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Außer Spesen nichts gewesen

Umwelt. - 2012 läuft das Kyoto-Protokoll aus, das die Treibhausgasemissionen drosselt. Der Weg zur Nachfolgeregelung ist extrem steinig. Daher hat auch die Klimakonferenz, die jetzt in Bonn 4500 Delegierte zusammenbrachte, wenig Fortschritte ergeben. Der Wissenschaftsjournalist Volker Mrasek berichtet im Gespräch mit Ralf Krauter.

11.06.2010
    Krauter: Herr Mrasek, haben die Verhandlungen in Bonn ein verbindliches Abkommen irgendwie ein Stückchen näherrücken lassen?

    Mrasek: Vielleicht ein Quäntchen. Der Chef des UN-Klimasekretariates, Ivo de Boer, der hat vor einer Stunde seiner Abschlusspressekonferenz beendet. Da hat er natürlich pflichtgetreu von gewissen Fortschritten gesprochen, er ist oberster Klimadiplomat, er verabschiedet sich, es gibt jetzt eine Nachfolgerin. Er wird da also nicht so in medias res gehen. Auf der anderen Seite hat er schon klar zum Ausdruck gebracht und wörtlich gesagt: Wenn man mit einem kühlen Blick sich die Fakten anschaut, dann sind die angebotenen Emissions Reduktionen von Industrie- und Schwellenländern, auch nach den zwei Wochen noch weit von dem entfernt, was eigentlich die Klimaforschung für nötig hält. Und das sind Reduktionen um 25 bis 40 Prozent im Jahr 2020, also schon Ende dieses Jahrzehnts verglichen mit 1990. Und er findet auch Unterstützung, wiederum von Klimaforschern. Da gibt es Gruppen, da gehört das Potsdam Institut für Klimafolgenforschung dazu, die haben einen climate action tracker entwickelt, das ist so ein Lackmus-Test für die Emissions Reduktionsvorschläge, die die Länder auf den Tisch legen. Reichen sie aus, fragen sie immer, und die haben den gerade heute Nacht noch einmal aktualisiert und sagen, da ist ein bisschen mehr Bewegung als wir dachten, bei China und auch bei Island. Aber mit einer hohen Wahrscheinlichkeit steuern wir eigentlich auf eine 3-Grad-Welt zu und nicht auf eine Welt, die nicht wärmer als 2 Grad ist, also eine potentielle, ja, wie soll man es ausdrücken.: eine Welt mit potentiell gefährlichen Klimaänderungen.

    Krauter: Klingt alarmierend, dass der scheidende oberste Klimadiplomatie die Dinge so ein bisschen durch die rosa Brille sehen muss, liegt ein bisschen so an seinem Job. Das haben sie erwähnt. Wie haben denn andere Konferenzteilnehmer reagiert auf das, was da jetzt raus kam? Der große Durchbruch kam ja nicht rüber.

    Mrasek: Der große Durchbruch ist nicht da, im Gegenteil, es gibt sogar Teilnehmer, die sagen, die Verhandlungen sind wieder schwieriger geworden. Es gibt sogar solche, die sind unglaublich enttäuscht. Es gibt so ein Zentrum, das nennt sich South Centre, bezeichnet sich selbst als zwischenstaatliche Denkfabrik für Entwicklungsländer, hat den Sitz in Genf, erstellt unter anderem Forschungsberichte. Und es gibt an diesem Tag sehr viele Pressekonferenzen und dieses South Centre war mit hochrangigen Vertretern da und da hat man ganz klar gesagt: Die Entwicklungsländer sind extrem enttäuscht über die Industriestaaten und sie zweifeln am Willen der entwickelten Länder, das Kyoto-Protokoll überhaupt über 2012 hinaus zu verlängern. Es wurde sogar die Sorge geäußert, dass es im Grunde schon tot sein könne. Das hat damit zu tun, dass die USA eine Sonderrolle haben. Die Vereinigten Staaten haben ja das Kyoto Protokoll nie ratifiziert, und man hat ihnen aber die Tür nicht zuschlagen wollen und gesagt, wir haben ja noch die grundsätzliche Klimarahmenkonvention, da machen die mit. Also sollen die USA Vorschläge unter dieser, oder im Rahmen dieser Klimarahmenkonvention vorbringen. Aber nicht mit dieser Basis vom Kyoto-Protokoll. Es sind ja bindende Ziele, die sind rechtlich verbindlich, da gibt es Sanktionen dafür, wenn man die nicht erreicht. Und unter dieser Klimarahmenkonvention dürfen die USA Vorschläge machen. Und wie das South-Centre jetzt auch sagte in der Abschlusspressekonferenz, gibt es mehrere Industrieländer, die jetzt genau das machen wollen und für sich beanspruchen. Wir möchten genau so wie die USA nur noch Reduktionsmaßnahmen auf freiwilliger Basis treffen, am liebsten unter der Rahmenkonvention, und es reden gar nicht mehr so viele Industrieländer davon, dass sie eigentlich noch einmal ein Kyoto Teil zwei haben wollen. Diese Einschätzung, das ist doch eher pessimistisch.

    Krauter: Klingt so, als ob vertrauensbildende Maßnahmen vor allem nötig wären, vor allem ein mutiger Schritt der USA vielleicht. Darauf haben wir keinen Einfluss. Was ist denn Ihr Fazit. Der Karren ist festgefahren, kein Ausweg in Sicht. Gibt es überhaupt noch eine Chance, bis zur Nachfolgekonferenz in Mexiko das Blatt noch zu wenden?

    Mrasek: Also, es gibt noch zwei Zwischenkonferenzen, mehr als sonst. Aber wenn man noch einmal auf die Pressekonferenz von Ivo de Boer zurückkommt, der hatte sogar schon von 2012 gesprochen, das in 2012 eine Weltklimakonferenz in Korea stattfinden werde. Und wenn er dieses Jahr schon nennt, dann glaube ich, das spricht dafür, dass man dieses Jahr nichts sehen wird, vielleicht 2011 und mit einigem Glück 2012.