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Außer Spesen nichts gewesen

Der britische Spesenskandal unter Abgeordneten zieht weiter Kreise. Ein Komitee für "Standards im Öffentlichen Leben" soll jetzt Regelungen verkünden, die die Spesen deutlich begrenzen.

Von Martin Zagatta |
    Sie hat sich eine neue Frisur zugelegt. Jacqui Smith bleibt aber das Gesicht des Spesenskandals. Und das bekommt die zurückgetretene Innenministerin zu spüren, wo immer sie derzeit öffentlich auftritt.

    "Kann Jacqui Smith uns erklären, warum sie meint, dass sie die 116.000 Pfund, die sie aus der öffentlichen Kasse genommen hat, nicht zurückzahlen muss. Wenn sie das außerhalb des Parlaments gemacht hätte, wäre sie im Gefängnis."

    So empört sich ein Fragesteller in einer BBC-Sendung, in der die Politikerin Rede und Antwort stehen soll. Die 47-Jährige ist im Sommer über den Skandal um die abstrusen und teilweise betrügerischen Abrechnungen im Unterhaus gestolpert. Sie musste ihren Ministerposten aufgeben, ist aber Abgeordnete geblieben und will bei der Wahl im nächsten Jahr auch wieder kandidieren. Die Ausgaben für Pornofilme, die sie sich vom Parlament erstatten ließ, hat sie inzwischen beglichen. Jacqui Smith will aber die umgerechnet rund 130.000 Euro an Zuschüssen behalten, die sie eingestrichen hat, indem sie ein Gästezimmer in der Wohnung ihrer Schwester zu ihrem Hauptwohnsitz erklärt hat, und das Haus, in dem sie mit Mann und drei Kindern lebt, offiziell zur Zweitwohnung.

    Sie akzeptiere, falsch gehandelt zu haben. Sie entschuldige sich, aber das Komitee, das ihren Fall überprüft hat, habe entschieden, dass sie dafür nichts zurückzahlen müsse, rechtfertigt sich Smith – und das stimmt auch so. Ein vom Parlament eingesetzter Rechnungsprüfer hat die Politikerin zu einer förmlichen Entschuldigung vor dem Unterhaus gezwungen, ihren Reibach mit der Zweitwohnung aber genauso wenig geahndet wie den Profit, den etwa Finanzminister Darling gemacht hat, indem er seinen Wohnsitz in den letzten Jahren gleich viermal umgemeldet hat. Spesen etwa für Hundefutter, Klobürsten oder ein Entenhäuschen in einem Gartenteich hat das Komitee dagegen von mehr als 300 Abgeordneten zurückgefordert. Rund 13.000 Euro musste auch Gordon Brown wieder herausrücken, für übertrieben befundene Reinigungskosten und doppelt eingereichte Handwerkerrechnungen.

    Wir müssen diese Zahlungen leisten, um dem in Misskredit geratenen System ein Ende zu machen, appelliert der Premierminister an die Abgeordneten. Der Spesenskandal lässt sich so allerdings kaum aus der Welt schaffen. Zwar haben mehr als 100 an den Pranger gestellte Politiker inzwischen angekündigt, bei der nächsten Wahl nicht mehr anzutreten, ausgeschieden aus dem Unterhaus sind bisher aber nur zwei.

    Der mit Schimpf und Schande aus dem Amt gedrängte Parlamentspräsident Michael Martin durfte ins eigentlich ehrwürdige Oberhaus wechseln. Ein Komitee für "Standards im Öffentlichen Leben" soll heute Regelungen verkünden, die die Spesen deutlich begrenzen. Den Abgeordneten soll es künftig auch verboten werden, ihre Ehefrauen oder Kinder zu beschäftigen, was mehr als 200 von ihnen derzeit noch machen.

    Zweitwohnungsprofite sollen untersagt werden. Diejenigen, die sich wie Jacqui Smith in der Vergangenheit damit bereichert haben, dürfen das Geld wohl aber behalten.
    "Offenbar wird gegen den unverschämtesten Missbrauch überhaupt, das Ummelden von Wohnungen durch Abgeordnete gar nichts unternommen."

    "Damit" – so schimpft Nick Clegg, der Chef der britischen Liberaldemokraten - "kommen Politiker davon, die Hunderttausende ergaunert haben, mit dem Hin- und Her, mit dem Wohnungswechsel, um selbst Gewinn zu machen."

    Die Behörden schließen nicht aus, dass es noch offizielle Strafverfahren geben wird. Aber die Öffentlichkeit ist skeptisch. Der Skandal, so schreibt jetzt der Independent, der Spesenskandal "wird unter den Teppich gekehrt".