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Außenwissenschaftsbetrieb
"Fluchtursachen durch Bildungspolitik bekämpfen"

Die SPD will die Außenwissenschaftspolitik stärker bündeln. Dazu hat sie ein Eckpunktepapier vorgelegt. Dabei gehe es nicht darum, "kulturpolitisch mit der Wissenschaftspolitik alle zu beglücken", betonte die SPD-Abgeordnete Daniela De Ridder im DLF. Vielmehr sei es wichtig, die internationale Bildungs-, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik besser zu verzahnen, um nicht zuletzt die Ursachen für Flucht zu bekämpfen.

Daniela De Ridder im Gespräch mit Manfred Götze | 14.06.2016
    Frauenhände halten einen Globus (01.06.2012).
    Geht es nach der SPD, dann sollen in der internationalen Außenwissenschaftspolitik künftig Kompetenzen besser gebündelt und Kooperationen genutzt werden. (dpa / picture-alliance / Angelo Cavalli)
    Daniela De Ridder: Weil wir Fluchtursachen durch Bildungspolitik bekämpfen können, indem wir nämlich überlegen, dass vielfach auch ökonomische Effekte dazu führen, dass sich insbesondere junge Menschen auf den Weg machen, in der Hoffnung, anderswo ihr Leben und Dasein besser fristen zu können. Da kann Bildungspolitik enorm helfen, indem sie nämlich Qualifizierungswege anbietet, und das kann in der Tat die Außenwissenschaftspolitik erreichen.
    Manfred Götzke: Nun gibt es ja schon viele Punkte, wo Deutschland sich in der Wissenschaftspolitik Ausland engagiert. Es gibt den DAAD, es gibt Austauschprogramme. Was wäre der Unterschied zu einer Außenwissenschaftspolitik, also was würde man anders machen?
    De Ridder: Also erst mal geht es darum, dass wir all das, was es schon an Aktivitäten gibt, noch mal stärker bündeln, vernetzen und verzahnen. Sie haben völlig recht, der Deutsche Akademische Austauschdienst, auch die Alexander von Humboldt-Stiftung und unsere Hochschulen gehören unbedingt mit in einen solchen Verbund hinein. Mir geht es aber vor allem darum, dass wir auch noch mal internationale Kooperationen gründen, und zwar nicht nur zwischen einzelnen Akteuren in der Wissenschaft, sondern mit ganzen Institutionen, sprich, dass wir am Beispiel der German-Jordanian University, die eben ein solches Programm schon vorhält, ganz anwendungsorientiert Studiengänge anbieten und diese Kooperationen, die es da schon gibt, noch weiter ausbauen.
    "Es wird am regionalen Arbeitsmarkt vorbeiqualifiziert"
    Götzke: Sie haben es ja gerade schon angedeutet: Außenwissenschaftspolitik könnte Fluchtursachen bekämpfen. Wie genau kann das denn erfolgen, also was kann Deutschland da konkret machen?
    De Ridder: Also meine Erfahrung – ich war vor zwei Jahren in Marokko – zeigt, dass vielfach in den Herkunftsländern, aus denen viele Flüchtlinge, insbesondere Armutsflüchtlinge, kommen, dass in diesen Herkunftsländern am Arbeitsmarkt, am regionalen und lokalen Arbeitsmarkt vorbeiqualifiziert wird. Hier können wir, glaube ich, durchaus unterstützend wirken, in Kooperation und vor allem, ganz, ganz wichtig, auf Augenhöhe mit den vorhandenen Systemen in den Herkunftsländern der Geflüchteten aktiv werden und das noch mal weiter ausbauen und tatsächlich schauen, was braucht die Ökonomie der jeweiligen Länder, aus denen die Geflüchteten kommen. Wie kann man da Qualifikationsmodelle anbieten und damit eben auch ökonomisch stabilisierend wirken. Das ist nämlich, glaube ich, ein ganz zentraler Punkt, warum sich Menschen auch auf den Weg machen.
    Götzke: Deutschland versucht ja das deutsche duale Ausbildungssystem in alle Welt zu exportieren. Nun hat man in den vergangenen Jahren gemerkt, dass es auch nicht so ganz einfach ist und das nicht mit den Strukturen vor Ort zusammenpasst. Also sind die Strukturen dafür bereit, dass Deutschland seine Wissenschaftskultur dorthin exportiert?
    De Ridder: Also es geht nicht darum, irgendwie kulturpolitisch mit der Wissenschaftspolitik alle zu beglücken, sondern tatsächlich zu gucken, was ist bereits vorhanden, aber was braucht auch der lokale und der regionale Arbeitsmarkt. Ich denke hier vor allem an Kooperationen etwa mit den sehr anwendungsbezogenen Fachhochschulen, die ja schon in Ansätzen oder als Einzelbeispiele solche Kooperationen pflegen, aber das könnten wir noch weitaus ausbauen. Wir müssen uns hier in der Tat auch noch mal mit den Außenhandelskammern in Verbindung setzen, die das Ganze nämlich auch mit unterstützen können und immer mit Blick auf das, was regional vorhanden ist, entsprechend uns flankieren könnten.
    Götzke: Momentan kümmern sich drei bis vier Ministerien um das, was man Außenwissenschaftspolitik nennen könnten – gibt es ja mit diesem Begriff noch nicht –, wie kann man das denn bündeln, und sind die Ministerien da bereit zu kooperieren?
    De Ridder: Ich glaube, dass die Herausforderung, die gerade die Flüchtlingsthematik uns beschert hat, zu einer Kooperation auch ressortübergreifend zwingt. Sie haben völlig recht, dazu gehört nicht nur die Bildungspolitik, dazu gehört auch die Bereitschaft – und die kann ich auf jeden Fall bestätigen – des Auswärtigen Amtes, dieses Vorhaben mit zu unterstützen.
    Dazu gehört, wie Sie schon angesprochen haben, die Wirtschaftspolitik, aber auch unsere Entwicklungspolitiker und unsere Menschenrechtler sind da an diesem Thema sehr interessiert, weil es, wie gesagt, noch mal an die Ursachen geht der Wanderungsbewegung, wie gesagt vor dem Hintergrund der ökonomischen Probleme.
    "Debatte um Fluchtursachen tabufreier diskutieren"
    Götzke: Momentan haben Sie ja dieses Eckpunktepapier entworfen. Wie geht es weiter?
    De Ridder: Also es wird jetzt noch mal darum gehen, auch in der noch verbleibenden Legislaturperiode zu schauen, welche Anträge können wir dort noch stellen. Möglicherweise muss man aber auch sagen, wir brauchen noch die Chance, in der nächsten Legislaturperiode das weiterentwickeln zu dürfen, aber es gibt ja schon eine Reihe Ansatzpunkte – wie gesagt, Hochschulkooperationen, die bestehen, die müssen wir deutlich noch besser alimentieren. Wir können auch DAAD und Alexander von Humboldt-Stiftung noch ein bisschen besser ausstatten, wir müssen vor allem aber auch die Debatte um die Bekämpfung von Fluchtursachen tabufreier diskutieren und auch noch mal deutlich machen, welche Implikationen das für alle Ressorts hat.
    Außenwissenschaftspolitik ist "ein Kernthema, das bisher noch völlig unterbelichtet geblieben ist"
    Götzke: Würden Sie sagen, das könnte der entscheidende Hebel sein, um Fluchtursachen zu bekämpfen, eine Außenwissenschaftspolitik, die gut und gezielt agiert?
    De Ridder: Ja, also ich bin fest davon überzeugt. Das ist ein Kernthema, das bisher noch völlig unterbelichtet geblieben ist und deshalb bin ich da sehr optimistisch, dass wenn wir diese Debatte entsprechend auch führen und an die Verantwortung aller Ressorts appellieren, sich auch enger zu vernetzen, auch enger zusammen zu arbeiten, dass wir dann da auch einen ganz großen Schritt weiterkommen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.