Karin Fischer: Dass es in China Internetzensur in großem Ausmaß gibt, hatte der Google-Konzern im Jahr 2006 akzeptiert, als er mit google.cn und in chinesischer Sprache dort auf den Markt ging. Heute hat die Firma einen Marktanteil von 30 Prozent, die größte chinesische Suchmaschine Baidu.com gut das Doppelte, und die Zuwächse sind immer noch riesig. Nachdem es eine Serie von massiven Hackerangriffen auf chinesische Dissidenten gab, über die Google auch selbst berichtete, erwägt der Konzern nun den Rückzug aus China. Frage an meinen Kollegen Shi Ming: Was genau weiß man über diese Hackerangriffe?
Shi Ming: Man weiß eigentlich nichts Genaues, man weiß aber seit Langem, dass es zwei Kategorien von Hackern gibt: Es gibt die eine "Union Rote Hacker", das sind die Lärmmacher, das sind die nationalistischen, jungen Menschen, die aus Affekt andere Websites hacken, insbesondere die amerikanischen, mit Vorliebe. Aber es gibt auch eine viel stillere Gruppe der Hacker, die wahrscheinlich in diesem Fall am Werk sind, die sind im Dienst der Regierung, des Staates, vielleicht auch sogar der Militärs.
Fischer: Aber erwiesen ist es noch nicht, welche der beiden Gruppen es gewesen sein könnte? Wofür sprechen Indizien?
Ming: Die Indizien, dass zum Beispiel 20 große, amerikanische Konzerne gleichzeitig auch gehackt worden sind, die Indizien etwa darauf, dass Google in der sogenannten Internetarchitektur, in der Internetinfrastruktur angegriffen wird, das deutet auf die zweite Gruppe hin, denn die ersten, die hacken hauptsächlich die Oberfläche. Da sieht man dann plötzlich eine wehende Fahne, rote Fahne auf einer amerikanischen Regierungswebsite.
Fischer: ... der kommunistischen Partei Chinas dann.
Ming: Das wäre so etwas für die Union der roten Hacker.
Fischer: Was für einen Stellenwert haben solche Angriffe im Rahmen der, in großen Anführungszeichen, gewöhnlichen chinesischen Zensur?
Ming: Immer, wenn die Hacker unterwegs sind, belegen sie zweierlei: Einerseits belegen sie eine Hilflosigkeit, wenn es zum Beispiel darum geht, dass Informationen ungehindert und ungehemmt nach China doch strömen, trotz aller Zensur. Das ist in diesem Fall wohl nicht der Fall. Oder aber: Die Regierung versucht jetzt, eine verschwörerische Feindseligkeit aus der Umgebung zu initiieren, und das ist sehr eindeutig. Kurz, also ein paar Stunden nach der Bekanntgabe von Google gab es eine Blitzumfrage von der offiziellen Xinhua-Agentur, die fragte: Sollen wir uns darauf einlassen, die Auflagen von Google zu akzeptieren? Das ist eine Verdrehung der Tatsachen, eher ist es noch so, dass Google die Auflagen der chinesischen Regierung zu akzeptieren hat und nicht umgekehrt. Aber allein diese suggestive Frage zeugt davon, dass hier auch ein Effekt gesucht wird, also eine Feindseligkeit von außen. Es gibt dann auch noch Diskussionen, inwieweit Google in US-amerikanische Spionagegeschäfte gegen China verwickelt sei. Die Suchmaschine, die alle Ecken dieser Erde abtastet – warum soll man glauben, dass sie nicht auch in unserer Intimsphäre oder in unseren Staatsgeheimnissen herumstöbert.
Fischer: Nun überlegt sich Google, diesen chinesischen Markt aufzugeben. Abgesehen davon, dass es damit auf ein ganz großes Geschäft verzichten würde, was würde ein Rückzug für die chinesischen Internetnutzer bedeuten?
Ming: Es zeigt sich eigentlich seit wenigen Stunden schon, dass vor allen Dingen die Bildungsbürger in Großstädten beinahe schon einen Aufstand erproben. Es gibt immer wieder Diskussionen, Google, du machst das blendend, halte durch, wir halten dir den Rücken frei. Das hat auch einfach damit zu tun, weil Googles Marktanteil von 30 Prozent vor allen Dingen mit zum Beispiel englischsprachigen Wissenssystemen die Bildungsbürgerinnen und -bürger in den Städten versorgt. Auch wenn Google natürlich alle Klauseln der Internetzensur akzeptiert, aber Google bietet mit Suchmaschinen eher Wissenssysteme an. Das kann zum Beispiel Baidu.com überhaupt nicht abdecken, schon gar nicht in Fremdsprachen, schon gar nicht zum Beispiel in der wirklich sehr verzwickten Welt der akademischen Forschung.
Fischer: Ganz kurze Frage zum Schluss, Shi Ming: Der Künstler Ai Weiwei soll auch persönlich betroffen sein. Was bedeutet das für jemanden wie ihn?
Ming: Das bedeutet eine ganze Menge, denn bekannte Dissidenten und Aktivisten bekommen zum Beispiel von keinem chinesischen Portal noch ein E-Mail-Konto angeboten. Niemand wagt es, ihnen noch irgendetwas anzubieten. Wenn so ein Großkonzern mit E-Mail-Service dann sich zurückzieht, wird die Signalwirkung für alle anderen Anbieter noch viel fataler sein. Niemand würde sich später noch trauen, Ai Weiwei zum Beispiel von sich aus einen Blog anzubieten.
Fischer: Herzlichen Dank an Shi Ming für diese Einschätzung der Androhung von Google, es werde wegen Hackerangriffe auf chinesische Dissidenten sein Chinageschäft möglicherweise aufgeben oder zumindest prüfen.
Shi Ming: Man weiß eigentlich nichts Genaues, man weiß aber seit Langem, dass es zwei Kategorien von Hackern gibt: Es gibt die eine "Union Rote Hacker", das sind die Lärmmacher, das sind die nationalistischen, jungen Menschen, die aus Affekt andere Websites hacken, insbesondere die amerikanischen, mit Vorliebe. Aber es gibt auch eine viel stillere Gruppe der Hacker, die wahrscheinlich in diesem Fall am Werk sind, die sind im Dienst der Regierung, des Staates, vielleicht auch sogar der Militärs.
Fischer: Aber erwiesen ist es noch nicht, welche der beiden Gruppen es gewesen sein könnte? Wofür sprechen Indizien?
Ming: Die Indizien, dass zum Beispiel 20 große, amerikanische Konzerne gleichzeitig auch gehackt worden sind, die Indizien etwa darauf, dass Google in der sogenannten Internetarchitektur, in der Internetinfrastruktur angegriffen wird, das deutet auf die zweite Gruppe hin, denn die ersten, die hacken hauptsächlich die Oberfläche. Da sieht man dann plötzlich eine wehende Fahne, rote Fahne auf einer amerikanischen Regierungswebsite.
Fischer: ... der kommunistischen Partei Chinas dann.
Ming: Das wäre so etwas für die Union der roten Hacker.
Fischer: Was für einen Stellenwert haben solche Angriffe im Rahmen der, in großen Anführungszeichen, gewöhnlichen chinesischen Zensur?
Ming: Immer, wenn die Hacker unterwegs sind, belegen sie zweierlei: Einerseits belegen sie eine Hilflosigkeit, wenn es zum Beispiel darum geht, dass Informationen ungehindert und ungehemmt nach China doch strömen, trotz aller Zensur. Das ist in diesem Fall wohl nicht der Fall. Oder aber: Die Regierung versucht jetzt, eine verschwörerische Feindseligkeit aus der Umgebung zu initiieren, und das ist sehr eindeutig. Kurz, also ein paar Stunden nach der Bekanntgabe von Google gab es eine Blitzumfrage von der offiziellen Xinhua-Agentur, die fragte: Sollen wir uns darauf einlassen, die Auflagen von Google zu akzeptieren? Das ist eine Verdrehung der Tatsachen, eher ist es noch so, dass Google die Auflagen der chinesischen Regierung zu akzeptieren hat und nicht umgekehrt. Aber allein diese suggestive Frage zeugt davon, dass hier auch ein Effekt gesucht wird, also eine Feindseligkeit von außen. Es gibt dann auch noch Diskussionen, inwieweit Google in US-amerikanische Spionagegeschäfte gegen China verwickelt sei. Die Suchmaschine, die alle Ecken dieser Erde abtastet – warum soll man glauben, dass sie nicht auch in unserer Intimsphäre oder in unseren Staatsgeheimnissen herumstöbert.
Fischer: Nun überlegt sich Google, diesen chinesischen Markt aufzugeben. Abgesehen davon, dass es damit auf ein ganz großes Geschäft verzichten würde, was würde ein Rückzug für die chinesischen Internetnutzer bedeuten?
Ming: Es zeigt sich eigentlich seit wenigen Stunden schon, dass vor allen Dingen die Bildungsbürger in Großstädten beinahe schon einen Aufstand erproben. Es gibt immer wieder Diskussionen, Google, du machst das blendend, halte durch, wir halten dir den Rücken frei. Das hat auch einfach damit zu tun, weil Googles Marktanteil von 30 Prozent vor allen Dingen mit zum Beispiel englischsprachigen Wissenssystemen die Bildungsbürgerinnen und -bürger in den Städten versorgt. Auch wenn Google natürlich alle Klauseln der Internetzensur akzeptiert, aber Google bietet mit Suchmaschinen eher Wissenssysteme an. Das kann zum Beispiel Baidu.com überhaupt nicht abdecken, schon gar nicht in Fremdsprachen, schon gar nicht zum Beispiel in der wirklich sehr verzwickten Welt der akademischen Forschung.
Fischer: Ganz kurze Frage zum Schluss, Shi Ming: Der Künstler Ai Weiwei soll auch persönlich betroffen sein. Was bedeutet das für jemanden wie ihn?
Ming: Das bedeutet eine ganze Menge, denn bekannte Dissidenten und Aktivisten bekommen zum Beispiel von keinem chinesischen Portal noch ein E-Mail-Konto angeboten. Niemand wagt es, ihnen noch irgendetwas anzubieten. Wenn so ein Großkonzern mit E-Mail-Service dann sich zurückzieht, wird die Signalwirkung für alle anderen Anbieter noch viel fataler sein. Niemand würde sich später noch trauen, Ai Weiwei zum Beispiel von sich aus einen Blog anzubieten.
Fischer: Herzlichen Dank an Shi Ming für diese Einschätzung der Androhung von Google, es werde wegen Hackerangriffe auf chinesische Dissidenten sein Chinageschäft möglicherweise aufgeben oder zumindest prüfen.