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Außenpolitik im US-Vorwahlkampf
Amerika wird globalisierungsskeptischer

Der Republikaner Donald Trump sieht in Allianzen und Verbündeten nur Kosten, sein direkter Konkurrent Ted Cruz setzt sich für Flächenbombardement gegen den IS ein. Und das Bild ist bei den Demokraten kaum anders: Bernie Sanders will eine eher isolationistische Außenpolitik. Nur Hillary Clinton ist die liberale Internationalistin.

Von Marcus Pindur | 28.04.2016
    Das Siegel des US-Außenministeriums
    Das Siegel des US-Außenministeriums (dpa/picture alliance/Tim Brakemeier)
    Außenpolitik spielt in amerikanischen Wahlkämpfen keine Rolle – so zumindest eine der politikwissenschaftlichen Binsenweisheiten über die USA. Doch das ist in Zeiten der wirtschaftlichen Globalisierung und der globalisierten Terrorbedrohung offensichtlich nicht mehr richtig. Wie die Haltung der USA zur Welt, zum freien Handel, zu den Verbündeten und zu den Konkurrenten aussehen soll, wird in diesem Wahlkampf von allen Kandidaten thematisiert – auf unterschiedliche Art und Weise.
    Die einzige liberale Internationalistin im klassischen Sinne im Kandidatenrennen ist Hillary Clinton. Sie hat in ihrer Zeit als Außenministerin unter Präsident Obama stets für ein klares internationales Engagement gegenüber Freund und Feind geworben, und teilweise auch für ein sehr viel robusteres Engagement als Obama. So war sie für die weitere Stationierung amerikanischer Truppen im Irak nach 2011 und für die Bewaffnung der Opposition gegen Assad in Syrien nach dem Beginn des dortigen Bürgerkrieges.
    Clinton schätzt das Nato-Bündnis
    Hillary Clinton hat darüber hinaus – anders als ihre Mitbewerber – als ehemalige Außenministerin eine große Wertschätzung für die Bündnissysteme und die Bündnispartner der USA, allen voran die Nato. In einer Grundsatzrede an der Stanford-University in Kalifornien betonte sie, in einer Zeit globaler Bedrohungen seien die internationalen Allianzen der USA extrem wichtig – für alle Beteiligten:
    "Besonders die Nato gehört zum Besten, was wir jemals international vereinbart haben. Vom Balkan bis Afghanistan teilen unsere Verbündeten die Lasten und die Opfer. Würden wir uns von unseren Verbündeten abwenden oder unsere Bündnisse in eine Art Schutzgelderpressung umwandeln, würden wir die Ergebnisse von jahrzehntelanger Führung der USA zunichtemachen. Das wäre ein gefährliches Signal an Freund und Feind. Putin will Europa spalten. Wenn Donald Trump Präsident wird, dann wird das ein Weihnachtsfest für den Kreml. Es wird Amerika weniger sicher machen und die Welt gefährlicher."
    Es sei richtig, dass die Europäer mehr in ihre Sicherheit investieren müssten. Als ein positives Beispiel hob Hillary Clinton übrigens das jüngst verabschiedete Investitionsprogramm der Bundesregierung für die Bundeswehr hervor.
    Der polemische Seitenhieb über die Schutzgelderpressung richtet sich klar an ihren republikanischen Konkurrenten Donald Trump.
    Für Trump sind Allianzen und Verbündete lediglich ein Kostenfaktor, dessen sich der amerikanische Steuerzahler entledigen sollte.
    "Die Europäer müssen mehr Geld auf den Tisch legen. Wir zahlen unverhältnismäßig viel ein. Wir zahlen zu viel, und außerdem haben wir heute eine andere Welt als damals, als die Nato gegründet wurde. Wir tragen zum Beispiel den Großteil der Hilfe für die Ukraine. Wir sollten die Nato behalten, aber viel weniger bezahlen."
    Trump lässt Außenpolitik links liegen
    Welche Folgen es für die amerikanische und europäische Sicherheit hätte, wenn die USA sich weiter aus der Nato zurückziehen würden, ist für Trump kein signifikanter Faktor.
    Unkenntnis und Arroganz gehen in seinen außenpolitischen Urteilen oft eine fatale Liaison ein. Falls Südkorea und Japan nicht mehr für die amerikanischen Truppen zahlen würden, die dort stationiert sind, dann sollten die USA einfach aus diesen Ländern abziehen. Das dies angesichts des chinesischen Expansionsgehabes für die Stabilität in Südostasien katastrophal wäre, nimmt Trump nicht zur Kenntnis.
    Der Immobilienmilliardär hatte lange Zeit überhaupt kein außenpolitisches Beraterteam, kein Experte wollte angesichts der überdrehten Forderungen Trumps - zum Beispiel dem Bau einer Mauer zu Mexiko, die Mexiko bezahlen soll – mit ihm in Verbindung gebracht werden.
    Bernie Sanders will neue Außenpolitik
    In ihrer Ablehnung globaler Vernetzung und internationaler Sicherheitsbeziehungen sind sich der Rechtspopulist Trump und der Linkspopulist Sanders durchaus ähnlich. Bei Sanders stehen die Freihandelsverträge wie NAFTA, TPP und TTIP im Vordergrund – die globale Wirtschaftsvernetzung der USA habe katastrophale Folgen für viele amerikanische Arbeitnehmer gehabt, so Sanders. Die xenophobischen Töne Trumps lehnt Sanders dagegen deutlich ab. Doch in sicherheitspolitischen Fragen hat der Senator aus Vermont in der Regel auch isolationistische Instinkte.
    "Ich bewerbe mich, weil ich eine neue Außenpolitik will. Eine Außenpolitik, die es mit dem Islamischen Staat aufnimmt und ihn zerstört, aber uns nicht in einen ewigen Krieg im Nahen Osten verwickelt. Ich will eine Große Koalition mit den reichen Staaten der Region, mit muslimischen Truppen am Boden."
    Auch Hillary Clinton hat sich gegen eine großflächige Stationierung amerikanische Bodentruppen im Nahen Osten ausgesprochen. Doch während Sanders am liebsten das US-Engagement auf ein absolutes Minimum reduzieren würde, will Clinton weiterhin das weltweite Bündnissystem der USA pflegen, stabilisieren und bei Bedarf auch ausweiten.
    Clinton hat sich bereits vor Jahren von ihrem damaligen Votum für den Irak-Krieg distanziert, doch dieses Votum ist immer noch eine politische Hypothek für sie, und Sanders weist stets darauf hin, dass er 2003 gegen den Irak-Krieg gestimmt hat. Sanders hat allerdings auch 1991 gegen den in den USA weit unumstritteneren Golfkrieg gestimmt, mit dem Saddam Hussein aus Kuwait vertrieben wurde.
    Ted Cruz für Flächenbombadierungen gegen IS
    Ted Cruz, Senator aus Texas, ist der einzige Kandidat, der für eine aggressivere Kriegsführung der USA eintritt. Er hat in einer der Fernsehdebatten für ein Flächenbombardement gegen den IS plädiert. Dies hat ihm Kritik von seinen Gegnern und militärischen Experten eingetragen, zum Beispiel dem ehemaligen Nato-Oberkommandierenden James Stavridis. Cruz´ Vorschläge seien nicht nur ungeeignet, sondern auch völkerrechtswidrig.
    Insgesamt zeigen die außenpolitischen Positionen der Kandidaten das Bild eines Amerikas, das sich militärisch deutlich weniger in den Krisenregionen der Welt engagieren will. Und was internationale Handelsabkommen betrifft, hat sich eine deutliche Skepsis breitgemacht. Selbst Hillary Clinton, die als Außenministerin deutlich für das Transpazifische Freihandelsabkommen TPP eingetreten ist, lehnt dieses mittlerweile ab.
    Egal, wer am Ende das Rennen macht: Die Europäer müssen sich auf ein deutlich globalisierungsskeptischeres Amerika einrichten. Und selbst, wenn die erklärte Transatlantikerin Hillary Clinton Präsidentin werden sollte, werden die Europäer in Zukunft mehr zur gemeinsamen Sicherheit beitragen müssen.