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"Ausschließlich Angelegenheit des Eigentümers"

Der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt bewertet die Entscheidung von GM, Opel im Konzern zu belassen, als "ausschließlich Angelegenheit des Eigentümers". Zusätzliche Regierungshilfe für Opel, außerhalb des Deutschlandfonds, hält Hundt für unberechtigt.

Dieter Hundt im Gespräch mit Klemens Kindermann |
    Klemens Kindermann: Herr Hundt, die Beschäftigten von Opel erleben in diesen Tagen erneut schwierige Zeiten. General Motors hat den Verkauf von Opel gestoppt, GM kann das tun, weil der Konzern nun einmal Eigentümer von Opel ist. Wie bewerten Sie als Arbeitgeberpräsident diese unternehmerische Entscheidung von General Motors?

    Dieter Hundt: Ich kann verstehen, dass einige der Beteiligten, und zwar an verschiedenen Stellen, von der aktuellen Entwicklung überrascht sind und möglicherweise auch nicht zufrieden sind. Auf der anderen Seite sage ich ganz klar: Die Entscheidung über die Zukunft von Opel ist ausschließlich Angelegenheit des Eigentümers General Motors.

    Kindermann: Die Politik hat ja im Fall Opel teilweise geradezu fassungslos auf das Vorgehen von General Motors reagiert. Die Rückzahlung von Staatshilfen wurde sofort angemahnt, aber in der einen oder anderen Stellungnahme fiel doch auf, dass man sich in dieser Frage staatlicher Hilfen bewusst Hintertüren offen hält. Sollte sich Ihrer Meinung nach der Staat bei Opel engagieren, auch wenn das Unternehmen jetzt unter dem GM-Dach verbleibt?

    Hundt: Ich hatte schon im Sommer dieses Jahres Schwierigkeiten, zu verstehen, dass politische Überlegungen in doch beträchtlichem Umfang in der Diskussion mitberücksichtigt wurden, und auch die frühe Festlegung der Bundesregierung auf einen Interessenten war mir nur schwer verständlich.

    Gar kein Verständnis habe ich dafür, dass ein Überbrückungskredit in einer Größenordnung von 1,5 Milliarden Euro gegeben wurde, ohne dass juristisch verbindliche Zusagen eines Investors zum damaligen Zeitpunkt vorgelegen haben.

    Ich lehne grundsätzlich die Beteiligung des Staates in der Wirtschaft ab. Die Sanierung der Banken zum Ende des letzten Jahres ist ein anderes Thema. Hier war die Bundesregierung und genauso andere Regierungen gezwungen, zur Aufrechterhaltung des Finanzkreislaufs sich einzuschalten. Darüber hinaus ist aber der Staat mit Sicherheit nicht der bessere Unternehmer, und deshalb ist die Frage, ob für Opel staatliche Unterstützung gewährt wird, dahin gehend zu prüfen, ob die Voraussetzungen erfüllt sind, die dieses im Rahmen des Deutschlandfonds ermöglichen. Da gibt es klare Kriterien, dass die Schwierigkeiten nicht auf die derzeitige schwere Finanz- und Wirtschaftskrise zurückzuführen sind und dass aussichtsreiche Geschäftsmodelle für die Zukunft vorliegen. Darüber hinaus halte ich jede zusätzliche Hilfe oder Unterstützung für unberechtigt.

    Kindermann: Man kann ja verstehen, dass der eine oder andere Ministerpräsident eines Landes, wo Opel-Standorte bestehen, Sorgen hat um die Arbeitsplätze, und da werden ja auch schon wieder Landesbürgschaften erwogen. Auch das wäre für Sie nicht der geeignete Weg, oder?

    Hundt: Es gab Bürgschaften in den Ländern schon vor der Krise. Wenn entsprechende Voraussetzungen erfüllt sind, kann ich mir das auch aktuell vorstellen. Wir dürfen uns allerdings nicht von Problemen eines Großkonzerns blenden lassen, die natürlich in ihrem Ausmaß beträchtlich sind - hinsichtlich der Zahl der betroffenen Arbeitnehmer und dergleichen mehr.

    Auf der anderen Seite gibt es eine Vielzahl von mittelständischen Unternehmen, die in gleichen Schwierigkeiten sind, die die Krise in vollem gleichem Ausmaß getroffen hat. Und hier muss sichergestellt werden, dass große und kleinere und kleinste Unternehmen gleichbehandelt werden.

    Kindermann: Also keine "Lex Opel"?

    Hundt: Keine Lex XY.

    Kindermann: XY, okay. Herr Hundt, General Motors hat ja als Grund für den Kurswechsel bei Opel das verbesserte geschäftliche Umfeld angegeben, in den USA ist man ja auch tatsächlich dabei, das Ende der Rezession auszurufen. Wie sieht es denn hier bei uns aus, haben die deutschen Unternehmen die Talsohle auch schon durchschritten?

    Hundt: In Deutschland und genau so in anderen wichtigen Wirtschaftsländern sind die verschiedenen Branchen der Wirtschaft ja unterschiedlich stark betroffen. In Deutschland sind insbesondere die Automobilindustrie, die Zuliefererindustrie, die Stahlindustrie, die chemische Industrie durch die Krise beträchtlich gebeutelt.

    Der Konsum hat sich einigermaßen stabil gehalten. In diesen Bereichen der gewerblichen Tätigkeit des verarbeitenden Gewerbes gibt es seit einigen Wochen inzwischen Anzeichen dafür, dass der Tiefpunkt hinter uns liegt. Und ich meine mit einem gewissen Optimismus zu erkennen, dass wir uns tatsächlich auch auf einem Weg einer wirtschaftlichen Verbesserung befinden, allerdings unverändert auf einem unzureichend tiefen Niveau. Und bei allem Optimismus ist sicherlich davon auszugehen, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis wir alte Erfolge der Wirtschaft wieder erzielen.

    Kindermann: Viele Konzerne aus dem Dax und MDax haben in den letzten Tagen ihre Quartalsergebnisse vorgelegt. Das entspricht ungefähr dem, was Sie gerade gesagt haben. Wie sieht es denn im Mittelstand aus? Ist da die Entwicklung ähnlich?

    Hundt: Die Entwicklung im Mittelstand ist ähnlich dem in den betroffenen Konzernen der betroffenen Branchen. Es gibt verstärkte Exporttätigkeit im Maschinenbau, auch im Automobil- und Automobilzuliefererbereich. Die wirtschaftliche Erholung in den Vereinigten Staaten - es ist gerade das Wachstum des letzten Quartals mit 3,5 Prozent veröffentlicht worden -, darüber hinaus auch in China und Indien führt dazu, dass bei unserer exportorientierten deutschen Industrie tatsächlich eine Entspannung erfolgt und wieder mehr produziert und geliefert, vor allem auch exportiert werden kann - auf einem allerdings insgesamt immer noch sehr, sehr niedrigen Niveau.

    Kindermann: Schauen wir mal auf den Arbeitsmarkt. Da waren ja eigentlich für diesen Herbst schlimme Zahlen befürchtet worden, aber die letzten Berichte der Bundesagentur für Arbeit sahen etwas besser aus. Wie ist denn Ihre Prognose für den bevorstehenden Winter und vor allem - Arbeitslosigkeit ist ja immer ein nachlaufender Faktor: Was für Zahlen werden wir im nächsten Jahr 2010 sehen?

    Hundt: Ich war persönlich schon zu Beginn des Jahres optimistisch, dass die ganz dramatisch schlechten Prognosen für den Arbeitsmarkt im Verlaufe dieses und auch im Verlauf des nächsten Jahres nicht in vollem Umfang eintreffen werden, und ich freue mich darüber, dass ich ganz offensichtlich zunehmend recht behalte.

    Ich denke, dass wir in diesem Jahr die kritische Zahl von vier Millionen Arbeitslosen nicht erreichen werden, und ich habe unverändert die Hoffnung und die Erwartung, dass es auch im nächsten Jahr - obwohl die Arbeitslosigkeit noch etwas zunehmen wird - nicht sehr nennenswert über die 4-Millionen-Grenze geht.

    Kindermann: Wir sprechen mit dem Präsidenten der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände Dieter Hundt. Dass es bei der Zunahme der Arbeitslosigkeit nicht so schlimm gekommen ist wie befürchtet, wird vor allem auf die Kurzarbeiterregelung zurückgeführt.

    Die Große Koalition hatte den Bezug des Kurzarbeitergeldes ja auf 24 Monate ausgedehnt. Jetzt will der neue Arbeitsminister, Franz Josef Jung, wie er sagt, grundsätzlich eine Verlängerung der Regelung vornehmen. Ist das aus Ihrer Sicht eine richtige Maßnahme der neuen Bundesregierung?

    Hundt: Die beschlossenen Erleichterungen für die Durchführung von Kurzarbeit, die im Wesentlichen auch auf eine sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Sozialpartnern - dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände - zurückzuführen ist, haben sich zweifelsohne hervorragend bewährt, haben dazu beigetragen, dass die Unternehmen - was in ihrem grundsätzlichen Interesse ohnehin ist - in größtmöglichem Umfang Beschäftigte an Bord gehalten haben, schon auch mit Blick auf den erforderlichen Fachkräftebedarf nach der Krise.

    Wir hatten in der Spitze in diesem Sommer 1,3, 1,4 Millionen Kurzarbeiter, und diese Zahlen und diese Entwicklung hat auch den Arbeitsmarkt um eine Größenordnung von fast einer halben Million Arbeitslose entlastet. Kurzarbeit ist, trotz aller Erleichterungen, für die Unternehmen unverändert teuer und nur über einen begrenzten Zeitraum durchzuführen - über einen Zeitraum, zu dem die Hoffnung besteht, dass das Ende der Krise zu erkennen ist. Insofern halte ich von einer Verlängerung der Kurzarbeit über den Zeitraum von 24 Monaten hinaus praktisch nicht sehr viel, gehe auf der anderen Seite davon aus, dass die Kurzarbeitsregelungen, wie sie bestehen, auch im Jahr 2010 aufrechterhalten werden.

    Kindermann: Es gibt ja aus den Reihen der Gewerkschaften Forderungen, dass man die Kurzarbeiterregelung für die nächsten zwei Jahre fortschreiben soll. Das würden Sie dann wahrscheinlich ablehnen, oder?

    Hundt: Ich bin der Meinung, dass weitergehende Vereinbarungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angemessen sind. Wir sollten jetzt die weitere Entwicklung betrachten und uns gegebenenfalls im Verlauf des nächsten Jahres mit diesem Thema nochmals beschäftigen, wenn wir die Arbeitsmarktdaten zu diesem Zeitpunkt kennen.

    Kindermann: Wobei auch gefordert wird, dass man noch vor der eigentlichen Tarifrunde im Frühjahr 2010 - das kommt aus der IG Metall -, dass man noch vorher über die Sicherung von Arbeitsplätzen verhandeln will, also nicht in der Tarifrunde selbst erst. Wie stehen Sie solchen Forderungen gegenüber?

    Hundt: Es gibt jetzt ganz aktuelle Überlegungen seitens der IG Metall, dass bestehende Tarifverträge, beispielsweise über die Reduktion der Arbeitszeit in der Metall- und Elektroindustrie, unter die derzeitige Grenze von 30 Stunden pro Woche verhandelt werden soll. Das ist Angelegenheit der Vertragspartner dieser Branche. Ich stehe derartigen Überlegungen vom Grundsatz her durchaus positiv gegenüber.

    Kindermann: Sie haben es eben selbst gesagt: Für die Wirtschaft ist das ja eigentlich ein recht teures Instrument, die Kurzarbeit. Wie weit reicht denn die Belastungsfähigkeit der Unternehmen bei den Kosten noch?

    Hundt: Bei Kurzarbeit verbleiben Remanenzkosten in einer Größenordnung von etwa 20 bis 25 Prozent. Das sind zusätzliche Kosten, die der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer hat - Feiertage, Krankheit, Urlaube, Zuzahlungen. Und dieses ist eine beträchtliche Belastung, die eben nur über einen überschaubaren Zeitraum verkraftet werden kann. Deshalb bin ich der Meinung, dass eine Kurzarbeitszeitverlängerung über die 24 Monate hinaus in der Praxis wenig Relevanz hat.

    Kindermann: IG-Metall-Chef Berthold Huber hat ja angesichts der Krise Zurückhaltung bei den Entgeltforderungen signalisiert. Sind denn für die Beschäftigten im nächsten Jahr überhaupt Lohnerhöhungen drin?

    Hundt: Schon der erfreuliche wirtschaftliche Aufschwung der Jahre 2005 bis 2008 war auf eine angemessene Lohnpolitik zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften zurückzuführen. Darüber hinaus hat sich die Sozialpartnerschaft ganz besonders auch in der Krise seit Ende des letzten Jahres bewährt.

    Es ist gelungen, in einer Vielzahl von Fällen Regelungen für die Betriebe zu finden zwischen den Betriebsparteien und auch mitgetragen von den Gewerkschaften, die dazu beigetragen haben, die negativen Auswirkungen der Krise zu begrenzen. Die Sozialpartnerschaft hat sich also im Verlauf der letzten fünf Jahre sehr gut bewährt. Und ich gehe davon aus, dass dieses auch für die vor uns liegende Zeit der Fall sein wird und halte deshalb die Betrachtung des IG Metall-Vorsitzenden der Situation für angemessen, dass im Moment sicherlich nicht die Zeit ist, im größeren Umfang Lohnsteigerungen zu fordern oder gar zu vereinbaren, sondern, dass wir uns weiterhin, wie dieses in der Vergangenheit der letzten Monate geschehen ist, gemeinsam darum bemühen, das Beschäftigungsniveau so hoch wie möglich zu halten.

    Kindermann: Kommen wir noch mal von einer anderen Seite zur wirtschaftlichen Situation der Unternehmen, zur Frage der Kreditklemme. Die Banken dementieren das ja, dass es das gibt. Wie sieht es denn Ihrer Auffassung nach vor Ort aus? Haben die Firmen genug Kreditlinien?

    Hundt: Wir haben die für mich etwas gespenstische Diskussion, ob eine Kreditklemme besteht oder nicht. Diese Diskussion hilft uns mit Sicherheit nicht weiter. Fakt ist, dass es für die Unternehmen zunehmend schwieriger wird, in ausreichendem Umfang von den Kreditinstituten zu verkraftbaren Konditionen Kredite zu erhalten. Und gerade, wenn wir jetzt in einer Phase eines leichten wirtschaftlichen Aufschwungs sind, wird der Kreditbedarf der Unternehmen größer - zur Finanzierung ihrer Investitionen und ihres Betriebs insgesamt.

    Auf der anderen Seite werden jetzt zunehmend die schlechten Ergebnisse des Jahres 2009 veröffentlicht. Das führt teilweise zu Wertberichtigungen bei den Bankinstituten, teilweise zu einer verschlechterten Bonität der Firmen und damit zu einer Verteuerung der Kredite, teilweise auch zu einer Erhöhung der notwendigen Bürokratie, um an Kredite zu kommen. Und diese Schere besorgt mich ganz besonders stark und ist aus meiner Sicht das vorrangige Problem. Und dass wir hier zu Lösungen kommen, die ausreichende Kreditgewährung an die Unternehmen sicherstellen, ist eine Voraussetzung dafür, dass der sich abzeichnende Aufschwung nicht behindert oder gar gefährdet wird.

    Kindermann: Herr Hundt, wie können denn solche Lösungen aussehen?

    Hundt: Wir müssen gewisse Vereinfachungen schaffen in der Kreditgewährung. Ich plädiere nach wie vor, mit allem Nachdruck zu versuchen, die Kriterien von Basel II. zeitlich limitiert zu lockern. Möglicherweise ist auch die unbürokratische Vergabe von Mitteln direkt durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau an die Unternehmen mit einem geschäftsfähigen Zukunftsmodell eine Lösung in dieser Richtung.

    Wir sollten insgesamt auch den Verbriefungsmarkt wieder reaktivieren. Bedauerlicherweise ist das aufgrund der Vorkommnisse, die diese derzeitige Finanzkrise ausgelöst haben, negativ besetzt. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass vor der Krise der Verbriefungsmarkt gerade auch in Deutschland hervorragend funktioniert hat und die Ausfallquote sehr gering war. Wenn wir hier wieder zu einem funktionierenden Verbriefungsmarkt kommen, ist dieses sicherlich eine wesentliche Erleichterung für die Erfüllung der Krediterfordernisse der Unternehmen, und zwar sowohl der großen als auch der mittelständischen kleinen und kleineren.

    Kindermann: Wobei Union und FDP es ja im Koalitionsvertrag ausdrücklich genannt haben, dass die KfW nicht im Wettbewerb mit privaten Banken und Sparkassen stehen soll.

    Hundt: Ich sehe die Gefahr eines Wettbewerbs auf diesem Sektor nicht, sondern ich bin der Ansicht, dass der Kreditbedarf der Unternehmen durchaus vorübergehende Sonderregelungen rechtfertigt, womit die KfW nicht in eine Konkurrenzsituation zu den Bankinstituten kommt, sondern im Gegenteil dazu beiträgt, dass die restriktiven Regelungen für die Kreditinstitute auf einem anderen Weg vorübergehend außer Kraft gesetzt werden können.

    Kindermann: Im Interview der Woche sprechen wir mit dem Präsidenten der Bundesvereinigung der deutschen Arbeitgeberverbände Dieter Hundt. Zu den Steuereinnahmen, da hat ja im Koalitionsvertrag die schwarz-gelbe Bundesregierung viel versprochen, insbesondere auf Betreiben der FDP eine deutliche Steuerentlastung angekündigt. Gibt es jetzt einseitig nachträgliche Wahlgeschenke für die Besserverdienenden und die Wirtschaft?

    Hundt: Zunächst einmal akzeptiere ich, dass wir uns im Zusammenhang mit den Maßnahmen zur Eingrenzung der negativen Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise, die richtig waren, hinter denen ich stehe, hoch verschuldeten. Insofern muss Konsolidierung der Haushalte auf allen Ebenen - Bund, Länder und Kommunen - eine vorrangige Aufgabe für die Zukunft sein, allerdings erst, wenn die Wirtschaft wieder so weit in Schwung ist, dass die derzeitigen Probleme überwunden werden.

    Das heißt, in größerem Umfang Steuerentlastungen, so schön die für alle Beteiligten sind, werden in absehbarer Zeit nur sehr eingeschränkt möglich sein. Was wir umgehend benötigen seitens der Wirtschaft, ist eine Korrektur der krisenverschärfenden Elemente in der Unternehmens- und der Erbschaftssteuerreform. Hier müssen kurzfristig Änderungen vorgenommen werden, die der aktuellen Situation in dieser Krise entsprechen. Hierfür sind im Koalitionsvertrag auch konkrete Maßnahmen vorgesehen, die sich in einer Größenordnung einer Einsparung für die Wirtschaft von etwa zwei Milliarden Euro auswirken. Dies ist aber dringend erforderlich, um Arbeitsplätze zu erhalten, den Wirtschaftsaufschwung zu unterstützen und damit die Voraussetzung zu schaffen, dass neue Arbeitsplätze entstehen.

    Die Kritik, dass der Koalitionsvertrag eine soziale Schieflast enthalte, ist für mich nicht nachvollziehbar, ist unberechtigt. Die Bürger werden nach dem Koalitionsvertrag um eine Größenordnung von über 40 Milliarden Euro entlastet. Das ist die Absetzbarkeit der Krankenversicherungs- und Pflegeversicherungsbeiträge mit einer Größenordnung von etwa 14 Milliarden Euro und einer Erhöhung des Kindergelds und der Freibeträge von etwa fünf Milliarden Euro und dann vor allen Dingen die geplante Steuerreform zur Abschaffung der kalten Progression für die qualifizierten Mittelverdiener in einer Größenordnung von 24 Milliarden Euro, also kurzfristige Entlastung der Unternehmen um zwei Milliarden und eine Größenordnung von über 40 Milliarden für die Bürger ist nun meines Erachtens wirklich keine Relation, die die Kritik einer sozialen Schieflage zulässt.

    Kindermann: Herr Hundt, wenn Sie nach diesen Berechnungen als Wirtschaft ja dann doch eigentlich gar nicht so sehr begünstigt werden, dann ein anderes Thema. Diese Flexibilisierung des Arbeitsrechts, die Ihnen ja immer sehr am Herzen gelegen hat, sind Sie denn da zufriedengestellt worden im Koalitionsvertrag?

    Hundt: Ich bedaure sehr, dass im Koalitionsvertrag das Arbeitsrecht nicht berücksichtigt wurde. Ich akzeptiere auf der anderen Seite, dass die Bundeskanzlerin schon im Wahlkampf klar gesagt hat, dass sie an dieses Thema nicht heran will, dass Kündigungsschutz für sie auch nach der Wahl kein Thema sein wird. Das habe ich als Demokrat zu akzeptieren.

    Auf der anderen Seite sind die Arbeitgeber und die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände als Spitzenverband der deutschen Wirtschaft unverändert daran interessiert, den Kündigungsschutz zu flexibilisieren. Um Missverständnisse auszuschließen: Wir wollen bestehende Arbeitsverträge und bestehenden Kündigungsschutz nicht verändern und nicht einschränken. Wir fordern aber oder empfehlen dringend, dass für neu geschaffene Arbeitsverhältnisse anstatt des gesetzlichen Kündigungsschutzes auf freiwilliger Basis zwischen Unternehmen und Beschäftigtem vereinbart werden kann, dass ein fester Betrag zur Auszahlung kommt, wenn das Beschäftigungsverhältnis gekündigt werden muss, im Übrigen eine Regelung, wie sie ja auch auf der Grundlage der Rechtsprechung heute in einer Großzahl von Kündigungsschutzklagen ohnehin angewendet wird.

    Kindermann: Herr Hundt, letzte Frage: Am 24. November kommen die Arbeitgeber in Berlin zum Deutschen Arbeitgebertag zusammen. Auf der Mitgliederversammlung der BDA soll ein neuer Präsident wiederum für die Amtszeit von zwei Jahren gewählt werden. Sie stehen jetzt seit 13 Jahren an der Spitze der BDA. Werden Sie sich zur Wiederwahl stellen?

    Hundt: Meine persönliche Lebensplanung hat fest zur Grundlage gehabt, dass ich Ende dieses Jahres die Tätigkeit als Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände beende. Ich habe mich aber von unseren Gremien - und wichtigen Personen in unseren Verbänden und in der Wirtschaft insgesamt - davon überzeugen lassen, dass gerade in der jetzigen Zeit Kontinuität und Stabilität an der Spitze der Bundesvereinigung erforderlich und dringend notwendig sind, und habe dann nach intensiver Beratung mit meiner Frau mich auch bereit erklärt, im November nochmals mich für eine Periode von zwei Jahren zur Wahl zu stellen.

    Mir macht die Arbeit unverändert Freude. Ich sehe große Herausforderungen, gerade auch in den kommenden beiden Jahren, auf uns zukommen und ich werde versuchen, dazu beizutragen, dass wir Lösungen finden, die zu Wachstum und Beschäftigung in Deutschland führen, und freue mich auf die weitere Tätigkeit in diesem Spitzenamt.

    Kindermann: Herr Hundt, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

    Hundt: Ich danke Ihnen.