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Außenstelle der CDU

Am kommenden Freitag wird der DFB auf einem außerordentlichen Bundestag Wolfgang Niersbach zum Nachfolger zum Präsidenten wählen. Was Niersbach als DFB-Chef vorhat, ist bisher nicht bekannt. Niemand weiß, wofür er steht. Anders verhielt es sich mit seinen Vorgängern. Die zeigten nicht selten klare Kante - und waren politisch meist im konservativen Lager zu Hause.

Von Stefan Osterhaus | 26.02.2012
    Reden wir mal über Fußball. Und über Politik. Und über die Schnittmenge. Reden wir also über den DFB. Und seine Präsidenten. Von Wolfgang Niersbach, dem designierten, wissen wir zwar nicht viel. Aber dafür wissen wir einiges von der Tradition des DFB. Und der fühlte sich bisher noch jeder Präsident verpflichtet.

    Schauen wir also mal auf die Ahnengalerie, in die sich Niersbach stellen wird. In den letzten Jahrzehnten wurde es unübersehbar: Der DFB ist gewissermaßen eine Außenstelle der CDU. Ein mächtiger Ableger, der immerhin fast 6,8 Millionen Mitglieder vereint, eine Art Staat im Staat. Und er teilte sehr lange ein paar ähnliche Grundsätze: Die Führung von Volksport und Volkspartei waren sich ganz ähnlich in ihren Prinzipien. Wie die CDU hielt man bis vor ein paar Jahren nur wenig vom Königsmord. Der Präsident war so sakrosankt wie der Parteichef.
    Wackere Parteisoldaten waren immer beliebt im DFB: Theo Zwanziger, der berühmte Jurist aus Altendiez, war in einem früheren Leben einmal Regierungspräsident von Koblenz. Und er war sogar für hohe politische Weihen vorgesehen. Als Kultusminister hatte ihn der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Bernhard Vogel eingeplant. Doch Zwanziger setzte aufs falsche Pferd. Er schloss sich einer Gruppe von Abtrünnigen an, die Vogel stürzen wollte. Und weil die Revolte scheiterte, wurde es nichts mit der großen Politkarriere.

    Dafür ging‘s es im DFB umso steiler voran. Zwanziger, den nicht nur Gegner in Anlehnung an sowjetisches Kriegsgerät respektvoll T20 nennen, wurde der wohl politischste Präsident, den der DFB je gesehen hat: Gegen Homophobie. Gegen Rassismus. Für Israel. Gegen böse Blogger: An einer solchen Agenda hatte vor ihm keiner abgearbeitet, nicht mal sein Vorgänger, der im Gegensatz zum Theo aus der zweiten Reihe ein Polit-Profi erster Güte war: Gerhard Mayer-Vorfelder bekleidete exakt jenes Amt, dass Zwanziger gern in Rheinland-Pfalz bestiegen hätte. MV war Kultusminister in Baden-Württemberg, ehe er auf seine alten Tage auf den DFB-Thron kletterte.

    Konservatismus war stets Trumpf im DFB. Zwar zogen weder Egidius Braun noch der legendäre Hermann Neuberger in Landtage ein, doch im Auftreten beider war das Vorbild des Peco Bauwens zu erkennen, der den DFB in der Nachkriegszeit neu formierte: Der leutselige Kölner freute sich in einer Rundfunk-Ansprache über den WM-Titel von 1954 derart, dass er unsere österreichischen Nachbarn gern noch einmal angegliedert hätte.

    Ganz so doll trieb es Neuberger, der dem Verband 17 Jahre lang bis 1992 vorstand, nicht. Doch er brachte es in seiner Rolle als DFB-Chef zu ganz besonderen Ehren: Er war Gegenstand eines Leitartikels der Frankfurter Allgemeinen, den kein geringer als der Herausgeber Joachim Fest verfasste. Der war sehr verärgert über das autoritäre Gebaren Neubergers: Fest erkannte einem "ambitiösen Provinzkönig, dessen Gängelungsgelüste den Spielern noch vorschreibt, welche Socken oder Pullover sie außerhalb des Spielfelds zu tragen haben". Das muss man sich erst mal verdienen.

    Etwas diskreter hielt es Egidius Braun. Pater Brown, wie der passionierte Kirchenmusiker innerhalb des DFB wegen seines virtuosen Orgelspiels genannt wurde, machte aus seiner Vorliebe für CDU-Granden kein Geheimnis. Helmut Kohl war ein gern gesehener Gast bei der deutschen Nationalelf, auch Vorgänger Neuberger hatte sich nicht gegen den moralischen Beistand des Kanzlers gewehrt. Als Dankeschön rühmte Kohl die Tugenden der Nationalelf nach dem EM-Sieg von 1996, als ein deutsches Lazarett sich zum Titel kämpfe.

    Tja, die Familientradition. Allerdings gibt es auch unter DFB-Granden dann und wann Überraschungen. Kürzlich sprach kein anderer als CDU-Theo auf dem Parteitag der SPD zur segensreichen Wirkung des Sports. Fußball verbindet! Und da meinten manche schon, den neuen SPD-Integrationsbeauftragten gesehen zu haben.