ist sie aber auch der Grund, dass Ben-Barak bei der Beschreibung der Funktionen und des Zusammenspiels in unruhiges Fahrwasser gerät. Da fällt es nicht immer leicht, seinem Kurs zu folgen.
    Informativ und lesenswert ist das Buch dennoch, weil es eine ganze Reihe neuer Erkenntnisse zum Immunsystem enthält. In den 1960ern dachte man noch, in wenigen Jahrzehnten alle Rätsel gelöst zu haben. Heute wissen wir: ein Trugschluss.
    "Unsere ganze Vorstellung von der Immunität steckt noch in den Kinderschuhen – sie ist zwar sicherlich ein bemerkenswertes Kind, aber eben noch genau das und keineswegs erwachsen."
    So festigt sich die Erkenntnis, dass das Immunsystem und das Nervensystem enger miteinander verzahnt sind, als lange angenommen.
    "Höchstwahrscheinlich stellt sich in naher Zukunft heraus, dass viele Störungen, die wir heute als 'geistige Krankheiten' bezeichnen, ganz oder teilweise durch Infektionen oder immunologische Fehlfunktionen verursacht werden."
    Auslese kompakt
    Zielgruppe: Leute, die wissen wollen, was das Immunsystem kann und wo seine Grenzen liegen.
    Erkenntnisgewinn: Das Immunsystem ist nur so effizient, weil ihm ständig Myriaden hilfreicher Mikroben unter die Arme greifen, die auf und in uns wohnen.
    Spaßfaktor: Tiefe Einblicke in die vielfältige Welt der Abwehrkräfte, die Forscher immer genauer ausloten.
    Idan Ben-Barak: "Warum sind wir noch nicht tot? Alles über unser Immunssystem", Ullstein-Verlag, 230 Seiten, 16,99 Euro.