Für die etablierte Schweizer Gesellschaft der 1950er und 60er Jahre war er natürlich ein Außenseiter - aber er hatte sich gut vernetzt: Friedrich Kuhn, 1926 geboren, war eine eindrucksvolle, barocke Figur der Züricher Bohème - und bekennender Autodidakt. In der kleinen Schweiz gab es damals keine Kunstakademien. Allerdings war die Vermittlung der klassischen Moderne, anders als im nazidominierten Deutschland, nie wirklich unterbrochen worden.
Kuhn konnte also durchaus aus den Vollen schöpfen. Und die kleine Schweiz, sagt die Kunsthaus-Kuratorin Bice Curiger, hatte schon damals eine selbstbewusste Szene:
"Kuhn verbringt ein paar Jahre in Bern, Anfang der 50er Jahre. Franz Mayer war da, der spätere Direktor des Kunstmuseums Basel, Eugen Gomringer, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Harald Szeemann saß da in den Kneipen, Meret Oppenheim. Das war kosmopolitan, eine anregende Künstlerszene."
In Zürich beginnt Kuhn mit Motiven, die ihn vom Establishment abgrenzen: Gaukler, Zirkus, Karneval, wie der frühe Picasso. Dann werden die Bilder voller und reicher ornamentiert, allerdings jenseits geläufiger Bildkomposition: Man sieht kubistische Einflüsse, Elemente von Max Ernst, Klee, Ensor, auch die in den 60er Jahren stark diskutierte Art Brut, also psychische Grenzgänger wie Wölfli oder Soutter.
"Und dann kommen, was Paul Nizon, was der Schriftsteller und Freund von Kuhn, als 'Vermöbelung', die verwildernden Möbel apostrophiert hat: Das sind pseudokubistische Geschwüre, die persiflieren den Kubismus, sind aber eigentlich auch Möbel, die das Symbol der Rechtschaffenheit korrodieren, vom Inneren her …"
Die Ausstellung macht deutlich, wie da etwas Triebhaftes in die eigentlich geregelte Schweizer Welt, in die bewährte Bildkomposition einbricht, über die Bildfläche wuchert, weiterwächst und hinauswill. Revolutionärer Karneval mit Bleistift, seltsame, sich fortzeugende Maschinen in Öl, wie sie später Tinguely dann wirklich gebaut hat, aus hellem Alkohol-Nebel tretende Brautpaare - während man in den 60ern wild abstrakt malte oder aber konzeptuell dachte, blieb Kuhn der Figur und der Wirklichkeit verhaftet. Das Abstrakte wurde eher spielerisch integriert.
Auf Aktionen und Performances, die als Film erhalten sind, zermatscht der Künstler beim großen Fressen lustvoll Gurken und Kohlköpfe. Und wenn er von seinem ärmlichen Elternhaus beim Burghölzli (in der Nähe steht die Psychiatrie) mit einem weißen Jaguar hinunterfuhr in die Stadt in sein zweites Atelier, dann standen die Bürger und glotzten.
Gleichwohl: der Tod fährt immer mit. Kuhns Vater war Holzschnitzer und Grabbildhauer, auch der Sohn hat das Schnitzen gelernt. Die vielleicht auch daraus resultierende Ornamentik tritt dann bei den Bildern langsam in den Vordergrund …
Nach einem Zusammenbruch beginnt Kuhn in den 60er Jahren noch einmal neu: Die Palme wird für ihn zum optimistischen Lebensmotiv, bunt bemalte hölzerne Skulpturen, die ihre Blätter wie Finger recken, ganze Palmen-Parks. Kuhn entwickelt Hybrid-Formen: Zeichnung, Öl, ausgeschnittene Realien (wie etwa Verpackungen und Sahnebecher), alles wird gemixt, übereinandercollagiert. Die Farben sind poppig grell, die Motive der Massenkultur entnommen: High Heels und Unterwäsche.
Für die Expo 1964 malt Kuhn ein düsterblaues Riesenpanorama einer untergehenden Schweiz, seine Polyester-Skulpturen bleicher Frauengestalten schneidet er auseinander und montiert die versehrten Teile neu - oder er malt in die aufgeklappte Hohlform hinein. In Amerika zeigen Ed Kienholz und George Segal zur gleichen Zeit ähnliche, gesichtslose Repräsentanten der Entfremdung.
Friedrich Kuhn aber ist in Zürich geblieben und hat sich dort langsam zu Tode getrunken - ein Meister der "Konventions-Blasphemie", wie sein Freund, der Schriftsteller Paul Nizon, ihm nachrief. Ein eigenwilliger Kopf, den es zu entdecken gilt.
Kuhn konnte also durchaus aus den Vollen schöpfen. Und die kleine Schweiz, sagt die Kunsthaus-Kuratorin Bice Curiger, hatte schon damals eine selbstbewusste Szene:
"Kuhn verbringt ein paar Jahre in Bern, Anfang der 50er Jahre. Franz Mayer war da, der spätere Direktor des Kunstmuseums Basel, Eugen Gomringer, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Harald Szeemann saß da in den Kneipen, Meret Oppenheim. Das war kosmopolitan, eine anregende Künstlerszene."
In Zürich beginnt Kuhn mit Motiven, die ihn vom Establishment abgrenzen: Gaukler, Zirkus, Karneval, wie der frühe Picasso. Dann werden die Bilder voller und reicher ornamentiert, allerdings jenseits geläufiger Bildkomposition: Man sieht kubistische Einflüsse, Elemente von Max Ernst, Klee, Ensor, auch die in den 60er Jahren stark diskutierte Art Brut, also psychische Grenzgänger wie Wölfli oder Soutter.
"Und dann kommen, was Paul Nizon, was der Schriftsteller und Freund von Kuhn, als 'Vermöbelung', die verwildernden Möbel apostrophiert hat: Das sind pseudokubistische Geschwüre, die persiflieren den Kubismus, sind aber eigentlich auch Möbel, die das Symbol der Rechtschaffenheit korrodieren, vom Inneren her …"
Die Ausstellung macht deutlich, wie da etwas Triebhaftes in die eigentlich geregelte Schweizer Welt, in die bewährte Bildkomposition einbricht, über die Bildfläche wuchert, weiterwächst und hinauswill. Revolutionärer Karneval mit Bleistift, seltsame, sich fortzeugende Maschinen in Öl, wie sie später Tinguely dann wirklich gebaut hat, aus hellem Alkohol-Nebel tretende Brautpaare - während man in den 60ern wild abstrakt malte oder aber konzeptuell dachte, blieb Kuhn der Figur und der Wirklichkeit verhaftet. Das Abstrakte wurde eher spielerisch integriert.
Auf Aktionen und Performances, die als Film erhalten sind, zermatscht der Künstler beim großen Fressen lustvoll Gurken und Kohlköpfe. Und wenn er von seinem ärmlichen Elternhaus beim Burghölzli (in der Nähe steht die Psychiatrie) mit einem weißen Jaguar hinunterfuhr in die Stadt in sein zweites Atelier, dann standen die Bürger und glotzten.
Gleichwohl: der Tod fährt immer mit. Kuhns Vater war Holzschnitzer und Grabbildhauer, auch der Sohn hat das Schnitzen gelernt. Die vielleicht auch daraus resultierende Ornamentik tritt dann bei den Bildern langsam in den Vordergrund …
Nach einem Zusammenbruch beginnt Kuhn in den 60er Jahren noch einmal neu: Die Palme wird für ihn zum optimistischen Lebensmotiv, bunt bemalte hölzerne Skulpturen, die ihre Blätter wie Finger recken, ganze Palmen-Parks. Kuhn entwickelt Hybrid-Formen: Zeichnung, Öl, ausgeschnittene Realien (wie etwa Verpackungen und Sahnebecher), alles wird gemixt, übereinandercollagiert. Die Farben sind poppig grell, die Motive der Massenkultur entnommen: High Heels und Unterwäsche.
Für die Expo 1964 malt Kuhn ein düsterblaues Riesenpanorama einer untergehenden Schweiz, seine Polyester-Skulpturen bleicher Frauengestalten schneidet er auseinander und montiert die versehrten Teile neu - oder er malt in die aufgeklappte Hohlform hinein. In Amerika zeigen Ed Kienholz und George Segal zur gleichen Zeit ähnliche, gesichtslose Repräsentanten der Entfremdung.
Friedrich Kuhn aber ist in Zürich geblieben und hat sich dort langsam zu Tode getrunken - ein Meister der "Konventions-Blasphemie", wie sein Freund, der Schriftsteller Paul Nizon, ihm nachrief. Ein eigenwilliger Kopf, den es zu entdecken gilt.