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Außenseiter der Kunst

Balthus hat es seinen Zeitgenossen nicht leicht gemacht. Um 1930 studierte er als Autodidakt die alten Meister der Malerei in Frankreich und Italien. Dann schuf der Pariser mit seiner figurativen Kunst rätselhafte Bildwelten, die auch Skandale hervorrufen konnten. Zeitlebens blieb er seinem eigenen Malstil treu, der sich nie einer bestimmten Schule zuordnen ließ.

Von Björn Stüben | 29.02.2008
    "On me détestait les peintres, il y avait que Picasso qui prenait ma défense. Il se brouillait avec beaucoup de gens qui trouvaient que j’étais un peintre fasciste."

    Die Maler hätten ihn verachtet. Nur Picasso habe ihn verteidigt gegen all jene, die in ihm einen faschistischen Künstler sahen. Der Maler Balthus blickt als über 90-jähriger zurück auf die mühsamen Anfänge seiner Karriere im Paris der späten 20er Jahre. Der Autodidakt hat sich, sehr zum Missfallen seiner Malerkollegen, ganz der figurativen Kunst verschrieben, geschult an den Werken der alten Meister, die er unermüdlich im Louvre besucht und kopiert.

    Balthus, eigentlich Balthasar Klossowski, wird im Schaltjahr 1908 am 29. Februar als Spross einer großbürgerlichen und kunstinteressierten Familie mit deutsch-polnischen Wurzeln in Paris geboren. Beide Eltern sind Maler. In diesem Umfeld macht Balthus bereits als Kind die Bekanntschaft von Künstlern wie Monet oder Bonnard. Später zieht er mit seiner Mutter Baladine in die Schweiz zu deren neuen Lebensgefährten Rainer Maria Rilke, der die frühen künstlerischen Ambitionen des jungen Balthus fördert. 1926 dann findet Balthus seinen Meister in Italien. Er studiert die Fresken des Frührenaissancemalers Piero della Francesca im toskanischen Arezzo und gelangt zu der Einsicht:

    "Die wahre Modernität liegt in der Neuschöpfung der Vergangenheit, in der Ursprünglichkeit, die man bei jenen Meistern findet, in ihren Erfahrungen und Entdeckungen. Der Maler ist nichts im Abenteuer der Malerei. Er ist nur eine Hand, ein Werkzeug oder eine Brücke. Er überträgt, er führt, weiß selbst nicht immer, wohin er geht, handelt aber wie ein Traumübermittler dessen, was noch ungewusst, unlesbar und geheim ist."

    Balthus Bilder geben Rätsel auf. Sein Werk "La Rue", das er 1933 malt und das heute im New Yorker Museum of Modern Art hängt, scheint eine fiktive Bühne darzustellen, auf der Statisten, Marionetten nicht unähnlich, völlig ohne Beziehung zueinander auftreten. Eine geheimnisvolle Spannung bestimmt das Bild. War Balthus ein Surrealist?
    "Der Surrealismus ist völlig gekünstelt und unecht. Alberto Giacometti hat sich oft mit André Breton angelegt. Denn Breton behauptete, jeder wisse doch, wie ein Kopf aussehe. Alberto aber entgegnete ihm, er wisse es nicht. So stritten wir uns mit den Surrealisten."

    In den Bereich des Irrealen vorzudringen und ihn ins Bild zu setzten, das wollte Balthus so wenig wie sein engster Freund Giacometti. Bei seiner ersten Einzelausstellung 1934 in einer Pariser Galerie sucht Balthus offenbar bewusst die Provokation. Erotisch aufgeladene Bilder junger Mädchen, die sich unschuldig auf Diwanen räkeln oder in Gedanken versunken ihr eigenes Spiegelbild betrachten, sorgen für einen Skandal. Doch Balthus bleibt diesem Motiv zeitlebens treu.

    "Es wird behauptet, meine unbekleideten jungen Mädchen seien erotisch. Ich habe sie nie in dieser Absicht gemalt. Das hätte sie anekdotisch, geschwätzig erscheinen lassen. Ich wollte sie aber gerade mit einer Aureole des Schweigens und der Tiefe umgeben, gleichsam einen Taumel um sie erzeugen. Deshalb habe ich sie stets als Engel betrachtet."

    Balthus findet dennoch Bewunderer seiner Kunst, die ihn finanziell unterstützen. Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Stunde der Abstraktion schlägt, gilt sein konsequent figürlicher Stil in Paris als reaktionär. Balthus zieht sich mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen auf ein verfallenes Schloss im Burgund zurück. Fernab der Metropole Paris entstehen enigmatische Landschaftsbilder, die an Giotto erinnern.

    Auf seine vermeintlich aristokratische Herkunft anspielend nennt er sich jetzt Graf Balthazar Klossowski de Rola. 1961 beruft ihn der französische Kulturminister André Malraux zum Direktor der Académie de France an die Villa Medici in Rom, wo er seine zweite Frau, die Japanerin Setsuko, kennenlernt. 1977 bezieht Balthus mit seiner Frau und der 1973 geborenen Tochter ein großes Chalet in Rossinière östlich des Genfer Sees. Zurückgezogen setzt er hier seine ständige Suche als Künstler fort.

    "Die Suche war immer ein Element, eigentlich sogar der Motor unserer Arbeit als Künstler. Die Maler des frühen 15. Jahrhunderts allerdings haben nie wirklich gesucht, sie haben immer direkt Neues gefunden. Das lag damals wohl so in der Luft."

    Balthus wird in seinem Alterswerk jedoch nicht mehr fündig. Die Qualität seiner Bilder aus den 30er Jahren bleibt unerreicht. Der Maler wird von einer Schar prominenter und treuer Anhänger, von David Bowie über Richard Gere bis Tony Curtis, bei Besuchen im noblen Schweizer Alterssitz gefeiert. Bis zu seinem Tod am 18. Februar 2001 stilisiert sich Balthus hier immer als der große Außenseiter der Kunst des 20. Jahrhunderts, der seinem Credo treu blieb:

    "Malen, wie man betet. Auf diesem Weg Zugang zur Stille, zum Unsichtbaren erlangen. Da es meist Schwachköpfe sind, die produzieren, was man zeitgenössische Kunst nennt, Künstler, die nichts von Malerei verstehen, bin ich nicht sicher, ob man diesem Gedanken aufmerksam folgen oder mich verstehen wird. Unwichtig. Die Malerei genügt sich selbst."