Jürgen Ponto? Der Allgemeinheit ist sein Name vor allem durch die Liste der RAF-Opfer bekannt. Am 30. Juli 1977 wurde Ponto in seinem Privathaus von Terroristen ermordet. Doch Ralf Ahrens und Johannes Bähr erzählen nicht die Geschichte des Opfers, die beiden Autoren nehmen die wenig bekannte Geschichte des Machers in den Blick: Zu ihrem Erkenntnisinteresse schreiben sie:
"Jürgen Ponto hat es seinen Biografen nicht leicht gemacht. Wohl keinem anderen Großbankier sind zu Lebzeiten so ungeteilt Lob und Respekt gezollt worden (…). Die Autoren dieses Buchs haben eine Perspektive gewählt, die Ponto als Teil seiner Lebenswelt zeigt und in der Biografie des Bankiers auch einen Zugang zum Verständnis seines Handlungsumfeldes sieht."
Vor zwei Jahren veröffentlichte Jürgen Pontos Tochter Corinna gemeinsam mit Julia Albrecht den Band "Patentöchter". Julias Schwester Susanne Albrecht war am Mord beteiligt. Es war ein Buch von engsten Familienangehörigen. Ahrens und Bähr dagegen blicken als Wissenschaftler auf Ponto. Die versierten Unternehmenshistoriker rekonstruieren den Lebenslauf eines Einzelnen, darüber hinaus präsentieren sie ein Sittengemälde der 70er-Jahre-Ökonomie. Der Leser taucht ein in die alte Bundesrepublik, in eine Zeit, als noch nicht Milliardensummen versenkt und Rettungsschirme aufgespannt wurden. Weniger sentimental betrachtet, war es ein Jahrzehnt des wirtschaftlichen Umbruchs. Das Wirtschaftswunder gehörte der Vergangenheit an, Topkräfte mussten mehr leisten als ein Weiterso. Und Jürgen Ponto leistete mehr. Die Autoren schwärmen schon in der Einleitung:
"Hohes Kommunikationsvermögen und kulturelle Bildung, ein bestimmtes Mischungsverhältnis von Modernität und Konservatismus, der häufige Appell an Vernunft und Toleranz – erst in der Verbindung mit diesem Auftreten verdichtet sich Pontos zweifellos auch vorhandenes, ebenfalls souverän kommuniziertes Fachwissen im Bankgeschäft (…) zum Bild einer ganz außergewöhnlichen Managerpersönlichkeit."
Jürgen Ponto, Jahrgang 1923, entstammte einer gut situierten Familie, aber nicht der Welt der Hochfinanz. Vater Robert arbeitete für eine Überseehandelsfirma in Ecuador, Onkel Erich war ein berühmter Schauspieler. Jürgen Ponto verbrachte seine ersten drei Lebensjahre an der südpazifischen Küste, danach zog die Familie wieder nach Deutschland. Zur Schulzeit am Hamburger Wilhelm-Gymnasium bemerken die Autoren beflissen:
"Ponto war an dieser Schule keine auffällige Erscheinung, und er war wohl auch kein besonders guter Schüler. Aber er wuchs dort in einem Umfeld auf, das sich gegenüber Konformitätszwängen im Dritten Reich eine gewisse Eigenständigkeit bewahrte."
Nach Abitur, Dienst in der Wehrmacht und Jura-Studium arbeitete Ponto von 1950 an für die Hamburger Kreditbank, die zur Dresdner Bank gehörte. Leichte Auffassungsgabe, Fleiß und klares Urteilsvermögen attestiert das Arbeitszeugnis dem jungen Bankjuristen. 1959 stieg Ponto zum Chefsyndikus der Dresdner Bank auf, fünf Jahre später war er stellvertretendes Vorstandsmitglied, 1967 Vorstandsmitglied und schließlich von 1969 an Sprecher. Vom Volontär zum Vorstandssprecher in 19 Jahren – eine Blitzkarriere. Die Autoren Ahrens und Bähr erklären den schnellen Aufstieg auch mit Qualitäten, die man heute Soft Skills nennt:
"Jürgen Ponto war als großer Integrator vermutlich die Idealbesetzung für die Spitzenposition in dieser neuen Führungsmannschaft. Er pflegte einen konsensorientierten Führungsstil, festigte dabei aber zugleich seine eigene Stellung als Primus mit der Kompetenz fürs Wesentliche."
Detailliert erzählen die Autoren, wie dank Ponto aus der ewigen Nummer zwei hinter der Deutschen Bank das moderne Geldhaus mit dem grünen Band der Sympathie wurde. Die Dresdner Bank leistete sich als erste Corporate Design und schaltete Fernsehspots, auch das eine Premiere im Bankwesen. Aber Ponto erscheint in der Biografie nicht nur als Experte für Außenwirkung, er tritt vor allem als Bankier in Erscheinung, der versteht, was die Geld-Welt im Innersten zusammenhält. Die Autoren loben mehrfach seine Rede zum 100. Jubiläum der Bank, sein Bekenntnis zu nicht-pekuniären Werten und sein gesellschaftspolitisches Bewusstsein. Er stand für die klassische, in Deutschland verwurzelte Universalbank, das Paralleluniversum der Investmentbanker war weit weg. Von Globalisierung sprach Mitte der 70er-Jahre noch niemand. Ponto aber öffnete, auch aufgrund seiner zahlreichen Aufsichtsratsmandate, die Deutschland AG für große Geschäfte mit dem Ausland. Maßgeblich war er zum Beispiel daran beteiligt, dass die kuwaitische Regierung 1974 Daimler-Benz-Aktien erwarb. Viele Kommentatoren sahen den Halbmond über Stuttgart aufziehen, die Biografen loben die Weitsicht des Bankenlenkers:
"Die weitere Entwicklung hat Ponto recht gegeben. Er hatte damals früher als viele andere erkannt, dass sich durch die Investition von Öl-Milliarden in deutsche Unternehmen Chancen eröffnen könnten. Inzwischen ist die längst allgemeiner Konsens, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit dem Engagement Kuwaits bei Daimler Benz."
Kundig analysieren Bähr und Ahrens Bilanzen und Besitzverhältnisse, Geschäftsbeziehungen und Geschäftsentwicklungen. Die beiden sind begnadete Archivrechercheure, begnadete Porträtisten sind sie nicht. Das Kapitel über den Ehemann, Vater und Musenfreund Jürgen Ponto fällt hölzern aus. Da heißt es etwa belehrend in Richtung Banker von heute:
"Es hätte Ponto ferngelegen, die von ihm angestoßene Kulturförderung als eine Art Sponsoring zu verstehen, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Für ihn gehörte das kulturelle Engagement zum Selbstverständnis eines Großbankiers (…) Ponto war in dieser Hinsicht ein Vertreter des klassischen Bürgertums, das Wirtschaft und Kultur nie als Gegensätze angesehen hatte."
Eine Heldensaga hätten sie nicht schreiben wollen, bekunden Johannes Bähr und Ralf Ahrens. Bisweilen schrammen sie nur knapp daran vorbei. Immerhin vermuten sie, dass auch ein Jürgen Ponto die spätere Krise der Dresdner Bank nicht hätte verhindern können. Das Buch lässt tief in die komplizierten Entscheidungsprozesse einer Großbank blicken. Auf die Frage, warum sich die RAF ausgerechnet für Jürgen Ponto als Opfer entschied, geben die Autoren hingegen eine einfache Antwort: Der Vorstandssprecher der Dresdner Bank wurde zur Zielscheibe, weil die Pontos der Tochter der befreundeten Familie Albrecht arglos die Tür öffneten. Hingerichtet wurde schlicht jener Vertreter der Deutschland AG, der im Juli 1977 am einfachsten zu treffen war. Zum Hassobjekt – das zeigt die Biografie klar - taugte der Bankier und Bürger Jürgen Ponto nicht.
Ralf Ahrens/Johannes Bähr: "Jürgen Ponto - Bankier und Bürger", C.H. Beck Verlag, 348 Seiten, 24,95 Euro
ISBN: 978-3-406-65581-4
"Jürgen Ponto hat es seinen Biografen nicht leicht gemacht. Wohl keinem anderen Großbankier sind zu Lebzeiten so ungeteilt Lob und Respekt gezollt worden (…). Die Autoren dieses Buchs haben eine Perspektive gewählt, die Ponto als Teil seiner Lebenswelt zeigt und in der Biografie des Bankiers auch einen Zugang zum Verständnis seines Handlungsumfeldes sieht."
Vor zwei Jahren veröffentlichte Jürgen Pontos Tochter Corinna gemeinsam mit Julia Albrecht den Band "Patentöchter". Julias Schwester Susanne Albrecht war am Mord beteiligt. Es war ein Buch von engsten Familienangehörigen. Ahrens und Bähr dagegen blicken als Wissenschaftler auf Ponto. Die versierten Unternehmenshistoriker rekonstruieren den Lebenslauf eines Einzelnen, darüber hinaus präsentieren sie ein Sittengemälde der 70er-Jahre-Ökonomie. Der Leser taucht ein in die alte Bundesrepublik, in eine Zeit, als noch nicht Milliardensummen versenkt und Rettungsschirme aufgespannt wurden. Weniger sentimental betrachtet, war es ein Jahrzehnt des wirtschaftlichen Umbruchs. Das Wirtschaftswunder gehörte der Vergangenheit an, Topkräfte mussten mehr leisten als ein Weiterso. Und Jürgen Ponto leistete mehr. Die Autoren schwärmen schon in der Einleitung:
"Hohes Kommunikationsvermögen und kulturelle Bildung, ein bestimmtes Mischungsverhältnis von Modernität und Konservatismus, der häufige Appell an Vernunft und Toleranz – erst in der Verbindung mit diesem Auftreten verdichtet sich Pontos zweifellos auch vorhandenes, ebenfalls souverän kommuniziertes Fachwissen im Bankgeschäft (…) zum Bild einer ganz außergewöhnlichen Managerpersönlichkeit."
Jürgen Ponto, Jahrgang 1923, entstammte einer gut situierten Familie, aber nicht der Welt der Hochfinanz. Vater Robert arbeitete für eine Überseehandelsfirma in Ecuador, Onkel Erich war ein berühmter Schauspieler. Jürgen Ponto verbrachte seine ersten drei Lebensjahre an der südpazifischen Küste, danach zog die Familie wieder nach Deutschland. Zur Schulzeit am Hamburger Wilhelm-Gymnasium bemerken die Autoren beflissen:
"Ponto war an dieser Schule keine auffällige Erscheinung, und er war wohl auch kein besonders guter Schüler. Aber er wuchs dort in einem Umfeld auf, das sich gegenüber Konformitätszwängen im Dritten Reich eine gewisse Eigenständigkeit bewahrte."
Nach Abitur, Dienst in der Wehrmacht und Jura-Studium arbeitete Ponto von 1950 an für die Hamburger Kreditbank, die zur Dresdner Bank gehörte. Leichte Auffassungsgabe, Fleiß und klares Urteilsvermögen attestiert das Arbeitszeugnis dem jungen Bankjuristen. 1959 stieg Ponto zum Chefsyndikus der Dresdner Bank auf, fünf Jahre später war er stellvertretendes Vorstandsmitglied, 1967 Vorstandsmitglied und schließlich von 1969 an Sprecher. Vom Volontär zum Vorstandssprecher in 19 Jahren – eine Blitzkarriere. Die Autoren Ahrens und Bähr erklären den schnellen Aufstieg auch mit Qualitäten, die man heute Soft Skills nennt:
"Jürgen Ponto war als großer Integrator vermutlich die Idealbesetzung für die Spitzenposition in dieser neuen Führungsmannschaft. Er pflegte einen konsensorientierten Führungsstil, festigte dabei aber zugleich seine eigene Stellung als Primus mit der Kompetenz fürs Wesentliche."
Detailliert erzählen die Autoren, wie dank Ponto aus der ewigen Nummer zwei hinter der Deutschen Bank das moderne Geldhaus mit dem grünen Band der Sympathie wurde. Die Dresdner Bank leistete sich als erste Corporate Design und schaltete Fernsehspots, auch das eine Premiere im Bankwesen. Aber Ponto erscheint in der Biografie nicht nur als Experte für Außenwirkung, er tritt vor allem als Bankier in Erscheinung, der versteht, was die Geld-Welt im Innersten zusammenhält. Die Autoren loben mehrfach seine Rede zum 100. Jubiläum der Bank, sein Bekenntnis zu nicht-pekuniären Werten und sein gesellschaftspolitisches Bewusstsein. Er stand für die klassische, in Deutschland verwurzelte Universalbank, das Paralleluniversum der Investmentbanker war weit weg. Von Globalisierung sprach Mitte der 70er-Jahre noch niemand. Ponto aber öffnete, auch aufgrund seiner zahlreichen Aufsichtsratsmandate, die Deutschland AG für große Geschäfte mit dem Ausland. Maßgeblich war er zum Beispiel daran beteiligt, dass die kuwaitische Regierung 1974 Daimler-Benz-Aktien erwarb. Viele Kommentatoren sahen den Halbmond über Stuttgart aufziehen, die Biografen loben die Weitsicht des Bankenlenkers:
"Die weitere Entwicklung hat Ponto recht gegeben. Er hatte damals früher als viele andere erkannt, dass sich durch die Investition von Öl-Milliarden in deutsche Unternehmen Chancen eröffnen könnten. Inzwischen ist die längst allgemeiner Konsens, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen mit dem Engagement Kuwaits bei Daimler Benz."
Kundig analysieren Bähr und Ahrens Bilanzen und Besitzverhältnisse, Geschäftsbeziehungen und Geschäftsentwicklungen. Die beiden sind begnadete Archivrechercheure, begnadete Porträtisten sind sie nicht. Das Kapitel über den Ehemann, Vater und Musenfreund Jürgen Ponto fällt hölzern aus. Da heißt es etwa belehrend in Richtung Banker von heute:
"Es hätte Ponto ferngelegen, die von ihm angestoßene Kulturförderung als eine Art Sponsoring zu verstehen, ein Geschäft auf Gegenseitigkeit. Für ihn gehörte das kulturelle Engagement zum Selbstverständnis eines Großbankiers (…) Ponto war in dieser Hinsicht ein Vertreter des klassischen Bürgertums, das Wirtschaft und Kultur nie als Gegensätze angesehen hatte."
Eine Heldensaga hätten sie nicht schreiben wollen, bekunden Johannes Bähr und Ralf Ahrens. Bisweilen schrammen sie nur knapp daran vorbei. Immerhin vermuten sie, dass auch ein Jürgen Ponto die spätere Krise der Dresdner Bank nicht hätte verhindern können. Das Buch lässt tief in die komplizierten Entscheidungsprozesse einer Großbank blicken. Auf die Frage, warum sich die RAF ausgerechnet für Jürgen Ponto als Opfer entschied, geben die Autoren hingegen eine einfache Antwort: Der Vorstandssprecher der Dresdner Bank wurde zur Zielscheibe, weil die Pontos der Tochter der befreundeten Familie Albrecht arglos die Tür öffneten. Hingerichtet wurde schlicht jener Vertreter der Deutschland AG, der im Juli 1977 am einfachsten zu treffen war. Zum Hassobjekt – das zeigt die Biografie klar - taugte der Bankier und Bürger Jürgen Ponto nicht.
Ralf Ahrens/Johannes Bähr: "Jürgen Ponto - Bankier und Bürger", C.H. Beck Verlag, 348 Seiten, 24,95 Euro
ISBN: 978-3-406-65581-4