
Der bisherige österreichische Bundeskanzler und ÖVP-Chef Nehammer hatte seinen Rücktritt angekündigt, nachdem die Koalitionsverhandlungen mit der sozialdemokratischen SPÖ und den liberalen NEOS gescheitert waren. Van der Bellen beauftragte daher den umstrittenen Chef der rechtsnationalen FPÖ, Kickl, mit der Regierungsbildung.
EU-Defizitverfahren soll abgewendet werden
Eine Themenliste für Koalitionsverhandlungen mit der ÖVP hatte Kickl bereits vor längerer Zeit erstellt. Dazu gehört etwa eine restriktivere Asylpolitik, die von den Konservativen mitgetragen werden könnte. Auch in der Wirtschaftspolitik gibt es etliche Übereinstimmungen mit den Konservativen. In der ersten Gesprächsrunde nun zeigten sich die beiden Parteien einig, dass sie vor dem Hintergrund des Milliarden-Lochs im Haushalt ein EU-Defizitverfahren abwenden wollen. Ein solches Verfahren würde die ohnedies notwendige wirtschaftliche "Wiederaufbauarbeit" für Österreich "politisch und maßgeblich erschweren", erklärten die Freiheitlichen.
Differenzen gibt es in der Außen-, Europa- und Sicherheitspolitik. Die ÖVP sieht Österreich - anders als die FPÖ - tief in der EU verankert und hat sich bisher stets klar für eine Unterstützung der Ukraine ausgesprochen. ÖVP-Obmann Stocker betonte denn auch, die wichtigsten Eckpfeiler für seine Parteien seien die Souveränität Österreichs gegenüber Einflussnahmen aus dem Ausland, insbesondere Russlands sowie die Rolle Österreichs als verlässlicher Partner in der EU.
Proteste gegen FPÖ-Kanzler
Gegen eine Regierung unter der Führung der rechtspopulistischen Partei haben am Abend zehntausende Menschen protestiert. Allein in Wien versammelten sich nach Behördenangaben etwa 25.000 Menschen vor dem Kanzleramt, nach Angaben der Veranstalter waren es doppelt so viele. Mit einer Menschenkette wollten die Teilnehmenden einem "rechtsextremen Bundeskanzler" symbolisch den Zugang zum politischen Machtzentrum der Republik versperren.
Proteste gab es auch in Innsbruck, Salzburg und Graz. Organisiert wurden die Demonstrationen von sozialen und kirchlichen Organisationen sowie von Gruppen, die sich für Umweltanliegen und Flüchtlinge einsetzen. In ihrem Protestaufruf hieß es, es drohe ein autoritärer Angriff auf Demokratie, Menschenrechte, Umweltschutz und den sozialen Zusammenhalt in Österreich.
Diese Nachricht wurde am 10.01.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.