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Ausprobieren begrenzt erlaubt

Online einkaufen ist sehr bequem - aber auch ein Risiko. Denn ob das, was ich da per Lieferservice erwerbe, auch wirklich passt und praktisch oder schön ist, zeigt sich häufig erst nach dem ersten Gebrauch. Doch das Ausprobieren hat seine Grenzen – das legt jetzt eine neue Fassung des Widerrufsrechts fest - Philip Banse, darf ich den online erworbenen neuen Rasierapparat einfach mal ausprobieren?

Von Philip Banse |
    Kommt drauf an, was man mit Ausprobieren meint. Denn Kernsatz des neuen Widerrufsrechts ist, dass Verbraucher die "Eigenschaften und die Funktionsweise" ihrer Online-Einkäufe zu Hause prüfen dürfen. Und zwar so wie es "in einem Ladengeschäft üblich und möglich ist". Felix Braun von Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz, das vom Justizministerium finanziert wird, begrüßt diese Formulierung:

    "Ich denke, das ist nicht schlecht formuliert, darunter kann man sich mit normalem Menschenverstand ganz gut was vorstellen. Man muss sich wirklich immer in die Situation versetzen: Wie würde ich in einem Ladengeschäft handeln? Beispiel: Ich habe ein T-Shirt bestellt. Ein T-Shirt kann ich sicher mal anprobieren, ob es passt, ob mir die Farbe steht, aber ich kann nicht eine Stunde lang damit Sport machen und voll schwitzen. Das würde zu weit gehen."

    Das beantwortet dann auch die Frage nach dem Rasierer: Auspacken und Anschalten wären sicherlich in Ordnung. Probe-Rasieren dürfte nicht erlaubt sein. Diese neue Formulierung geht zurück auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Der hatte 2009 die deutschen Widerrufsregeln gescholten. Und seit dem halten sich deutsche Gerichte an diese Vorgaben. Das heißt: Das neue Widerrufsrecht formuliert jetzt schwarz auf weiß, was deutsche Gerichte ohnehin seit zwei Jahren urteilen. Berühmt etwa der Wasserbettfall, sagt Markus Schaffrin vom eco, dem Verband der Internetwirtschaft. Ein Kunde hatte ein Wasserbett bestellt, ausprobiert und wieder zurückgeschickt. Der Händler wollte jedoch nur einen Teil des Kaufpreises erstatten und verlangte Wertersatz:

    "Weil der das Wasserbett natürlich mit Wasser gefüllt hatte, um es testen zu können. Da hatten dann die Richter dem Käufer recht gegeben, indem sie gesagt haben: Ein Wasserbett kann man nur testen, wenn man auch Wasser rein macht. Und so musste kein Wertersatz geleistet werden."

    Dieses Urteil ist jetzt durch das neue Widerspruchsrecht schwarz auf weiß festgehalten. Der Kunde dürfte auch heute sein Wasserbett mit Wasser befüllen und zurückschicken, ohne Wertersatz leisten zu müssen. Schließlich würde man ihm Laden auch mal auf einem Wasserbett liegen wollen, das mit Wasser gefüllt ist. Auch eine weitere Verbraucherpraxis ist jetzt offiziell rechtens, sagt Markus Schaffrin vom Verband der Internetwirtschaft: das Fernsehertesten:

    "Das werden halt drei Geräte bestellt von verschiedenen Herstellern. Die stelle ich mir zu Hause nebeneinander und kann schauen, welcher mir am besten gefällt. Und zwei schicke ich wieder zurück, die mir nicht gefallen. Das wäre okay, sicherlich, da müsste kein Wertersatz gezahlt werden."

    Eigentlich klar sind jetzt auch Onlinefahrradkäufe. Wer im Laden ein Rad kauft, darf damit üblicherweise auch mal eine Runde durch den Park drehen. Auch beim Onlinekauf ist dieses Ausprobieren jetzt klar erlaubt, sagt Markus Schaffrin. In der Praxis könnte es aber für Ärger sorgen:

    "Wenn ich so was aufs Internet übertrage, kaufe mir ein Rad, das ich vielleicht noch zusammenschrauben muss, damit ich es nutzen kann, fahre damit durch die Gegend und schicke es dann zurück – das dürfte in der Praxis zu Ärger führen."

    Wertersatz kann der Händler also nur für zurückgegebene Waren verlangen, die mehr getestet und gebraucht wurde, als das im Laden üblich ist. Doch auch dann stehen Verbraucher jetzt besser da. Lange war es in Deutschland erlaubt, dass Händler diesen Wertverlust ihrer Ware mehr oder wenig pauschal und willkürlich festlegen, sagt Felix Braun vom Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz:

    "Händler können nicht mehr pauschal einen Wertersatz festlegen. Der Händler muss darlegen, wie dieser Wertersatz genau errechnet ist."