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Ausreichend gefördert?

In den USA und Großbritannien bezeichnet man hochbegabte Kinder als "gifted children", als beschenkte Kinder, die speziell gefördert werden. Diese Tradition gibt es in Deutschland nicht. Für viele hochbegabte Kinder ist ihre Gabe eher ein Fluch. Denn hochbegabt zu sein bedeutet, anders zu sein als andere Kinder.

Von Verena Herb | 20.11.2011
    "Das Problem ist: Immer wenn man hochbegabt sagt, dann denken alle: Ja, das ist jetzt so ein Spießer da ... So ein Arroganter ..."

    "Wir sagen das nicht so gerne. Das klingt immer so ein bisschen hochnäsig irgendwie."

    "Hochbegabt zu sein ist einfach eine gute Qual. Weil man hat was davon, dass man schlauer ist. Man kann zum Beispiel Sachen schneller machen. Man kann zum Beispiel auch Klassen überspringen oder so ..."

    Die vier Jungen - Finn, Simon, Ole und Jonas sind hochbegabt. Ihr Intelligenzquotient, so haben ausgewiesene wissenschaftliche Tests es ergeben, liegt bei einem Wert von über 130. Doch als Überflieger, als kleine Einsteins, wollen sie nicht gesehen werden. Ganz im Gegenteil. Über ihre Hochbegabung wollen sie am liebsten gar nicht sprechen. Denn hochbegabt zu sein, bedeutet anders zu sein als andere Kinder.

    Drei Jungs beugen sich über das Innenleben des Fernsehgeräts. Kabel ragen heraus, die Bildröhre liegt offen. Leopold hat eine Zange in der Hand und zeigt auf eine Kurbel, um die ein Draht gewickelt ist:

    "Das ist ein Fernseher, der halt kaputt ist. Und da kann man noch Sachen verwerten, wie zum Beispiel das Kupfer. Das Problem ist einfach nur: Da ist ein Druck in diesem Ding. Und wenn das einmal in ´ner ganz kleinen Sekunde entlöst wird, gibt´s einen Ausschuss und das ganze Ding explodiert. Mit 300 Stundenkilometer ungefähr."

    Leopold ist neun Jahre alt. Das Sezieren eines Fernsehers – für ihn nichts Außergewöhnliches. Ungewöhnlich ist eher, dass das kaputte Gerät in einem Klassenraum liegt und die Jungs sich in ihrer Unterrichtspause an der OKO Talent Schule damit beschäftigen. Das Ehepaar Hartl, zwei Pädagogen, hat die Schule gegründet, an der seit diesem Schuljahr offiziell unterrichtet wird:

    "Die Schule richtet sich an all die Kinder, die besonders bis hochbegabt sind. Und dann speziell an diejenigen, die Minderleister sind. Das heißt, die, die bisher ihre intellektuellen Fähigkeiten – um die geht es ja – nicht in schulische Leistungen umsetzen konnten."
    OKO, das steht für Orthografie und Konzentration – erläutert Gabriele Hartl und fügt hinzu, dass mancher hochbegabte Schüler sich an einer Regelschule sehr schwer tut. Häufige Gründe: Eine Leistungsschwäche beim Schreiben und Lesen, sprich der Orthografie und Probleme, sich zu konzentrieren.

    Seit mehr als 20 Jahren befasst sich das Ehepaar Hartl mit dem Thema Hochbegabung. Nicht nur als Eltern eines solchen Kindes – ihr Sohn Justus ist heute 21 Jahre alt - sondern auch als Pädagogen. Bereits seit 1985 betreiben sie das OKO Lehrinstitut, das Kinder auf besondere Begabung testet, Lerntherapien anbietet und Eltern über spezielle Förderungen informiert. Die neue Talentschule, ein Gymnasium, ist die logische Fortführung ihrer bisherigen Arbeit. Spezialisiert haben sich die Hartls auf die sogenannten "Underachiever", sprich Minderleister. Das sind Kinder, die trotz Hochbegabung oft negativ im Unterricht auffallen.

    "Hochbegabung, wenn man richtig gefördert wird, ist das durchaus was Tolles. Weil man eben auch recht schlau ist. Aber wenn man nicht richtig gefördert wird, dann ist es eigentlich nur eine Last."

    Dann langweilt man sich, fühlt sich unterfordert und stört den Unterricht, sagt der 13-jährige Simon. Er besucht mit 50 anderen Kindern die OKO Talentschule im Hamburger Stadtteil Barmbek, nur acht davon sind Mädchen. Neben den zehn Lehrkräften kümmern sich auch zwei Psychologinnen und eine Sozialpädagogin um die Kinder.

    Es klingelt zur nächsten Stunde. Die Schüler laufen über den roten Linoleumboden in ihre Klassenzimmer. Der Lehrer Harald Gebhardt wartet bereits auf seine Siebt- und Achtklässler. An der privaten OKO Schule gibt es Lerngruppen, jahrgangsübergreifend. An diesem Morgen steht Deutsch auf dem Stundenplan. Es dauert einige Zeit, bis die Schüler ihre Plätze gefunden haben und ein bisschen Ruhe einkehrt.

    "Wir hatten ja immer noch aus dem Leben eines Taugenichts. Also ... bitte, holt die einzelnen Blätter raus ... Jetzt Seite 59. 59 ..."
    Die Jungs sind unruhig. Einige haben die Bücher vor sich aufgeschlagen. Andere unterhalten sich, machen Quatsch, werfen Papierkügelchen durch die Gegend. Harald Gebhardt bleibt ruhig. Liest die Frage nochmals vor – geht hin zu jedem einzelnen Schüler und bespricht individuell mit ihm die Antwort.

    "Die Kinder macht aus, dass sie sich sozusagen abgewöhnt haben, ins Lernen reinzugehen. Das heißt, die Lernbereitschaft ist auf Null gesunken. Und das ist das Thema, dass die erst mal aufgebaut werden."

    "Wir arbeiten sehr viel mit freien Arbeitszeiten. Mit Präsentationen. Mit sogenannten Assignments auch. Weil ja der Ansatz ist, dass die Kinder ja so selbstständig wie möglich lernen sollen. Das können wir nicht immer umsetzen... Wir geben ihnen den Raum dafür zu selbstständigen Lernen. Wir leiten sie aber auch an."
    Alle Kinder, die die OKO Schule besuchen, haben aufreibende Schulkarrieren hinter sich. Manche haben einmal oder sogar mehrfach die Schule gewechselt. Hochbegabt zu sein heißt nicht immer nur Einsen und Zweien zu schreiben. Das weiß Finn aus eigener Erfahrung. Der Zwölfjährige wirkt ruhig, ein bisschen nachdenklich. Besonders, wenn er an seine Erfahrungen an der alten Schule denkt.

    "Ich hab einfach nur noch schlechte Noten geschrieben. Ich hatte nachher ... zum Halbjahr nur ein Vierer, Fünfer Zeugnis. Ich wäre dann eigentlich runtergeflogen. Nur: Zum Halbjahr kann man da ja eigentlich nicht runterfliegen und bin dann so gegangen. Auf der alten Schule hatte ich dann nie meine Hausaufgaben. Kannte ich den Stoff schon, und dann wurde das immer wiederholt und dann wurde mir das zu langweilig. Dann habe ich mich einfach hingelegt auf den Tisch und habe dann einfach nicht mehr zugehört."
    Als Finn in der 6. Klasse ist, lassen die Eltern ihn auf Hochbegabung testen. Nicht nur in der Schule hatte er Probleme, auch zunehmend zu Hause.

    "Sonst war das bei mir auch immer so, dass ich Streit hatte mit meiner Mutter. Ich war halt immer total gereizt. Immer nach der Schule ging´s mir irgendwie Scheiße. Weil ich war immer gelangweilt, total müde und so."
    Hochbegabung kommt nicht allzu häufig vor: Rund zwei von 100 Kindern haben einen Intelligenzquotienten, der über 130 liegt – sie gelten damit als hochbegabt.

    "Der Begriff der Hochbegabung ist nicht beliebig. Sondern ist sehr stark an die Definition der Intelligenz gebunden. Hochbegabung wird definiert als eine außerordentliche Abweichung von der durchschnittlichen Intelligenz. Diese Abweichung erreichen, statistisch gesehen, zwei bis drei Prozent eines Jahrgangs."
    Sagt Jan Kwietniewski. Er ist Leiter der Beratungsstelle für besondere Begabungen der Stadt Hamburg. Die Schulbehörde hat die Beratungsstelle bereits 1996 eingerichtet: für Schulen, Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler. Doch die Praxis der vergangenen Jahre hat gezeigt, dass sich hier hauptsächlich Eltern Rat holen.

    "Was kann man in der Schule tun? An zweiter Stelle geht es in der Tat um außerschulische Angebote. Und an dritter Stelle um diagnostische Fragen."
    Es ist ein Trugschluss anzunehmen, Kinder und Jugendliche würden ihr Potenzial selbst entfalten, wenn erst einmal die Hochbegabung diagnostiziert wurde. Gerade im deutschen Regelschulsystem kommt es vor, dass besonders und hochbegabte Schülerinnen und Schüler nicht als solche erkannt werden.

    Vor 15 Jahren, als die Beratungsstelle gegründet wurde, waren es meist die Eltern, die den Verdacht einer Hochbegabung hatten, das Thema in den Schulen ansprachen. Inzwischen hat sich das verändert: Heute lassen Eltern ihre Kinder in der Regel erst dann testen, wenn sie von Lehrern oder Erziehern im Kindergarten dazu aufgefordert werden.

    "Es gibt ja auch keine Notwendigkeiten, ein Kind zum Beispiel testpsychologisch zu untersuchen, wenn man einfach weiß: Das ist ein kluges Kind, in der Schule läuft alles prima. Mit den Gleichaltrigen und in der Familie auch. Dann gibt es in der Regel keinen Grund, warum man testen sollte."

    konstatiert Miriam Bachmann. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie. Also: Wo kein Problem, ist auch kein Psychologe nötig.

    "Testen sollte man dann, wenn es ein konkretes Anliegen gibt. Wenn man zum Beispiel unsicher ist, was die Schullaufbahn anbelangt. Oder wenn man feststellt, das Kind hat ausgeprägte Stärken UND Schwächen. Und das ist häufig so, dass Kinder dann nicht in allen Bereichen gleich gut in ihrer gezeigten Leistungsfähigkeit sind. Sondern dass es zum Beispiel ganz starke Schwankungen gibt. Das ist zum Beispiel ein ganz wichtiger Grund, warum untersucht werden sollte."
    Es gibt einige Merkmale, die bei hochbegabten Kindern häufig zu erkennen sind.

    "Die Kinder zeichnen sich dadurch aus, dass sie sehr schnell lernen können. Dass sie ein sehr gutes Gedächtnis haben und dass sie in ihrem Leistungspotenzial, was ihnen zur Verfügung steht, immer im Vergleich zu der Normpopulation deutlich überdurchschnittlich begabt sind."
    Sie beobachten ihre Umwelt gründlich, interessieren sich häufig für nicht altersgerechte Themen, durchschauen äußerst schnell Zusammenhänge. Das freut die Eltern, weiß Professor Thomas Trautmann, Erziehungswissenschaftler an der Universität Hamburg. Gleichzeitig müssen die Eltern auch erkennen: Wenn ihr Kind über besondere Begabungen verfügt, kann es auch zu Problemen kommen - nämlich:

    "Dass es nicht nur mit blendenden Leistungen aufwartet. Sondern eben beispielsweise alles hinterfragt. Auch die feststehenden Dinge der Lebenswelten. Oder dass es eine Inselbegabung ausprägt. Also in Mathe alles schlägt, aber in Deutsch und in anderen Unterrichtsfächern ein ganz genau solches Kind ist, wie alle anderen aus der Klasse auch."

    Jedes hochbegabte Kind ist anders. Man könne nicht von DER GRUPPE DER HOCHBEGABTEN reden, macht Professor Trautmann deutlich. Keine Verallgemeinerung. Jan Kwietniewski stimmt dem zu. Sagt aber auch:

    "Die meisten Hochbegabten kommen durch die Schule gut durch. Das ist ein Mythos oder ein Irrtum, der häufig verbreitet wird, Hochbegabung würde automatisch Lernschwierigkeiten oder Unangepasstheit bedeuten. Die meisten Hochbegabten kommen sehr gut durch die Schule durch, sind eher leistungsstark als leistungsschwach und insgesamt gut integriert."
    Doch gibt es eben auch Kinder, die besonders in der sozialen Interaktion mit Gleichaltrigen Probleme haben. Auffallen. Als altklug und anstrengend gelten. Ute Haupt, Mutter des achtjährigen Erik, kennt das nur zu gut:

    "Das Kind kommt in den Kindergarten. Ist aber sprachlich deutlich weiter. Das heißt, das Kind berichtet zu Hause: Mama, die Kinder verstehen mich nicht. Und ich weiß überhaupt nicht, was die eigentlich wollen. Das Kind separiert sich also, die Sozialisation der anderen Kinder läuft weiter, aber das Kind spielt ja immer für sich. Das heißt, da geht eine Schere auf, was Sozialisation ausmacht. Geistig sind sie aber so weit, dass sie sich an Sechst- und Achtklässler ranhängen, was jetzt die Sprachfähigkeit zum Beispiel betrifft. Dann kommt dieses Kind in die Schule, sozial ist es vielleicht bei vier oder fünf Jahren. Aber geistig vielleicht bei 16, 17 Jahren."

    Viele Jahre haben Barbara Jüres und ihr Mann nicht gewusst, was mit ihrem Sohn los ist. Keine der drei Geschwister verhielt sich so wie Ole.

    "Ole eckte überall an. Bei Erwachsenen, bei Kindern. Aber er hatte immer diesen Wunsch, dazuzugehören. Er wollte so gerne. Wirklich. Ich war verzweifelt. Kinder organisiert, die nach Hause kamen. Irgendwann spielt dann jeder in seiner Ecke. Es war nichts."
    Barbara Jüres zweifelte an sich, zweifelte an ihrer Familie. Machte sich selbst Vorwürfe und fragte sich: Was ist los mit meinem Kind? Seit den Sommerferien hat sich die Situation in der Familie Jüres verändert, seitdem Ole zur OKO Talent Schule geht. Dort Gleichgesinnte trifft. Ole macht das Lernen wieder Spaß:

    "Also, ich denk hier wird der Unterricht mehr angepasst, wo man in welchem Fach gerade ist. Also, leistungstechnisch und lerntechnisch auch. Ist einfach besser. Generell."
    Inhaltlich orientiert sich die OKO an den Hamburger Bildungsplänen. Das war eine der Voraussetzungen, die Gabriele Hartl und ihr Mann erfüllen mussten, um von der Schulbehörde die Genehmigung für die private Lehreinrichtung zu erhalten. Eine gesonderte Schule für hochbegabte Kinder – die Idee stieß anfangs auf Ablehnung bei den Beamten. Denn in der Hansestadt gilt laut Hamburgischem Schulgesetz der Grundsatz für Unterricht und Erziehung:

    "Dass Schülerinnen und Schüler in ihren individuellen Fähigkeiten und Begabungen, Interessen und Neigungen gestärkt und bis zur vollen Entfaltung ihrer Leistungsfähigkeit gefördert und gefordert werden sollen."

    Jan Kwietniewski, Leiter der Beratungsstelle für besondere Begabungen:

    "Da gibt es keine zweite Meinung. Die darf es nicht geben. Das heißt, letztendlich sind die Schulen verpflichtet, dieses Merkmal als Differenzierungsmerkmal zu beachten. Also, sie sind verpflichtet, jedem hochbegabten Kind eine entsprechende Förderung zu gewähren. Da ist die Lage klar. Theoretisch."
    Doch die Praxis sieht anders aus: Es gibt durchaus staatliche Schulen in Hamburg, die entsprechende Konzepte haben, um besonders und hochbegabte Kinder fordern und fördern zu können. Doch gibt es auch Lehrkräfte, die das Thema ignorieren und Eltern wie Barbara Jüres wegschickten. Das größte Manko, hebt Kwietniewski hervor, ist die Ausbildung der Lehrkräfte.

    "Da kommt das Thema nicht verbindlich rein. Es bleibt letzten Endes dem Interesse oder der Motivation von einer einzigen Lehrkraft überlassen. Manche interessieren sich dafür und machen das im Bereich Wahlangebote. Andere nicht. Es führt aber dazu, dass dann in einer Klasse – lass’ uns erst mal die Grundschule nehmen, die Eltern nicht sicher sein können, hat sich meine Klassenlehrerin mit diesem Thema auseinandergesetzt. Ja oder nein."

    Es gibt in Hamburg die sogenannten "Schmetterlingsschulen" – Grundschulen von Klasse 1 bis 4, die sich zum Ziel gesetzt haben, die besonderen Begabungen von Kindern zu entdecken und zu fördern. Dafür haben sich Lehrkräfte extra fortbilden lassen. Doch keine dieser Schulen hat spezielle Hochbegabten-Klassen. Eine weitere Möglichkeit ist das Drehtür-Modell: Einige Schulen bieten an, dass Schüler – wenn sie in einem Fach besonders weit sind – am Unterricht einer höheren Klasse teilnehmen können oder für längere Zeit vom Unterricht befreit werden, um selbstständig an einem selbst gewählten Thema zu arbeiten. Dass Kinder eine Klasse überspringen, ist ebenfalls möglich.

    Separate Schulen eigens für Hochbegabte aber lehnen Bildungsexperten wie Thomas Trautmann, Professor an der Universität Hamburg, ab. Auch und vor allem, weil die Kinder ihre Klassen meist nicht verlassen wollen, an die sie sich gerade gewöhnt haben. Sie wollen nicht anders sein als die anderen Kinder.

    "Ich glaube, dass die Hochbegabten – wer auch immer das eigentlich ist, jeder Hochbegabte ist ja wirklich anders – dass die einfach auf dem Boden der Tatsachen bleiben müssen. Die haben es immer mit 98 sogenannten durchschnittlich Begabten zu tun. Also: Eine Segregation hochbegabter nur und ausschließlich unter sich, das halte ich für lebensfremd. Man tut den Leuten dann auch keinen Gefallen."
    Anders sieht er es im Fall der OKO Talent Schule. Für Kinder mit schulischen Minderleistungen scheint sie genau das Richtige zu sein. Denn:

    "Die sind hochbegabt. Aber stehen in schulischer Ausbildung einfach jenseits einer Grenze, die verhandelbar ist. Und OKO fängt sie nicht nur auf, sondern dreht auch das ganze Prinzip der Beschulung. Also, die Feedbacks, die ich bekomme von den drei Kindern, die auf OKO gehen und von meinen Studierenden begleitet werden, die sind einfach unglaublich."
    SPD-Schulsenator Ties Rabe hingegen ist noch nicht vom Erfolg privater Schulen wie der OKO Talent Schule überzeugt.

    "Für mich sind sie Ansporn, das staatliche Schulsystem besser zu machen."

    Und gibt damit zu: An den öffentlichen Regelschulen hapert es an der entsprechenden Förderung für besonders und hochbegabte Kinder. Natürlich, es ist ein hehrer Anspruch, das staatliche Schulsystem so aufzustellen, dass wirklich JEDES Kind entsprechend seiner Fähigkeiten gefördert wird. Das wünscht sich auch Jan Kwietniewski und teilt den Ansatz seines politischen Vorgesetzten. Doch zeigt sich für ihn täglich: Die Realität sieht anders aus:

    "Eine Einrichtung, die sozusagen als Alternative, eine ergänzende Schule ist, die muss es nicht geben, finde ich, hätten wir die Situation, dass in jeder Schule ein Mindestmaß an Wissen plus ein Mindestmaß an Angebot da ist. Plus: Es für jede Schule bei Lernschwierigkeiten ein funktionierendes Beratungssystem geben würde, schulintern wie schulextern, dann bräuchten wir eine Einrichtung wie OKO Private School nicht."
    Eltern wie Ute Haupt haben den Glauben an das staatliche Schulsystem verloren. Die Mutter des achtjährigen Erik vermutet hinter der Hamburger Bildungspolitik den Versuch der Gleichmacherei aus Angst vor Elite.

    "Was sehr, sehr bedauerlich ist, ist, dass man das Wort Elite nicht in den Mund nehmen darf. Denn diese Kinder sind ja eigentlich mit einem Potenzial versehen, dass sie später mal gute Arbeit leisten können. Wobei ich Elite auch wirklich nicht so meine, was Besseres ... Wir wollen nur, dass unsere Kinder einfach glücklich sind. Aber sie brauchen eine Ansprache, damit sie das entwickeln können, was sie als Potenzial einfach mitbringen."

    In den USA und Großbritannien bezeichnet man hochbegabte Kinder als "gifted children", als beschenkte Kinder, die speziell gefördert werden. Zum Wohle der Gesellschaft, wie es heißt. Diese Tradition gibt es in Deutschland nicht. Die Förderung Hochbegabter ist hierzulande längst nicht auf dem Niveau des angloamerikanischen Raums, auch wenn das Thema in den vergangenen Jahren mehr Beachtung gefunden hat. So haben einzelne Bundesländer staatliche Schulen gegründet, an denen Hochbegabte explizit gefördert werden. Zum Beispiel die Landesgymnasien Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg oder Sankt Afra in Sachsen. Privatschulen mit Schwerpunkt auf Hochbegabtenförderung sind etwa die Brecht-Schule in Hamburg oder die Christopherusschulen in Braunschweig, Rostock und Königswinter, diese allerdings sind kostenpflichtig.

    So wie die OKO Talentschule übrigens auch. Die monatliche Gebühr pro Schüler beträgt bis zu 250 Euro.

    Zurück zum Unterricht mit Deutschlehrer Harald Gebhardt.

    Josef von Eichendorffs "Aus dem Leben eines Taugenichts" – nichts, was die Jungs vom Hocker reißt. Doch die Zwölf- und 13-jährigen arbeiten mit, sind auch nach 60 Minuten noch relativ aufmerksam.

    "Also, es ist jetzt wesentlich besser, weil ich schreibe auch viel bessere Noten. Und der Unterrichtsstoff ist auch besser, weil es ist jetzt auch nicht mehr so langweilig und einfach. Ist auch wesentlich lockerer alles."
    Das Konzept der OKO Talent Schule scheint aufzugehen. Kinder, die früher als Underachiever in Regelschulen scheiterten, blühen hier auf, finden Freunde. Und das ist das Wichtigste, findet Professor Thomas Trautmann:

    "Letztlich ist es nicht wichtig, ob ein Kind hochbegabt oder durchschnittlich begabt ist. Sondern, dass es Lebenszufriedenheit hat."